Wunderbar hat sich der Rhein zwischen den engen Thälern einen Weg gebahnt. Kaum begreift man auf den ersten Blick, warum er hier (bei Bingen) lieber zwischen die Felswände von Schiefer sich drängte, als sich in die flachere Gegend nach Kreuznach hin ergoss. Allein bald wird man bei genaue¬ rer Untersuchung inne, dass in dieser Rich¬ tung die ganze Fläche allmälig steigt, und wahrer Abhang eines Berges ist. Wenn es demnach überhaupt dem Naturforscher ziemt, aus dem vorhandenen Wirklichen auf das ver¬ gangene Mögliche zu schliessen; so scheint es denkbar, dass einst die Gewässer des Rheins vor Bingen, durch die Gebirgswände gestaucht und aufgehalten, erst hoch anschwellen, die ganze flache Gegend überschwemmen, bis über das niveau der Felsen des Bingerlochs anwach¬ sen und dann unaufhaltsam in der Richtung, die der Fluss noch jetzt nimmt, sich nord¬
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Wunderbar hat sich der Rhein zwischen den engen Thälern einen Weg gebahnt. Kaum begreift man auf den ersten Blick, warum er hier (bei Bingen) lieber zwischen die Felswände von Schiefer sich drängte, als sich in die flachere Gegend nach Kreuznach hin ergoſs. Allein bald wird man bei genaue¬ rer Untersuchung inne, daſs in dieser Rich¬ tung die ganze Fläche allmälig steigt, und wahrer Abhang eines Berges ist. Wenn es demnach überhaupt dem Naturforscher ziemt, aus dem vorhandenen Wirklichen auf das ver¬ gangene Mögliche zu schlieſsen; so scheint es denkbar, daſs einst die Gewässer des Rheins vor Bingen, durch die Gebirgswände gestaucht und aufgehalten, erst hoch anschwellen, die ganze flache Gegend überschwemmen, bis über das niveau der Felsen des Bingerlochs anwach¬ sen und dann unaufhaltsam in der Richtung, die der Fluſs noch jetzt nimmt, sich nord¬
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Wunderbar hat sich der Rhein zwischen
den engen Thälern einen Weg gebahnt.
Kaum begreift man auf den ersten Blick,
warum er hier (bei Bingen) lieber zwischen
die Felswände von Schiefer sich drängte, als
sich in die flachere Gegend nach Kreuznach
hin ergoſs. Allein bald wird man bei genaue¬
rer Untersuchung inne, daſs in dieser Rich¬
tung die ganze Fläche allmälig steigt, und
wahrer Abhang eines Berges ist. Wenn es
demnach überhaupt dem Naturforscher ziemt,
aus dem vorhandenen Wirklichen auf das ver¬
gangene Mögliche zu schlieſsen; so scheint es
denkbar, daſs einst die Gewässer des Rheins
vor Bingen, durch die Gebirgswände gestaucht
und aufgehalten, erst hoch anschwellen, die
ganze flache Gegend überschwemmen, bis über
das niveau der Felsen des Bingerlochs anwach¬
sen und dann unaufhaltsam in der Richtung,
die der Fluſs noch jetzt nimmt, sich nord¬
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Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791/17>, abgerufen am 09.11.2024.
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