reifer Urtheilskraft gezügelt, zu kühner Größe gediehen wäre, verführte ihn nur gar zu bald zu allen Ausschweifungen der Manier. Es ist zwar leicht das Alltägliche zu vermeiden, indem man Kontorsionen darstellt; allein das Lob, welches man dafür einerntet, das Lob der Londoner Zeitungsschreiber, ist wahrlich für den ruhmbegierigen Künstler lose Speise. Au- ßer dem Lear, dem Füeßlis Talente nicht recht angemessen waren, fand er in Shak- spears Traum einer Sommernacht (Midsum- mernight's dream), im Hamlet und Mac- beth die Befriedigung seines Hanges zum Uebernatürlichen, und zugleich das un- fehlbare Mittel, die Bewunderung seines Publikums zu fesseln. Shakspeare's Magie ist von der erhabenen Gattung, die, auf Volkssage und Volksglauben tief gegrün- det, durch ihre furchtbare Größe dem
reifer Urtheilskraft gezügelt, zu kühner Größe gediehen wäre, verführte ihn nur gar zu bald zu allen Ausschweifungen der Manier. Es ist zwar leicht das Alltägliche zu vermeiden, indem man Kontorsionen darstellt; allein das Lob, welches man dafür einerntet, das Lob der Londoner Zeitungsschreiber, ist wahrlich für den ruhmbegierigen Künstler lose Speise. Au- ßer dem Lear, dem Füeßlis Talente nicht recht angemessen waren, fand er in Shak- spears Traum einer Sommernacht (Midsum- mernight’s dream), im Hamlet und Mac- beth die Befriedigung seines Hanges zum Uebernatürlichen, und zugleich das un- fehlbare Mittel, die Bewunderung seines Publikums zu fesseln. Shakspeare’s Magie ist von der erhabenen Gattung, die, auf Volkssage und Volksglauben tief gegrün- det, durch ihre furchtbare Größe dem
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0352"n="61"/>
reifer Urtheilskraft gezügelt, zu kühner<lb/>
Größe gediehen wäre, verführte ihn nur<lb/>
gar zu bald zu allen Ausschweifungen der<lb/>
Manier. Es ist zwar leicht das Alltägliche<lb/>
zu vermeiden, indem man Kontorsionen<lb/>
darstellt; allein das Lob, welches man<lb/>
dafür einerntet, das Lob der Londoner<lb/>
Zeitungsschreiber, ist wahrlich für den<lb/>
ruhmbegierigen Künstler lose Speise. Au-<lb/>
ßer dem Lear, dem <hirendition="#i">Füeßlis</hi> Talente nicht<lb/>
recht angemessen waren, fand er in <hirendition="#i">Shak-<lb/>
spears</hi> Traum einer Sommernacht (<hirendition="#i">Midsum-<lb/>
mernight’s dream</hi>), im <hirendition="#i">Hamlet</hi> und <hirendition="#i">Mac-<lb/>
beth</hi> die Befriedigung seines Hanges zum<lb/>
Uebernatürlichen, und zugleich das un-<lb/>
fehlbare Mittel, die Bewunderung seines<lb/>
Publikums zu fesseln. <hirendition="#i">Shakspeare’s</hi> Magie<lb/>
ist von der erhabenen Gattung, die, auf<lb/>
Volkssage und Volksglauben tief gegrün-<lb/>
det, durch ihre furchtbare Größe dem<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[61/0352]
reifer Urtheilskraft gezügelt, zu kühner
Größe gediehen wäre, verführte ihn nur
gar zu bald zu allen Ausschweifungen der
Manier. Es ist zwar leicht das Alltägliche
zu vermeiden, indem man Kontorsionen
darstellt; allein das Lob, welches man
dafür einerntet, das Lob der Londoner
Zeitungsschreiber, ist wahrlich für den
ruhmbegierigen Künstler lose Speise. Au-
ßer dem Lear, dem Füeßlis Talente nicht
recht angemessen waren, fand er in Shak-
spears Traum einer Sommernacht (Midsum-
mernight’s dream), im Hamlet und Mac-
beth die Befriedigung seines Hanges zum
Uebernatürlichen, und zugleich das un-
fehlbare Mittel, die Bewunderung seines
Publikums zu fesseln. Shakspeare’s Magie
ist von der erhabenen Gattung, die, auf
Volkssage und Volksglauben tief gegrün-
det, durch ihre furchtbare Größe dem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Der dritte Band von Johann Georg Forsters Ansicht… [mehr]
Der dritte Band von Johann Georg Forsters Ansichten vom Niederrhein blieb unvollendet. Nach Forsters Tod (10.1.1794) wurden dessen fragmentarische Aufzeichnungen zum dritten Band von Ludwig Ferdinand Huber geordnet und herausgegeben. Ergänzt wurde der Band um einen Anhang, Forsters bereits 1789 geschriebene "Geschichte der Kunst in England" (zuerst erschienen in Johann Wilhelm Archenholz' Annalen der brittischen Geschichte) und den "Artistischen Notizen, in London aufgezeichnet" im Anhang. Hubers Vorwort zum dritten Band ist datiert auf den Juli 1794, der Band erschien noch im selben Jahr.
Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 3. Berlin, 1794, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein03_1794/352>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.