Kunst, an dem Wunsche nämlich, mit dem Angenehmen das Nützliche als letzten Zweck zu verbinden, dieser fälschlich so genann¬ ten Sittlichkeit der Kunst, welche die Wahr¬ heit der Natur verläugnet, und, indem sie belehren will, hintergeht. Der herrlichste Bilderreichthum kann, solchen Begriffen un¬ tergeordnet, in Erstaunen setzen und Be¬ wunderung vom Zuschauer erzwingen, wenn eine hohe Darstellungsgabe damit verbunden ist; aber den Künstler, der so sich äussert, wird man in seinem Werke so wenig lieben können, als jene morgenländischen National¬ götter, deren Offenbarung nur Grausen und Entsetzen in den Gemüthern erweckte.
Ich will ihn ja bewundern, diesen grossen Rubens, den Mann von unerschöpflichem Fleisse, von riesenhafter Phantasie und Dar¬ stellungskraft, den Ajax unter den Malern, dem man gegen viertausend bekannte Ge¬
I. Theil. I
Kunst, an dem Wunsche nämlich, mit dem Angenehmen das Nützliche als letzten Zweck zu verbinden, dieser fälschlich so genann¬ ten Sittlichkeit der Kunst, welche die Wahr¬ heit der Natur verläugnet, und, indem sie belehren will, hintergeht. Der herrlichste Bilderreichthum kann, solchen Begriffen un¬ tergeordnet, in Erstaunen setzen und Be¬ wunderung vom Zuschauer erzwingen, wenn eine hohe Darstellungsgabe damit verbunden ist; aber den Künstler, der so sich äuſsert, wird man in seinem Werke so wenig lieben können, als jene morgenländischen National¬ götter, deren Offenbarung nur Grausen und Entsetzen in den Gemüthern erweckte.
Ich will ihn ja bewundern, diesen groſsen Rubens, den Mann von unerschöpflichem Fleiſse, von riesenhafter Phantasie und Dar¬ stellungskraft, den Ajax unter den Malern, dem man gegen viertausend bekannte Ge¬
I. Theil. I
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0141"n="129"/>
Kunst, an dem Wunsche nämlich, mit dem<lb/>
Angenehmen das Nützliche als letzten Zweck<lb/>
zu verbinden, dieser fälschlich so genann¬<lb/>
ten Sittlichkeit der Kunst, welche die Wahr¬<lb/>
heit der Natur verläugnet, und, indem sie<lb/>
belehren will, hintergeht. Der herrlichste<lb/>
Bilderreichthum kann, solchen Begriffen un¬<lb/>
tergeordnet, in Erstaunen setzen und Be¬<lb/>
wunderung vom Zuschauer erzwingen, wenn<lb/>
eine hohe Darstellungsgabe damit verbunden<lb/>
ist; aber den Künstler, der so sich äuſsert,<lb/>
wird man in seinem Werke so wenig lieben<lb/>
können, als jene morgenländischen National¬<lb/>
götter, deren Offenbarung nur Grausen und<lb/>
Entsetzen in den Gemüthern erweckte.</p><lb/><p>Ich will ihn ja bewundern, diesen groſsen<lb/><hirendition="#i">Rubens</hi>, den Mann von unerschöpflichem<lb/>
Fleiſse, von riesenhafter Phantasie und Dar¬<lb/>
stellungskraft, den Ajax unter den Malern,<lb/>
dem man gegen viertausend bekannte Ge¬<lb/><fwplace="bottom"type="sig">I. <hirendition="#g">Theil</hi>. I<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[129/0141]
Kunst, an dem Wunsche nämlich, mit dem
Angenehmen das Nützliche als letzten Zweck
zu verbinden, dieser fälschlich so genann¬
ten Sittlichkeit der Kunst, welche die Wahr¬
heit der Natur verläugnet, und, indem sie
belehren will, hintergeht. Der herrlichste
Bilderreichthum kann, solchen Begriffen un¬
tergeordnet, in Erstaunen setzen und Be¬
wunderung vom Zuschauer erzwingen, wenn
eine hohe Darstellungsgabe damit verbunden
ist; aber den Künstler, der so sich äuſsert,
wird man in seinem Werke so wenig lieben
können, als jene morgenländischen National¬
götter, deren Offenbarung nur Grausen und
Entsetzen in den Gemüthern erweckte.
Ich will ihn ja bewundern, diesen groſsen
Rubens, den Mann von unerschöpflichem
Fleiſse, von riesenhafter Phantasie und Dar¬
stellungskraft, den Ajax unter den Malern,
dem man gegen viertausend bekannte Ge¬
I. Theil. I
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791/141>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.