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Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791.

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Zimmer zum Essen schickte, riss die Don¬
na die Augen weit auf, und blickte starr
hinter ihr her, bis sie schon längst zur
Thür hinaus war; dabei schraubten sich
Mund und Nase zu einem unbeschreiblichen
Ausdruck der hochmüthigsten Verachtung.
Sprach ein Bedienter sie bei Tische an, so
antwortete sie ihm mitten in der heftigsten
Deklamation, wobei sie gemeiniglich um
Eindruck zu machen im Tenor blieb, mit
einer sanften, unschuldigen Diskantstimme
und einem Ton der unerträglichsten Gleich¬
gültigkeit. Mit eben dieser zarten Stimme
und einem affektirten, ganz gefühllosen Zärt¬
lichthun addressirte sie auch von Zeit zu
Zeit an ihr Hündchen unter dem Tisch ei¬
nige süsse Worte. Kurz, es wäre verlorne
Mühe gewesen, an diesem Geschöpfe nur
noch eine Faser Natur zu suchen.

Unter solchen Menschen leben wir, la¬

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Zimmer zum Essen schickte, riſs die Don¬
na die Augen weit auf, und blickte starr
hinter ihr her, bis sie schon längst zur
Thür hinaus war; dabei schraubten sich
Mund und Nase zu einem unbeschreiblichen
Ausdruck der hochmüthigsten Verachtung.
Sprach ein Bedienter sie bei Tische an, so
antwortete sie ihm mitten in der heftigsten
Deklamation, wobei sie gemeiniglich um
Eindruck zu machen im Tenor blieb, mit
einer sanften, unschuldigen Diskantstimme
und einem Ton der unerträglichsten Gleich¬
gültigkeit. Mit eben dieser zarten Stimme
und einem affektirten, ganz gefühllosen Zärt¬
lichthun addressirte sie auch von Zeit zu
Zeit an ihr Hündchen unter dem Tisch ei¬
nige süſse Worte. Kurz, es wäre verlorne
Mühe gewesen, an diesem Geschöpfe nur
noch eine Faser Natur zu suchen.

Unter solchen Menschen leben wir, la¬

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[439/0451] Zimmer zum Essen schickte, riſs die Don¬ na die Augen weit auf, und blickte starr hinter ihr her, bis sie schon längst zur Thür hinaus war; dabei schraubten sich Mund und Nase zu einem unbeschreiblichen Ausdruck der hochmüthigsten Verachtung. Sprach ein Bedienter sie bei Tische an, so antwortete sie ihm mitten in der heftigsten Deklamation, wobei sie gemeiniglich um Eindruck zu machen im Tenor blieb, mit einer sanften, unschuldigen Diskantstimme und einem Ton der unerträglichsten Gleich¬ gültigkeit. Mit eben dieser zarten Stimme und einem affektirten, ganz gefühllosen Zärt¬ lichthun addressirte sie auch von Zeit zu Zeit an ihr Hündchen unter dem Tisch ei¬ nige süſse Worte. Kurz, es wäre verlorne Mühe gewesen, an diesem Geschöpfe nur noch eine Faser Natur zu suchen. Unter solchen Menschen leben wir, la¬ E e 4

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791/451>, abgerufen am 22.11.2024.