Die holde Mutter betrachtet ihr Kind mit einem Blick voll himmlischer Anmuth und Zärtlichkeit; ihr Kopf neigt sich sanft vor über ihn, und auf ihrer Stirne thront jung¬ fräuliche Schönheit. Ich habe noch keinen Maler gesehen, ausser Raphael und Leonar¬ do da Vinci, der die Jungfrau und die Mutter so in Ein Wesen zu verschmelzen gewusst hätte. Alle Mysterien bei Seite, die¬ ser Charakter ist in der Natur; moralische Jungfräulichkeit, reines Herz und reine Phan¬ tasie, mit Mutterliebe im schönsten Bunde! Er gehört, das will ich gern zugeben, zu den seltensten Erscheinungen; aber jene bei¬ den grossen Menschen fassten ihn, und ich weiss, er ist nicht ausgestorben mit den Ur¬ bildern, von denen sie ihn, wie einen Sieg, davon trugen. Mehr Grazie, mehr unge¬ zwungene, natürliche Grazie -- doch eine andere giebt es ja nicht -- mehr als diese
Die holde Mutter betrachtet ihr Kind mit einem Blick voll himmlischer Anmuth und Zärtlichkeit; ihr Kopf neigt sich sanft vor über ihn, und auf ihrer Stirne thront jung¬ fräuliche Schönheit. Ich habe noch keinen Maler gesehen, auſser Raphael und Leonar¬ do da Vinci, der die Jungfrau und die Mutter so in Ein Wesen zu verschmelzen gewuſst hätte. Alle Mysterien bei Seite, die¬ ser Charakter ist in der Natur; moralische Jungfräulichkeit, reines Herz und reine Phan¬ tasie, mit Mutterliebe im schönsten Bunde! Er gehört, das will ich gern zugeben, zu den seltensten Erscheinungen; aber jene bei¬ den groſsen Menschen faſsten ihn, und ich weiſs, er ist nicht ausgestorben mit den Ur¬ bildern, von denen sie ihn, wie einen Sieg, davon trugen. Mehr Grazie, mehr unge¬ zwungene, natürliche Grazie — doch eine andere giebt es ja nicht — mehr als diese
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Die holde Mutter betrachtet ihr Kind mit
einem Blick voll himmlischer Anmuth und
Zärtlichkeit; ihr Kopf neigt sich sanft vor
über ihn, und auf ihrer Stirne thront jung¬
fräuliche Schönheit. Ich habe noch keinen
Maler gesehen, auſser Raphael und Leonar¬
do da Vinci, der die Jungfrau und die
Mutter so in Ein Wesen zu verschmelzen
gewuſst hätte. Alle Mysterien bei Seite, die¬
ser Charakter ist in der Natur; moralische
Jungfräulichkeit, reines Herz und reine Phan¬
tasie, mit Mutterliebe im schönsten Bunde!
Er gehört, das will ich gern zugeben, zu
den seltensten Erscheinungen; aber jene bei¬
den groſsen Menschen faſsten ihn, und ich
weiſs, er ist nicht ausgestorben mit den Ur¬
bildern, von denen sie ihn, wie einen Sieg,
davon trugen. Mehr Grazie, mehr unge¬
zwungene, natürliche Grazie — doch eine
andere giebt es ja nicht — mehr als diese
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Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791/234>, abgerufen am 21.11.2024.
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