Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

in den Jahren 1772 bis 1775.
her, nemlich schon bey unserm Eintritt in die Wende-Cirkel bekommen sollen;1773.
August.

denn diese Gegend wird eigentlich für die Gränze desselben angesehen: Vermuth-
lich aber war blos die Jahreszeit Schuld daran, daß wir ihn erst um so viel
später bekamen; weil nemlich die Sonne sich dazumal noch auf der andern
Halbkugel befand, oder vielmehr, weil wir auf der südlichen noch Winter hat-
ten. *) Am aller sonderbarsten aber war uns der Wind von unsrer Abreise aus
Charlotten-Sund an bis zu der Zeit vorgekommen, da sich der ächte Passat-
wind einstellte. Wir hatten nemlich erwartet, daß wir den größten Theil dieser
Zeit über, den wir in den mittleren Breiten zwischen dem 50. und 40sten
Grade südlich zubrachten, stäte Westwinde haben würden, so wie wir solche,
im Winter, auf der nördlichen Halbkugel zu haben pflegen. Statt dessen aber fan-
den wir, daß der Wind in zwey oder drey Tagen um den ganzen Compaß herum
lief, und nirgends als auf östlichen Strichen einigermaßen beständig war, von da
aus er auch zuweilen sehr heftig blies. Der Name des stillen Meeres, womit man
bisher die ganze südliche See belegt hat, paßt also, meinem Bedünken nach, nur
allein auf denjenigen Theil derselben, der zwischen den Wendezirkeln gelegen ist,
denn da allein ist der Wind beständig, das Wetter gemeiniglich schön und ge-
linde, und die See weniger unruhig als in den höheren Breiten.

Albekoren, Boniten und Doraden jagten hier nach fliegenden Fischen,
eben so als wir es im atlantischen Meere gesehen hatten; einige große schwarze
Vögel aber, mit langen Flügeln und gabelförmigen Schwanze, welche Fregat-
ten (men of war, Pelecanus aquilus Linnaei) genannt werden, und gemei-
niglich hoch in der Luft schwebten, schossen zuweilen mit unglaublicher Geschwin-
digkeit, gleich einem Pfeil auf die Fische, die unter ihnen schwammen, herab,
und verfehlten mit ihrem Schnabel der Beute nie. Aufgleiche Art wissen die So-
landgänse
in den englischen Seen, welche zu eben diesem Geschlecht gehören,
die Fische zu erhaschen. Die Fischer sind daher auf den Einfall gerathen,
diese Vögel vermittelst eines Pilchards oder Herings zu fangen, den sie auf ein
spitziges Messer stecken, welches auf einem kleinen, frey herumschwimmenden

*) Mit dieser Bemerkung stimmt überein, was wir im August 1772 zu Madera erfuhren, denn
auch da schon hatten wir den Passat-Wind, ob diese Insel gleich unterm 33sten Grade
nordlicher Breite belegen ist.
Forster's Reise u. d. W. erster Th. A a

in den Jahren 1772 bis 1775.
her, nemlich ſchon bey unſerm Eintritt in die Wende-Cirkel bekommen ſollen;1773.
Auguſt.

denn dieſe Gegend wird eigentlich fuͤr die Graͤnze deſſelben angeſehen: Vermuth-
lich aber war blos die Jahreszeit Schuld daran, daß wir ihn erſt um ſo viel
ſpaͤter bekamen; weil nemlich die Sonne ſich dazumal noch auf der andern
Halbkugel befand, oder vielmehr, weil wir auf der ſuͤdlichen noch Winter hat-
ten. *) Am aller ſonderbarſten aber war uns der Wind von unſrer Abreiſe aus
Charlotten-Sund an bis zu der Zeit vorgekommen, da ſich der aͤchte Paſſat-
wind einſtellte. Wir hatten nemlich erwartet, daß wir den groͤßten Theil dieſer
Zeit uͤber, den wir in den mittleren Breiten zwiſchen dem 50. und 40ſten
Grade ſuͤdlich zubrachten, ſtaͤte Weſtwinde haben wuͤrden, ſo wie wir ſolche,
im Winter, auf der noͤrdlichen Halbkugel zu haben pflegen. Statt deſſen aber fan-
den wir, daß der Wind in zwey oder drey Tagen um den ganzen Compaß herum
lief, und nirgends als auf oͤſtlichen Strichen einigermaßen beſtaͤndig war, von da
aus er auch zuweilen ſehr heftig blies. Der Name des ſtillen Meeres, womit man
bisher die ganze ſuͤdliche See belegt hat, paßt alſo, meinem Beduͤnken nach, nur
allein auf denjenigen Theil derſelben, der zwiſchen den Wendezirkeln gelegen iſt,
denn da allein iſt der Wind beſtaͤndig, das Wetter gemeiniglich ſchoͤn und ge-
linde, und die See weniger unruhig als in den hoͤheren Breiten.

Albekoren, Boniten und Doraden jagten hier nach fliegenden Fiſchen,
eben ſo als wir es im atlantiſchen Meere geſehen hatten; einige große ſchwarze
Voͤgel aber, mit langen Fluͤgeln und gabelfoͤrmigen Schwanze, welche Fregat-
ten (men of war, Pelecanus aquilus Linnæi) genannt werden, und gemei-
niglich hoch in der Luft ſchwebten, ſchoſſen zuweilen mit unglaublicher Geſchwin-
digkeit, gleich einem Pfeil auf die Fiſche, die unter ihnen ſchwammen, herab,
und verfehlten mit ihrem Schnabel der Beute nie. Aufgleiche Art wiſſen die So-
landgaͤnſe
in den engliſchen Seen, welche zu eben dieſem Geſchlecht gehoͤren,
die Fiſche zu erhaſchen. Die Fiſcher ſind daher auf den Einfall gerathen,
dieſe Voͤgel vermittelſt eines Pilchards oder Herings zu fangen, den ſie auf ein
ſpitziges Meſſer ſtecken, welches auf einem kleinen, frey herumſchwimmenden

*) Mit dieſer Bemerkung ſtimmt uͤberein, was wir im Auguſt 1772 zu Madera erfuhren, denn
auch da ſchon hatten wir den Paſſat-Wind, ob dieſe Inſel gleich unterm 33ſten Grade
nordlicher Breite belegen iſt.
Forſter’s Reiſe u. d. W. erſter Th. A a
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0238" n="185"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">in den Jahren 1772 bis 1775.</hi></fw><lb/>
her, nemlich &#x017F;chon bey un&#x017F;erm Eintritt in die Wende-Cirkel bekommen &#x017F;ollen;<note place="right">1773.<lb/>
Augu&#x017F;t.</note><lb/>
denn die&#x017F;e Gegend wird eigentlich fu&#x0364;r die Gra&#x0364;nze de&#x017F;&#x017F;elben ange&#x017F;ehen: Vermuth-<lb/>
lich aber war blos die Jahreszeit Schuld daran, daß wir ihn er&#x017F;t um &#x017F;o viel<lb/>
&#x017F;pa&#x0364;ter bekamen; weil nemlich die Sonne &#x017F;ich dazumal noch auf der andern<lb/>
Halbkugel befand, oder vielmehr, weil wir auf der &#x017F;u&#x0364;dlichen noch Winter hat-<lb/>
ten. <note place="foot" n="*)">Mit die&#x017F;er Bemerkung &#x017F;timmt u&#x0364;berein, was wir im Augu&#x017F;t 1772 zu <hi rendition="#fr"><placeName>Madera</placeName></hi> erfuhren, denn<lb/>
auch da &#x017F;chon hatten wir den Pa&#x017F;&#x017F;at-Wind, ob die&#x017F;e In&#x017F;el gleich unterm 33&#x017F;ten Grade<lb/>
nordlicher Breite belegen i&#x017F;t.</note> Am aller &#x017F;onderbar&#x017F;ten aber war uns der Wind von un&#x017F;rer Abrei&#x017F;e aus<lb/><hi rendition="#fr"><placeName>Charlotten-Sund</placeName></hi> an bis zu der Zeit vorgekommen, da &#x017F;ich der a&#x0364;chte Pa&#x017F;&#x017F;at-<lb/>
wind ein&#x017F;tellte. Wir hatten nemlich erwartet, daß wir den gro&#x0364;ßten Theil die&#x017F;er<lb/>
Zeit u&#x0364;ber, den wir in den mittleren Breiten zwi&#x017F;chen dem 50. und 40&#x017F;ten<lb/>
Grade &#x017F;u&#x0364;dlich zubrachten, &#x017F;ta&#x0364;te <hi rendition="#fr">We&#x017F;twinde</hi> haben wu&#x0364;rden, &#x017F;o wie wir &#x017F;olche,<lb/>
im Winter, auf der <hi rendition="#fr">no&#x0364;rdlichen</hi> Halbkugel zu haben pflegen. Statt de&#x017F;&#x017F;en aber fan-<lb/>
den wir, daß der Wind in zwey oder drey Tagen um den ganzen Compaß herum<lb/>
lief, und nirgends als auf <hi rendition="#fr">o&#x0364;&#x017F;tlichen</hi> Strichen einigermaßen be&#x017F;ta&#x0364;ndig war, von da<lb/>
aus er auch zuweilen &#x017F;ehr heftig blies. Der Name des <hi rendition="#fr"><placeName>&#x017F;tillen Meeres</placeName>,</hi> womit man<lb/>
bisher die <hi rendition="#fr">ganze</hi> &#x017F;u&#x0364;dliche See belegt hat, paßt al&#x017F;o, meinem Bedu&#x0364;nken nach, nur<lb/>
allein auf <hi rendition="#fr">denjenigen</hi> Theil der&#x017F;elben, der zwi&#x017F;chen den Wendezirkeln gelegen i&#x017F;t,<lb/>
denn da allein i&#x017F;t der Wind be&#x017F;ta&#x0364;ndig, das Wetter gemeiniglich &#x017F;cho&#x0364;n und ge-<lb/>
linde, und die See weniger unruhig als in den ho&#x0364;heren Breiten.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Albekoren, Boniten</hi> und <hi rendition="#fr">Doraden</hi> jagten hier nach fliegenden Fi&#x017F;chen,<lb/>
eben &#x017F;o als wir es im atlanti&#x017F;chen Meere ge&#x017F;ehen hatten; einige große &#x017F;chwarze<lb/>
Vo&#x0364;gel aber, mit langen Flu&#x0364;geln und gabelfo&#x0364;rmigen Schwanze, welche Fregat-<lb/>
ten (<hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">men of war, Pelecanus aquilus Linnæi</hi></hi>) genannt werden, und gemei-<lb/>
niglich hoch in der Luft &#x017F;chwebten, &#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en zuweilen mit unglaublicher Ge&#x017F;chwin-<lb/>
digkeit, gleich einem Pfeil auf die Fi&#x017F;che, die unter ihnen &#x017F;chwammen, herab,<lb/>
und verfehlten mit ihrem Schnabel der Beute nie. Aufgleiche Art wi&#x017F;&#x017F;en die <hi rendition="#fr">So-<lb/>
landga&#x0364;n&#x017F;e</hi> in den engli&#x017F;chen Seen, welche zu eben die&#x017F;em Ge&#x017F;chlecht geho&#x0364;ren,<lb/>
die Fi&#x017F;che zu erha&#x017F;chen. Die Fi&#x017F;cher &#x017F;ind daher auf den Einfall gerathen,<lb/>
die&#x017F;e Vo&#x0364;gel vermittel&#x017F;t eines Pilchards oder Herings zu fangen, den &#x017F;ie auf ein<lb/>
&#x017F;pitziges Me&#x017F;&#x017F;er &#x017F;tecken, welches auf einem kleinen, frey herum&#x017F;chwimmenden<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr"><persName>For&#x017F;ter&#x2019;s</persName> Rei&#x017F;e u. d. W. er&#x017F;ter Th.</hi> A a</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[185/0238] in den Jahren 1772 bis 1775. her, nemlich ſchon bey unſerm Eintritt in die Wende-Cirkel bekommen ſollen; denn dieſe Gegend wird eigentlich fuͤr die Graͤnze deſſelben angeſehen: Vermuth- lich aber war blos die Jahreszeit Schuld daran, daß wir ihn erſt um ſo viel ſpaͤter bekamen; weil nemlich die Sonne ſich dazumal noch auf der andern Halbkugel befand, oder vielmehr, weil wir auf der ſuͤdlichen noch Winter hat- ten. *) Am aller ſonderbarſten aber war uns der Wind von unſrer Abreiſe aus Charlotten-Sund an bis zu der Zeit vorgekommen, da ſich der aͤchte Paſſat- wind einſtellte. Wir hatten nemlich erwartet, daß wir den groͤßten Theil dieſer Zeit uͤber, den wir in den mittleren Breiten zwiſchen dem 50. und 40ſten Grade ſuͤdlich zubrachten, ſtaͤte Weſtwinde haben wuͤrden, ſo wie wir ſolche, im Winter, auf der noͤrdlichen Halbkugel zu haben pflegen. Statt deſſen aber fan- den wir, daß der Wind in zwey oder drey Tagen um den ganzen Compaß herum lief, und nirgends als auf oͤſtlichen Strichen einigermaßen beſtaͤndig war, von da aus er auch zuweilen ſehr heftig blies. Der Name des ſtillen Meeres, womit man bisher die ganze ſuͤdliche See belegt hat, paßt alſo, meinem Beduͤnken nach, nur allein auf denjenigen Theil derſelben, der zwiſchen den Wendezirkeln gelegen iſt, denn da allein iſt der Wind beſtaͤndig, das Wetter gemeiniglich ſchoͤn und ge- linde, und die See weniger unruhig als in den hoͤheren Breiten. 1773. Auguſt. Albekoren, Boniten und Doraden jagten hier nach fliegenden Fiſchen, eben ſo als wir es im atlantiſchen Meere geſehen hatten; einige große ſchwarze Voͤgel aber, mit langen Fluͤgeln und gabelfoͤrmigen Schwanze, welche Fregat- ten (men of war, Pelecanus aquilus Linnæi) genannt werden, und gemei- niglich hoch in der Luft ſchwebten, ſchoſſen zuweilen mit unglaublicher Geſchwin- digkeit, gleich einem Pfeil auf die Fiſche, die unter ihnen ſchwammen, herab, und verfehlten mit ihrem Schnabel der Beute nie. Aufgleiche Art wiſſen die So- landgaͤnſe in den engliſchen Seen, welche zu eben dieſem Geſchlecht gehoͤren, die Fiſche zu erhaſchen. Die Fiſcher ſind daher auf den Einfall gerathen, dieſe Voͤgel vermittelſt eines Pilchards oder Herings zu fangen, den ſie auf ein ſpitziges Meſſer ſtecken, welches auf einem kleinen, frey herumſchwimmenden *) Mit dieſer Bemerkung ſtimmt uͤberein, was wir im Auguſt 1772 zu Madera erfuhren, denn auch da ſchon hatten wir den Paſſat-Wind, ob dieſe Inſel gleich unterm 33ſten Grade nordlicher Breite belegen iſt. Forſter’s Reiſe u. d. W. erſter Th. A a

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/238
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/238>, abgerufen am 21.11.2024.