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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

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Forster's Reise um die Welt
1773.
März.
stolenschuß weit hinter dem Schiffe. Da nun Holz und Waßer die Hauptartickel
waren, welche wir vom Lande aus an Bord zu schaffen hatten, so gereichte
uns die nahe Nachbarschaft derselben zu einer großen Erleichterung. Wir lies-
sen es unsre erste Arbeit seyn einen nahgelegenen Hügel, vom Holz kahl zu ma-
chen, um die Sternwarthe und Schmiede daselbst aufzustellen, denn unser Ei-
senwerk hatte einer schleunigen Ausbesserung nöthig. Zu gleicher Zeit wurden
für die Seegelmacher, Böttiger, Wasserträger und Holzhauer am Wasserplatze
Zelte aufgeschlagen. Bey Gelegenheit dieser Arbeiten verringerte sich schon die
hohe Meynung, welche unsre Leute von diesem Lande gefaßt hatten; denn die
ungeheure Menge von Schling-Stauden (climbers) Dornen, Strauchwerk und
Farrnkraut, womit die Wälder durchwachsen und überlaufen waren, machte es
ungemein mühsam ein Stück Land zu reinigen, und ließ uns schon zum voraus
sehen, daß es äußerst schwer, wo nicht unmöglich seyn würde, tief in das Inn-
re des Landes einzudringen. Und in der That ist es nicht nur historisch wahr-
scheinlich, daß in diesem südlichen Theile von Neu Seeland die Wälder noch unan-
getastet, in ihrem ursprünglich wilden, ersten Stande der Natur geblieben sind,
sondern der Augenschein beweiset solches beynahe unleugbar. Wir fanden es
z. E. nicht nur des obgedachten überhand genommenen Unkrauts wegen, fast un-
möglich darin fortzukommen, sondern es lag auch überall eine Menge von ver-
faulten Bäumen im Wege, die entweder vom Winde umgeworfen oder vor Al-
ter umgefallen, und durch die Länge der Zeit zu einer fetten Holzerde geworden
waren, aus welcher bereits neue Generationen von jungen Bäumen, parasitischen
Pflanzen, Farn-Kräutern und Moosen reichlich wieder aufsproßten. Oft bedeckte eine
täuschende Rinde, das innere verfaulte Holz eines solchen umgefallnen Stammes
und wer es wagte darauf zu treten, fiel gemeiniglich bis mitten an den Leib
hinein. Das Thierreich lieferte seiner Seits auch einen Beweis, daß dieser
Theil des Landes, bis jetzt wohl noch keine Verändrung von Menschen erlitten
haben könne, und ließ uns beym ersten Anblick vermuthen, daß Dusky-Bay
gänzlich unbewohnt seyn müße; denn eine Menge kleiner Vögel schienen noch
nie eine menschliche Gestalt gesehen zu haben, so unbesorgt blieben sie auf den
nächsten Zweigen sitzen, oder hüpften wohl gar auf dem äußersten Ende unsrer
Vogelflinten herum, und betrachteten uns als fremde Gegenstände mit einer

Neu-

Forſter’s Reiſe um die Welt
1773.
Maͤrz.
ſtolenſchuß weit hinter dem Schiffe. Da nun Holz und Waßer die Hauptartickel
waren, welche wir vom Lande aus an Bord zu ſchaffen hatten, ſo gereichte
uns die nahe Nachbarſchaft derſelben zu einer großen Erleichterung. Wir lieſ-
ſen es unſre erſte Arbeit ſeyn einen nahgelegenen Huͤgel, vom Holz kahl zu ma-
chen, um die Sternwarthe und Schmiede daſelbſt aufzuſtellen, denn unſer Ei-
ſenwerk hatte einer ſchleunigen Ausbeſſerung noͤthig. Zu gleicher Zeit wurden
fuͤr die Seegelmacher, Boͤttiger, Waſſertraͤger und Holzhauer am Waſſerplatze
Zelte aufgeſchlagen. Bey Gelegenheit dieſer Arbeiten verringerte ſich ſchon die
hohe Meynung, welche unſre Leute von dieſem Lande gefaßt hatten; denn die
ungeheure Menge von Schling-Stauden (climbers) Dornen, Strauchwerk und
Farrnkraut, womit die Waͤlder durchwachſen und uͤberlaufen waren, machte es
ungemein muͤhſam ein Stuͤck Land zu reinigen, und ließ uns ſchon zum voraus
ſehen, daß es aͤußerſt ſchwer, wo nicht unmoͤglich ſeyn wuͤrde, tief in das Inn-
re des Landes einzudringen. Und in der That iſt es nicht nur hiſtoriſch wahr-
ſcheinlich, daß in dieſem ſuͤdlichen Theile von Neu Seeland die Waͤlder noch unan-
getaſtet, in ihrem urſpruͤnglich wilden, erſten Stande der Natur geblieben ſind,
ſondern der Augenſchein beweiſet ſolches beynahe unleugbar. Wir fanden es
z. E. nicht nur des obgedachten uͤberhand genommenen Unkrauts wegen, faſt un-
moͤglich darin fortzukommen, ſondern es lag auch uͤberall eine Menge von ver-
faulten Baͤumen im Wege, die entweder vom Winde umgeworfen oder vor Al-
ter umgefallen, und durch die Laͤnge der Zeit zu einer fetten Holzerde geworden
waren, aus welcher bereits neue Generationen von jungen Baͤumen, paraſitiſchen
Pflanzen, Farn-Kraͤutern und Mooſen reichlich wieder aufſproßten. Oft bedeckte eine
taͤuſchende Rinde, das innere verfaulte Holz eines ſolchen umgefallnen Stammes
und wer es wagte darauf zu treten, fiel gemeiniglich bis mitten an den Leib
hinein. Das Thierreich lieferte ſeiner Seits auch einen Beweis, daß dieſer
Theil des Landes, bis jetzt wohl noch keine Veraͤndrung von Menſchen erlitten
haben koͤnne, und ließ uns beym erſten Anblick vermuthen, daß Dusky-Bay
gaͤnzlich unbewohnt ſeyn muͤße; denn eine Menge kleiner Voͤgel ſchienen noch
nie eine menſchliche Geſtalt geſehen zu haben, ſo unbeſorgt blieben ſie auf den
naͤchſten Zweigen ſitzen, oder huͤpften wohl gar auf dem aͤußerſten Ende unſrer
Vogelflinten herum, und betrachteten uns als fremde Gegenſtaͤnde mit einer

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[96/0141] Forſter’s Reiſe um die Welt ſtolenſchuß weit hinter dem Schiffe. Da nun Holz und Waßer die Hauptartickel waren, welche wir vom Lande aus an Bord zu ſchaffen hatten, ſo gereichte uns die nahe Nachbarſchaft derſelben zu einer großen Erleichterung. Wir lieſ- ſen es unſre erſte Arbeit ſeyn einen nahgelegenen Huͤgel, vom Holz kahl zu ma- chen, um die Sternwarthe und Schmiede daſelbſt aufzuſtellen, denn unſer Ei- ſenwerk hatte einer ſchleunigen Ausbeſſerung noͤthig. Zu gleicher Zeit wurden fuͤr die Seegelmacher, Boͤttiger, Waſſertraͤger und Holzhauer am Waſſerplatze Zelte aufgeſchlagen. Bey Gelegenheit dieſer Arbeiten verringerte ſich ſchon die hohe Meynung, welche unſre Leute von dieſem Lande gefaßt hatten; denn die ungeheure Menge von Schling-Stauden (climbers) Dornen, Strauchwerk und Farrnkraut, womit die Waͤlder durchwachſen und uͤberlaufen waren, machte es ungemein muͤhſam ein Stuͤck Land zu reinigen, und ließ uns ſchon zum voraus ſehen, daß es aͤußerſt ſchwer, wo nicht unmoͤglich ſeyn wuͤrde, tief in das Inn- re des Landes einzudringen. Und in der That iſt es nicht nur hiſtoriſch wahr- ſcheinlich, daß in dieſem ſuͤdlichen Theile von Neu Seeland die Waͤlder noch unan- getaſtet, in ihrem urſpruͤnglich wilden, erſten Stande der Natur geblieben ſind, ſondern der Augenſchein beweiſet ſolches beynahe unleugbar. Wir fanden es z. E. nicht nur des obgedachten uͤberhand genommenen Unkrauts wegen, faſt un- moͤglich darin fortzukommen, ſondern es lag auch uͤberall eine Menge von ver- faulten Baͤumen im Wege, die entweder vom Winde umgeworfen oder vor Al- ter umgefallen, und durch die Laͤnge der Zeit zu einer fetten Holzerde geworden waren, aus welcher bereits neue Generationen von jungen Baͤumen, paraſitiſchen Pflanzen, Farn-Kraͤutern und Mooſen reichlich wieder aufſproßten. Oft bedeckte eine taͤuſchende Rinde, das innere verfaulte Holz eines ſolchen umgefallnen Stammes und wer es wagte darauf zu treten, fiel gemeiniglich bis mitten an den Leib hinein. Das Thierreich lieferte ſeiner Seits auch einen Beweis, daß dieſer Theil des Landes, bis jetzt wohl noch keine Veraͤndrung von Menſchen erlitten haben koͤnne, und ließ uns beym erſten Anblick vermuthen, daß Dusky-Bay gaͤnzlich unbewohnt ſeyn muͤße; denn eine Menge kleiner Voͤgel ſchienen noch nie eine menſchliche Geſtalt geſehen zu haben, ſo unbeſorgt blieben ſie auf den naͤchſten Zweigen ſitzen, oder huͤpften wohl gar auf dem aͤußerſten Ende unſrer Vogelflinten herum, und betrachteten uns als fremde Gegenſtaͤnde mit einer Neu- 1773. Maͤrz.

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/141>, abgerufen am 14.05.2024.