Über die Unbeständigkeit der Verfassun¬ gen nachzudenken, ist wohl nirgends natür¬ licher, als in Aachen, wo die Reichsinsignien den Fremden an die tausendjährige Dauer des deutschen Reiches, das jedoch in die¬ sem Zeitraum so wesentliche Veränderun¬ gen erlitten hat, recht lebhaft erinnern. Ich habe die Kathedralkirche besucht. Sie ist mit kleinlichen Zierrathen überladen, mit denen die Säulen von Marmor, Granit und Porphyr sonderbar genug kontrastiren. Der Stuhl, worauf seit Karls des Grossen Zeit so mancher deutsche Kaiser gekrönt worden ist, besteht aus schlechtem weissem Marmor, und hat eine so unzierliche Gestalt, dass man ihn für eine Satire auf alle Throne der Welt halten möchte. So sehr uns der Vorzeiger bat, uns darauf zu setzen, spürte ich doch nicht die geringste Versuchung dazu, und wünschte nur manchem deutschen
I. Theil. X
Über die Unbeständigkeit der Verfassun¬ gen nachzudenken, ist wohl nirgends natür¬ licher, als in Aachen, wo die Reichsinsignien den Fremden an die tausendjährige Dauer des deutschen Reiches, das jedoch in die¬ sem Zeitraum so wesentliche Veränderun¬ gen erlitten hat, recht lebhaft erinnern. Ich habe die Kathedralkirche besucht. Sie ist mit kleinlichen Zierrathen überladen, mit denen die Säulen von Marmor, Granit und Porphyr sonderbar genug kontrastiren. Der Stuhl, worauf seit Karls des Groſsen Zeit so mancher deutsche Kaiser gekrönt worden ist, besteht aus schlechtem weiſsem Marmor, und hat eine so unzierliche Gestalt, daſs man ihn für eine Satire auf alle Throne der Welt halten möchte. So sehr uns der Vorzeiger bat, uns darauf zu setzen, spürte ich doch nicht die geringste Versuchung dazu, und wünschte nur manchem deutschen
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Über die Unbeständigkeit der Verfassun¬
gen nachzudenken, ist wohl nirgends natür¬
licher, als in Aachen, wo die Reichsinsignien
den Fremden an die tausendjährige Dauer
des deutschen Reiches, das jedoch in die¬
sem Zeitraum so wesentliche Veränderun¬
gen erlitten hat, recht lebhaft erinnern. Ich
habe die Kathedralkirche besucht. Sie ist
mit kleinlichen Zierrathen überladen, mit
denen die Säulen von Marmor, Granit und
Porphyr sonderbar genug kontrastiren. Der
Stuhl, worauf seit Karls des Groſsen Zeit
so mancher deutsche Kaiser gekrönt worden
ist, besteht aus schlechtem weiſsem Marmor,
und hat eine so unzierliche Gestalt, daſs
man ihn für eine Satire auf alle Throne
der Welt halten möchte. So sehr uns der
Vorzeiger bat, uns darauf zu setzen, spürte
ich doch nicht die geringste Versuchung
dazu, und wünschte nur manchem deutschen
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Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791/333>, abgerufen am 22.11.2024.
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