1773. August.dall begleiteten, zu denen auch wir uns geselleten. Herr Hodges hatte einem jungen Burschen von ungemein glücklicher Bildung, der eine besondre Neigung zu ihm verrieth, sein Zeichnungs-Portefeuille anvertrauet. Keine Gunstbe- zeigung, glaub ich, hätte diesem jungen Menschen mehr Vergnügen machen kön- nen, als dieser öffentliche Beweis des auf ihn gesetzten Vertrauens; wenigstens schien er ganz stolz darauf zu seyn, daß er im Angesicht aller seiner Landsleute, mit dem Portefeuille untern Arm, neben uns her gehen konnte. Ja auch die andern Indianer thaten heute insgesammt vertraulicher und zudringlicher als sonst, viel- leicht weil sie alle sich durch den Vorzug, der ihrem Landsmann wiederfuhr, für geehrt hielten, vielleicht auch weil es ihnen gefallen mogte Herrn Hodges und Grindall, so unbesorgt unter sich zu sehen, indem diese beyde Herren völlig unbewafnet waren. In diesem friedlichen Aufzuge gelangten wir nun an eine geräumige Hütte, in welcher eine zahlreiche Familie beysammen war. Ein alter Mann, aus dessen Blicken Friede und Ruhe hervorleuchtete, lag auf einer rei- nen Matte und sein Haupt ruhte auf einem Stuhle, der ihm zum Küssen diente. Es war etwas sehr Ehrwürdiges in seiner Bildung. Sein silber- graues Haar hieng in vollen Locken um das Haupt her, und ein dicker Bart, so weiß als Schnee, lag auf der Brust. In den Augen war Leben, und Gesund- heit sas auf den vollen Wangen. Der Runzeln, welche unter uns das An- theil der Greise sind, waren wenig; denn Kummer, Sorgen und Unglück, die uns so frühzeitig alt machen, scheinen diesem glücklichen Volke gänzlich unbe- kannt zu seyn. Einige Kinder, welche wir für seine Gros-Kinder ansahen, der Landesgewohnheit nach ganz nackend, spielten mit dem Alten, dessen Handlungen, Blicke und Minen augenscheinlich bewiesen, daß Einfalt des Lebens vermögend sey, die Sinnen bis ins hohe Alter bey vollen Kräften zu erhalten. Einige wohlgebildete Männer und kunstlose Dirnen hatten sich um ihn her gelagert und bey unserm Eintritt schien die ganze Gesellschaft, nach einer ländlich fruga- len Mahlzeit, im vertraulichen Gespräch begriffen zu seyn. Sie verlangten, daß wir uns an ihrer Seite auf den Matten niederlassen mögten, wozu wir uns nicht zwey- mal nöthigen ließen. Es schien, als hätten sie noch keinen Europäer in der Nähe gesehen, wenigstens fiengen sie sogleich an, unsre Kleidungen und Waffen neu- gierigst zu untersuchen, doch ließ ihr angebohrnes flatterhaftes Wesen nicht zu,
Forſter’s Reiſe um die Welt
1773. Auguſt.dall begleiteten, zu denen auch wir uns geſelleten. Herr Hodges hatte einem jungen Burſchen von ungemein gluͤcklicher Bildung, der eine beſondre Neigung zu ihm verrieth, ſein Zeichnungs-Portefeuille anvertrauet. Keine Gunſtbe- zeigung, glaub ich, haͤtte dieſem jungen Menſchen mehr Vergnuͤgen machen koͤn- nen, als dieſer oͤffentliche Beweis des auf ihn geſetzten Vertrauens; wenigſtens ſchien er ganz ſtolz darauf zu ſeyn, daß er im Angeſicht aller ſeiner Landsleute, mit dem Portefeuille untern Arm, neben uns her gehen konnte. Ja auch die andern Indianer thaten heute insgeſammt vertraulicher und zudringlicher als ſonſt, viel- leicht weil ſie alle ſich durch den Vorzug, der ihrem Landsmann wiederfuhr, fuͤr geehrt hielten, vielleicht auch weil es ihnen gefallen mogte Herrn Hodges und Grindall, ſo unbeſorgt unter ſich zu ſehen, indem dieſe beyde Herren voͤllig unbewafnet waren. In dieſem friedlichen Aufzuge gelangten wir nun an eine geraͤumige Huͤtte, in welcher eine zahlreiche Familie beyſammen war. Ein alter Mann, aus deſſen Blicken Friede und Ruhe hervorleuchtete, lag auf einer rei- nen Matte und ſein Haupt ruhte auf einem Stuhle, der ihm zum Kuͤſſen diente. Es war etwas ſehr Ehrwuͤrdiges in ſeiner Bildung. Sein ſilber- graues Haar hieng in vollen Locken um das Haupt her, und ein dicker Bart, ſo weiß als Schnee, lag auf der Bruſt. In den Augen war Leben, und Geſund- heit ſas auf den vollen Wangen. Der Runzeln, welche unter uns das An- theil der Greiſe ſind, waren wenig; denn Kummer, Sorgen und Ungluͤck, die uns ſo fruͤhzeitig alt machen, ſcheinen dieſem gluͤcklichen Volke gaͤnzlich unbe- kannt zu ſeyn. Einige Kinder, welche wir fuͤr ſeine Gros-Kinder anſahen, der Landesgewohnheit nach ganz nackend, ſpielten mit dem Alten, deſſen Handlungen, Blicke und Minen augenſcheinlich bewieſen, daß Einfalt des Lebens vermoͤgend ſey, die Sinnen bis ins hohe Alter bey vollen Kraͤften zu erhalten. Einige wohlgebildete Maͤnner und kunſtloſe Dirnen hatten ſich um ihn her gelagert und bey unſerm Eintritt ſchien die ganze Geſellſchaft, nach einer laͤndlich fruga- len Mahlzeit, im vertraulichen Geſpraͤch begriffen zu ſeyn. Sie verlangten, daß wir uns an ihrer Seite auf den Matten niederlaſſen moͤgten, wozu wir uns nicht zwey- mal noͤthigen ließen. Es ſchien, als haͤtten ſie noch keinen Europaͤer in der Naͤhe geſehen, wenigſtens fiengen ſie ſogleich an, unſre Kleidungen und Waffen neu- gierigſt zu unterſuchen, doch ließ ihr angebohrnes flatterhaftes Weſen nicht zu,
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dall begleiteten, zu denen auch wir uns geſelleten. Herr Hodges hatte einem
jungen Burſchen von ungemein gluͤcklicher Bildung, der eine beſondre Neigung
zu ihm verrieth, ſein Zeichnungs-Portefeuille anvertrauet. Keine Gunſtbe-
zeigung, glaub ich, haͤtte dieſem jungen Menſchen mehr Vergnuͤgen machen koͤn-
nen, als dieſer oͤffentliche Beweis des auf ihn geſetzten Vertrauens; wenigſtens
ſchien er ganz ſtolz darauf zu ſeyn, daß er im Angeſicht aller ſeiner Landsleute, mit
dem Portefeuille untern Arm, neben uns her gehen konnte. Ja auch die andern
Indianer thaten heute insgeſammt vertraulicher und zudringlicher als ſonſt, viel-
leicht weil ſie alle ſich durch den Vorzug, der ihrem Landsmann wiederfuhr, fuͤr
geehrt hielten, vielleicht auch weil es ihnen gefallen mogte Herrn Hodges und
Grindall, ſo unbeſorgt unter ſich zu ſehen, indem dieſe beyde Herren voͤllig
unbewafnet waren. In dieſem friedlichen Aufzuge gelangten wir nun an eine
geraͤumige Huͤtte, in welcher eine zahlreiche Familie beyſammen war. Ein alter
Mann, aus deſſen Blicken Friede und Ruhe hervorleuchtete, lag auf einer rei-
nen Matte und ſein Haupt ruhte auf einem Stuhle, der ihm zum Kuͤſſen
diente. Es war etwas ſehr Ehrwuͤrdiges in ſeiner Bildung. Sein ſilber-
graues Haar hieng in vollen Locken um das Haupt her, und ein dicker Bart, ſo
weiß als Schnee, lag auf der Bruſt. In den Augen war Leben, und Geſund-
heit ſas auf den vollen Wangen. Der Runzeln, welche unter uns das An-
theil der Greiſe ſind, waren wenig; denn Kummer, Sorgen und Ungluͤck, die
uns ſo fruͤhzeitig alt machen, ſcheinen dieſem gluͤcklichen Volke gaͤnzlich unbe-
kannt zu ſeyn. Einige Kinder, welche wir fuͤr ſeine Gros-Kinder anſahen, der
Landesgewohnheit nach ganz nackend, ſpielten mit dem Alten, deſſen Handlungen,
Blicke und Minen augenſcheinlich bewieſen, daß Einfalt des Lebens vermoͤgend
ſey, die Sinnen bis ins hohe Alter bey vollen Kraͤften zu erhalten. Einige
wohlgebildete Maͤnner und kunſtloſe Dirnen hatten ſich um ihn her gelagert
und bey unſerm Eintritt ſchien die ganze Geſellſchaft, nach einer laͤndlich fruga-
len Mahlzeit, im vertraulichen Geſpraͤch begriffen zu ſeyn. Sie verlangten, daß
wir uns an ihrer Seite auf den Matten niederlaſſen moͤgten, wozu wir uns nicht zwey-
mal noͤthigen ließen. Es ſchien, als haͤtten ſie noch keinen Europaͤer in der Naͤhe
geſehen, wenigſtens fiengen ſie ſogleich an, unſre Kleidungen und Waffen neu-
gierigſt zu unterſuchen, doch ließ ihr angebohrnes flatterhaftes Weſen nicht zu,
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/273>, abgerufen am 27.11.2024.
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