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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

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Forster's Reise um die Welt
1773.
August.
daher ich gleich diesen Morgen dazu anwendete, sie zu zeichnen und die hellen
Farben anzulegen, solche sie mit dem Leben verschwanden.

Die Leute, welche uns umgaben, hatten so viel Sanftes in ihren Zügen,
als Gefälliges in ihrem Betragen. Sie waren ohngefähr von unsrer Größe,
blaß mahogany-braun, hatten schöne schwarze Augen und Haare, und trugen ein
Stück Zeug von ihrer eignen Arbeit mitten um den Leib, ein andres aber in man-
cherley mahlerischen Formen, als einen Turban um den Kopf gewickelt. Die
Frauenspersonen, welche sich unter ihnen befanden, waren hübsch genug, um
Europäern in die Augen zu fallen, die seit Jahr und Tag nichts von ihren Lands-
männinnen gesehen hatten. Die Kleidung derselben bestand in einem Stück Zeug,
welches in der Mitte ein Loch hatte um den Kopf durchzustecken und hinten und
vornen bis auf die Knie herabhieng. Hierüber trugen sie ein anderes Stück
von Zeuge, das so fein als Nesseltuch und auf mannigfaltige, doch zierliche
Weise, etwas unterhalb der Brust als eine Tunica um den Leib geschlagen war,
so daß ein Theil davon, zuweilen mit vieler Grazie, über die Schulter hieng.
War diese Tracht gleich nicht vollkommen so schön als jene an den griechischen
Statüen bewunderten Draperien, so übertraf sie doch unsre Erwartungen gar
sehr und dünkte uns der menschlichen Bildung ungleich vortheilhafter als jede
andre, die wir bis jetzt gesehen. Beyde Geschlechter waren durch die von an-
dern Reisenden bereits beschriebenen, sonderbaren, schwarzen Flecke geziert oder
vielmehr verstellt, die aus dem Punctiren der Haut und durch nachheriges Ein-
reiben einer schwarzen Farbe in die Stiche entstehen. Bey den gemeinen Leu-
ten, die mehrentheils nackt giengen, waren dergleichen, vornemlich auf den
Lenden zu sehen, ein augenscheinlicher Beweis, wie verschieden die Menschen,
in Ansehung des äußerlichen Schmuckes denken und wie einmüthig sie gleich-
wohl alle darauf gefallen sind, ihre persönlichen Vollkommenheiten auf eine oder
die andre Weise zu erhöhen. Es dauerte nicht lange, so kamen verschiedne
dieser guten Leute an Bord. Das ungewöhnlich sanfte Wesen, welches ein
Hauptzug ihres National-Characters ist, leuchtete sogleich aus allen ihren Ge-
behrden und Handlungen hervor, und gab einem jeden, der das menschliche
Herz studierte, zu Betrachtungen Anlaß. Die äußern Merkmahle, durch wel-
che sie uns ihre Zuneigung zu erkennen zu geben suchten, waren von verschiedener

Forſter’s Reiſe um die Welt
1773.
Auguſt.
daher ich gleich dieſen Morgen dazu anwendete, ſie zu zeichnen und die hellen
Farben anzulegen, ſolche ſie mit dem Leben verſchwanden.

Die Leute, welche uns umgaben, hatten ſo viel Sanftes in ihren Zuͤgen,
als Gefaͤlliges in ihrem Betragen. Sie waren ohngefaͤhr von unſrer Groͤße,
blaß mahogany-braun, hatten ſchoͤne ſchwarze Augen und Haare, und trugen ein
Stuͤck Zeug von ihrer eignen Arbeit mitten um den Leib, ein andres aber in man-
cherley mahleriſchen Formen, als einen Turban um den Kopf gewickelt. Die
Frauensperſonen, welche ſich unter ihnen befanden, waren huͤbſch genug, um
Europaͤern in die Augen zu fallen, die ſeit Jahr und Tag nichts von ihren Lands-
maͤnninnen geſehen hatten. Die Kleidung derſelben beſtand in einem Stuͤck Zeug,
welches in der Mitte ein Loch hatte um den Kopf durchzuſtecken und hinten und
vornen bis auf die Knie herabhieng. Hieruͤber trugen ſie ein anderes Stuͤck
von Zeuge, das ſo fein als Neſſeltuch und auf mannigfaltige, doch zierliche
Weiſe, etwas unterhalb der Bruſt als eine Tunica um den Leib geſchlagen war,
ſo daß ein Theil davon, zuweilen mit vieler Grazie, uͤber die Schulter hieng.
War dieſe Tracht gleich nicht vollkommen ſo ſchoͤn als jene an den griechiſchen
Statuͤen bewunderten Draperien, ſo uͤbertraf ſie doch unſre Erwartungen gar
ſehr und duͤnkte uns der menſchlichen Bildung ungleich vortheilhafter als jede
andre, die wir bis jetzt geſehen. Beyde Geſchlechter waren durch die von an-
dern Reiſenden bereits beſchriebenen, ſonderbaren, ſchwarzen Flecke geziert oder
vielmehr verſtellt, die aus dem Punctiren der Haut und durch nachheriges Ein-
reiben einer ſchwarzen Farbe in die Stiche entſtehen. Bey den gemeinen Leu-
ten, die mehrentheils nackt giengen, waren dergleichen, vornemlich auf den
Lenden zu ſehen, ein augenſcheinlicher Beweis, wie verſchieden die Menſchen,
in Anſehung des aͤußerlichen Schmuckes denken und wie einmuͤthig ſie gleich-
wohl alle darauf gefallen ſind, ihre perſoͤnlichen Vollkommenheiten auf eine oder
die andre Weiſe zu erhoͤhen. Es dauerte nicht lange, ſo kamen verſchiedne
dieſer guten Leute an Bord. Das ungewoͤhnlich ſanfte Weſen, welches ein
Hauptzug ihres National-Characters iſt, leuchtete ſogleich aus allen ihren Ge-
behrden und Handlungen hervor, und gab einem jeden, der das menſchliche
Herz ſtudierte, zu Betrachtungen Anlaß. Die aͤußern Merkmahle, durch wel-
che ſie uns ihre Zuneigung zu erkennen zu geben ſuchten, waren von verſchiedener

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[194/0247] Forſter’s Reiſe um die Welt daher ich gleich dieſen Morgen dazu anwendete, ſie zu zeichnen und die hellen Farben anzulegen, ſolche ſie mit dem Leben verſchwanden. 1773. Auguſt. Die Leute, welche uns umgaben, hatten ſo viel Sanftes in ihren Zuͤgen, als Gefaͤlliges in ihrem Betragen. Sie waren ohngefaͤhr von unſrer Groͤße, blaß mahogany-braun, hatten ſchoͤne ſchwarze Augen und Haare, und trugen ein Stuͤck Zeug von ihrer eignen Arbeit mitten um den Leib, ein andres aber in man- cherley mahleriſchen Formen, als einen Turban um den Kopf gewickelt. Die Frauensperſonen, welche ſich unter ihnen befanden, waren huͤbſch genug, um Europaͤern in die Augen zu fallen, die ſeit Jahr und Tag nichts von ihren Lands- maͤnninnen geſehen hatten. Die Kleidung derſelben beſtand in einem Stuͤck Zeug, welches in der Mitte ein Loch hatte um den Kopf durchzuſtecken und hinten und vornen bis auf die Knie herabhieng. Hieruͤber trugen ſie ein anderes Stuͤck von Zeuge, das ſo fein als Neſſeltuch und auf mannigfaltige, doch zierliche Weiſe, etwas unterhalb der Bruſt als eine Tunica um den Leib geſchlagen war, ſo daß ein Theil davon, zuweilen mit vieler Grazie, uͤber die Schulter hieng. War dieſe Tracht gleich nicht vollkommen ſo ſchoͤn als jene an den griechiſchen Statuͤen bewunderten Draperien, ſo uͤbertraf ſie doch unſre Erwartungen gar ſehr und duͤnkte uns der menſchlichen Bildung ungleich vortheilhafter als jede andre, die wir bis jetzt geſehen. Beyde Geſchlechter waren durch die von an- dern Reiſenden bereits beſchriebenen, ſonderbaren, ſchwarzen Flecke geziert oder vielmehr verſtellt, die aus dem Punctiren der Haut und durch nachheriges Ein- reiben einer ſchwarzen Farbe in die Stiche entſtehen. Bey den gemeinen Leu- ten, die mehrentheils nackt giengen, waren dergleichen, vornemlich auf den Lenden zu ſehen, ein augenſcheinlicher Beweis, wie verſchieden die Menſchen, in Anſehung des aͤußerlichen Schmuckes denken und wie einmuͤthig ſie gleich- wohl alle darauf gefallen ſind, ihre perſoͤnlichen Vollkommenheiten auf eine oder die andre Weiſe zu erhoͤhen. Es dauerte nicht lange, ſo kamen verſchiedne dieſer guten Leute an Bord. Das ungewoͤhnlich ſanfte Weſen, welches ein Hauptzug ihres National-Characters iſt, leuchtete ſogleich aus allen ihren Ge- behrden und Handlungen hervor, und gab einem jeden, der das menſchliche Herz ſtudierte, zu Betrachtungen Anlaß. Die aͤußern Merkmahle, durch wel- che ſie uns ihre Zuneigung zu erkennen zu geben ſuchten, waren von verſchiedener

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/247>, abgerufen am 21.11.2024.