Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.Forster's Reise um die Welt 1773.May.nerschlag wieder auf die Beine gebracht. Um diese Zeit war der Sturm aufs höchste gestiegen und zu einem vollkommnen Orcan geworden. Er riß um uns her die größten Bäume aus, warf sie mit fürchterlichem Krachen zu Boden und brauste in den dickbelaubten Gipfeln des Waldes so laut, daß das schreckliche Getöse der Wellen manchmal kaum dafür zu hören war. Aus Besorgniß für unser Boot wagten wir uns in der dicksten Finsterniß der Nacht nach dem Stran- de hin, als ein flammender Blitz den ganzen See-Arm mit einmahl erhellete und uns die aufgethürmten Fluthen sehen ließ, die in blauen Bergen, schäumend über einander herstürzten. Mit einem Wort alle Elemente schienen der Natur den Untergang zu drohen Non han piu gli elementi ordine o segno Tassone. Unmittelbar auf den Blitz folgte der heftigste Donnerschlag den wir jemals ge- hört, und dessen langes fürchterliches Rollen von den gebrochnen Felsen rund umher siebenfach wiederhallte. Wie betäubt standen wir da und das Herz bebte uns bey dem Gedanken, daß dieser Sturm oder der Blitz das Schiff vernichtet haben könne und daß wir dann in diesem öden Theil der Welt würden zurückbleiben und umkommen müssen. Unter dergleichen ängstlichen Vermuthungen brachten wir den Rest der Nacht hin, die uns die längste unsers Lebens zu seyn dünkte. Endlich ließ der Sturm ohngefähr um 6 Uhr des Morgens nach, und so bald der Tag graute, begaben wir uns wieder ins Boot und erreichten nicht lange nachher das Schiff, welches glücklicherweise noch unbeschädigt war, aber des Sturmes wegen die Segelstangen und die Stengen hatte herunter nehmen müssen. Der See-Arm, davon wir jetzt eine Zeichnung aufgenommen, ward wegen der abscheulichen Nacht, die wir darin ausgestanden, und wegen der nassen Jacken, die wir uns da ge- holt hatten, Wet-Jacket-arm genannt. Nunmehro war nur noch ein einzi- ger See-Arm, dem vorigen gegen Norden hin, zu untersuchen übrig; und da Forſter’s Reiſe um die Welt 1773.May.nerſchlag wieder auf die Beine gebracht. Um dieſe Zeit war der Sturm aufs hoͤchſte geſtiegen und zu einem vollkommnen Orcan geworden. Er riß um uns her die groͤßten Baͤume aus, warf ſie mit fuͤrchterlichem Krachen zu Boden und brauſte in den dickbelaubten Gipfeln des Waldes ſo laut, daß das ſchreckliche Getoͤſe der Wellen manchmal kaum dafuͤr zu hoͤren war. Aus Beſorgniß fuͤr unſer Boot wagten wir uns in der dickſten Finſterniß der Nacht nach dem Stran- de hin, als ein flammender Blitz den ganzen See-Arm mit einmahl erhellete und uns die aufgethuͤrmten Fluthen ſehen ließ, die in blauen Bergen, ſchaͤumend uͤber einander herſtuͤrzten. Mit einem Wort alle Elemente ſchienen der Natur den Untergang zu drohen Non han piu gli elementi ordine o ſegno Tassone. Unmittelbar auf den Blitz folgte der heftigſte Donnerſchlag den wir jemals ge- hoͤrt, und deſſen langes fuͤrchterliches Rollen von den gebrochnen Felſen rund umher ſiebenfach wiederhallte. Wie betaͤubt ſtanden wir da und das Herz bebte uns bey dem Gedanken, daß dieſer Sturm oder der Blitz das Schiff vernichtet haben koͤnne und daß wir dann in dieſem oͤden Theil der Welt wuͤrden zuruͤckbleiben und umkommen muͤſſen. Unter dergleichen aͤngſtlichen Vermuthungen brachten wir den Reſt der Nacht hin, die uns die laͤngſte unſers Lebens zu ſeyn duͤnkte. Endlich ließ der Sturm ohngefaͤhr um 6 Uhr des Morgens nach, und ſo bald der Tag graute, begaben wir uns wieder ins Boot und erreichten nicht lange nachher das Schiff, welches gluͤcklicherweiſe noch unbeſchaͤdigt war, aber des Sturmes wegen die Segelſtangen und die Stengen hatte herunter nehmen muͤſſen. Der See-Arm, davon wir jetzt eine Zeichnung aufgenommen, ward wegen der abſcheulichen Nacht, die wir darin ausgeſtanden, und wegen der naſſen Jacken, die wir uns da ge- holt hatten, Wet-Jacket-arm genannt. Nunmehro war nur noch ein einzi- ger See-Arm, dem vorigen gegen Norden hin, zu unterſuchen uͤbrig; und da <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0191" n="140"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>Forſter’s</persName> Reiſe um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1773.<lb/> May.</note>nerſchlag wieder auf die Beine gebracht. Um dieſe Zeit war der Sturm<lb/> aufs hoͤchſte geſtiegen und zu einem vollkommnen Orcan geworden. Er riß um<lb/> uns her die groͤßten Baͤume aus, warf ſie mit fuͤrchterlichem Krachen zu Boden<lb/> und brauſte in den dickbelaubten Gipfeln des Waldes ſo laut, daß das ſchreckliche<lb/> Getoͤſe der Wellen manchmal kaum dafuͤr zu hoͤren war. 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Forſter’s Reiſe um die Welt
nerſchlag wieder auf die Beine gebracht. Um dieſe Zeit war der Sturm
aufs hoͤchſte geſtiegen und zu einem vollkommnen Orcan geworden. Er riß um
uns her die groͤßten Baͤume aus, warf ſie mit fuͤrchterlichem Krachen zu Boden
und brauſte in den dickbelaubten Gipfeln des Waldes ſo laut, daß das ſchreckliche
Getoͤſe der Wellen manchmal kaum dafuͤr zu hoͤren war. Aus Beſorgniß fuͤr
unſer Boot wagten wir uns in der dickſten Finſterniß der Nacht nach dem Stran-
de hin, als ein flammender Blitz den ganzen See-Arm mit einmahl erhellete und
uns die aufgethuͤrmten Fluthen ſehen ließ, die in blauen Bergen, ſchaͤumend uͤber
einander herſtuͤrzten. Mit einem Wort alle Elemente ſchienen der Natur den
Untergang zu drohen
Non han piu gli elementi ordine o ſegno
S’odono orrendi tuoni, ognor più creſce
De’ fieri venti il furibondo ſdegno.
Increſpa e inlividiſce il mar la faccia
E s’alza contra il cìel che lo minaccia.
Tassone.
Unmittelbar auf den Blitz folgte der heftigſte Donnerſchlag den wir jemals ge-
hoͤrt, und deſſen langes fuͤrchterliches Rollen von den gebrochnen Felſen rund umher
ſiebenfach wiederhallte. Wie betaͤubt ſtanden wir da und das Herz bebte uns
bey dem Gedanken, daß dieſer Sturm oder der Blitz das Schiff vernichtet haben
koͤnne und daß wir dann in dieſem oͤden Theil der Welt wuͤrden zuruͤckbleiben
und umkommen muͤſſen. Unter dergleichen aͤngſtlichen Vermuthungen brachten wir
den Reſt der Nacht hin, die uns die laͤngſte unſers Lebens zu ſeyn duͤnkte. Endlich
ließ der Sturm ohngefaͤhr um 6 Uhr des Morgens nach, und ſo bald der Tag
graute, begaben wir uns wieder ins Boot und erreichten nicht lange nachher das
Schiff, welches gluͤcklicherweiſe noch unbeſchaͤdigt war, aber des Sturmes wegen
die Segelſtangen und die Stengen hatte herunter nehmen muͤſſen. Der See-Arm,
davon wir jetzt eine Zeichnung aufgenommen, ward wegen der abſcheulichen Nacht,
die wir darin ausgeſtanden, und wegen der naſſen Jacken, die wir uns da ge-
holt hatten, Wet-Jacket-arm genannt. Nunmehro war nur noch ein einzi-
ger See-Arm, dem vorigen gegen Norden hin, zu unterſuchen uͤbrig; und da
1773.
May.
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