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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

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Forster's Reise um die Welt
1773.
Junius.
machte; doch ließ nicht ein einziger das Erstaunen, das Nachdenken und die
Aufmerksamkeit blicken, welche man an unserm alten Freund in Dusky-Bay
wahrgenommen hatte. Einige waren im Gesicht auf eine sonderbare Weise mit tief
eingeritzten Schnecken-Linien gezeichnet; und insbesondre waren diese Merk-
mahle bey einem langen, starken Mann von mittleren Alter, nach einer ganz
regulären Zeichnung an der Stirne, der Nase und dem Kinn so tief in die Haut
eingeprägt, daß sein Bart, der sonst sehr dick und stark gewesen seyn müßte,
nur aus einzelnen zerstreuten Haaren bestand. Er hieß Tringho-Waya und
schien über die andern ein gewisses Ansehn zu haben, dergleichen wir unter den
kleinen Haufen, die bisher zu uns gekommen waren, noch nicht bemerkt hatten.
Von allen unsern Waaren tauschten sie Hemden und Bouteillen am liebsten ein;
aus letztern machten sie sich besonders viel, wahrscheinlicherweise, weil sie zu
Aufbewahrung flüßiger Dinge keine andre Gefäße haben als eine kleine Art
von Calabassen oder Kürbissen (gourds), die nur in der nördlichen Insel
wachsen aber schon hier, in Charlotten-Sund, nur in weniger Leuten Händen wa-
ren. Uebrigens suchten sie es immer so einzurichten, daß sie bey keinem Tausch zu
kurz kamen und forderten für jede Kleinigkeit, die sie ausbothen, sehr hohe Preise,
ließen sich es aber nicht verdrießen, wenn man nicht so viel dafür geben wollte
als sie verlangten. Da einige dieser Leute in besonders guter Laune waren, so
gaben sie uns auf dem Verdeck des Hintertheils einen Heiva oder Tanz zum Be-
sten. Zu dem Ende legten sie ihre dicken zotigten Oberkleider ab und stellten sich
in eine Reihe; alsdenn fing der eine an ein Lied anzustimmen, streckte dabey
wechselsweise die Arme aus und stampfte gewaltig, ja fast wie rasend mit den
Füßen dazu. Die andern alle machten seine Bewegungen nach und wiederholten
von Zeit zu Zeit die letzten Worte seines Gesanges, die man vielleicht als einen
refrain oder chorus ansehen muß. Wir konnten eine Art von Sylbenmaße
darinn erkennen, waren aber nicht gewiß, ob es gereimte Verse wären. Die
Stimme des Vorsängers war schlecht genug, und die Melodie seines Liedes höchst
einfach, denn sie bestand nur in einer Abwechslung von etlichen wenigen Tönen.
Gegen Abend giengen die Indianer alle nach dem obern Ende des Sundes,
woher sie gekommen waren, wieder zurück.


Forſter’s Reiſe um die Welt
1773.
Junius.
machte; doch ließ nicht ein einziger das Erſtaunen, das Nachdenken und die
Aufmerkſamkeit blicken, welche man an unſerm alten Freund in Dusky-Bay
wahrgenommen hatte. Einige waren im Geſicht auf eine ſonderbare Weiſe mit tief
eingeritzten Schnecken-Linien gezeichnet; und insbeſondre waren dieſe Merk-
mahle bey einem langen, ſtarken Mann von mittleren Alter, nach einer ganz
regulaͤren Zeichnung an der Stirne, der Naſe und dem Kinn ſo tief in die Haut
eingepraͤgt, daß ſein Bart, der ſonſt ſehr dick und ſtark geweſen ſeyn muͤßte,
nur aus einzelnen zerſtreuten Haaren beſtand. Er hieß Tringho-Waya und
ſchien uͤber die andern ein gewiſſes Ansehn zu haben, dergleichen wir unter den
kleinen Haufen, die bisher zu uns gekommen waren, noch nicht bemerkt hatten.
Von allen unſern Waaren tauſchten ſie Hemden und Bouteillen am liebſten ein;
aus letztern machten ſie ſich beſonders viel, wahrſcheinlicherweiſe, weil ſie zu
Aufbewahrung fluͤßiger Dinge keine andre Gefaͤße haben als eine kleine Art
von Calabaſſen oder Kuͤrbiſſen (gourds), die nur in der noͤrdlichen Inſel
wachſen aber ſchon hier, in Charlotten-Sund, nur in weniger Leuten Haͤnden wa-
ren. Uebrigens ſuchten ſie es immer ſo einzurichten, daß ſie bey keinem Tauſch zu
kurz kamen und forderten fuͤr jede Kleinigkeit, die ſie ausbothen, ſehr hohe Preiſe,
ließen ſich es aber nicht verdrießen, wenn man nicht ſo viel dafuͤr geben wollte
als ſie verlangten. Da einige dieſer Leute in beſonders guter Laune waren, ſo
gaben ſie uns auf dem Verdeck des Hintertheils einen Heiva oder Tanz zum Be-
ſten. Zu dem Ende legten ſie ihre dicken zotigten Oberkleider ab und ſtellten ſich
in eine Reihe; alsdenn fing der eine an ein Lied anzuſtimmen, ſtreckte dabey
wechſelsweiſe die Arme aus und ſtampfte gewaltig, ja faſt wie raſend mit den
Fuͤßen dazu. Die andern alle machten ſeine Bewegungen nach und wiederholten
von Zeit zu Zeit die letzten Worte ſeines Geſanges, die man vielleicht als einen
réfrain oder chorus anſehen muß. Wir konnten eine Art von Sylbenmaße
darinn erkennen, waren aber nicht gewiß, ob es gereimte Verſe waͤren. Die
Stimme des Vorſaͤngers war ſchlecht genug, und die Melodie ſeines Liedes hoͤchſt
einfach, denn ſie beſtand nur in einer Abwechslung von etlichen wenigen Toͤnen.
Gegen Abend giengen die Indianer alle nach dem obern Ende des Sundes,
woher ſie gekommen waren, wieder zuruͤck.


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[166/0217] Forſter’s Reiſe um die Welt machte; doch ließ nicht ein einziger das Erſtaunen, das Nachdenken und die Aufmerkſamkeit blicken, welche man an unſerm alten Freund in Dusky-Bay wahrgenommen hatte. Einige waren im Geſicht auf eine ſonderbare Weiſe mit tief eingeritzten Schnecken-Linien gezeichnet; und insbeſondre waren dieſe Merk- mahle bey einem langen, ſtarken Mann von mittleren Alter, nach einer ganz regulaͤren Zeichnung an der Stirne, der Naſe und dem Kinn ſo tief in die Haut eingepraͤgt, daß ſein Bart, der ſonſt ſehr dick und ſtark geweſen ſeyn muͤßte, nur aus einzelnen zerſtreuten Haaren beſtand. Er hieß Tringho-Waya und ſchien uͤber die andern ein gewiſſes Ansehn zu haben, dergleichen wir unter den kleinen Haufen, die bisher zu uns gekommen waren, noch nicht bemerkt hatten. Von allen unſern Waaren tauſchten ſie Hemden und Bouteillen am liebſten ein; aus letztern machten ſie ſich beſonders viel, wahrſcheinlicherweiſe, weil ſie zu Aufbewahrung fluͤßiger Dinge keine andre Gefaͤße haben als eine kleine Art von Calabaſſen oder Kuͤrbiſſen (gourds), die nur in der noͤrdlichen Inſel wachſen aber ſchon hier, in Charlotten-Sund, nur in weniger Leuten Haͤnden wa- ren. Uebrigens ſuchten ſie es immer ſo einzurichten, daß ſie bey keinem Tauſch zu kurz kamen und forderten fuͤr jede Kleinigkeit, die ſie ausbothen, ſehr hohe Preiſe, ließen ſich es aber nicht verdrießen, wenn man nicht ſo viel dafuͤr geben wollte als ſie verlangten. Da einige dieſer Leute in beſonders guter Laune waren, ſo gaben ſie uns auf dem Verdeck des Hintertheils einen Heiva oder Tanz zum Be- ſten. Zu dem Ende legten ſie ihre dicken zotigten Oberkleider ab und ſtellten ſich in eine Reihe; alsdenn fing der eine an ein Lied anzuſtimmen, ſtreckte dabey wechſelsweiſe die Arme aus und ſtampfte gewaltig, ja faſt wie raſend mit den Fuͤßen dazu. Die andern alle machten ſeine Bewegungen nach und wiederholten von Zeit zu Zeit die letzten Worte ſeines Geſanges, die man vielleicht als einen réfrain oder chorus anſehen muß. Wir konnten eine Art von Sylbenmaße darinn erkennen, waren aber nicht gewiß, ob es gereimte Verſe waͤren. Die Stimme des Vorſaͤngers war ſchlecht genug, und die Melodie ſeines Liedes hoͤchſt einfach, denn ſie beſtand nur in einer Abwechslung von etlichen wenigen Toͤnen. Gegen Abend giengen die Indianer alle nach dem obern Ende des Sundes, woher ſie gekommen waren, wieder zuruͤck. 1773. Junius.

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/217>, abgerufen am 21.11.2024.