Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.Forster's Reise um die Welt 1773.Augustgen, und da unser Weg ebenfalls dahin gieng, so folgten wir ihnen den Bach herab. An einer Stelle desselben hatten die herbeygelanfnen Kinder kleine Krebse (prawns) zwischen den Steinen aufgesucht und boten uns solche an. Als ein Beytrag zur Naturgeschichte dieser Insel waren sie uns ganz willkom- men, daher wir den Kindern eine Kleinigkeit von Corallen dafür schenkten; kaum aber sahen dies die Alten, als ihrer mehr denn funfzig, theils Männer, theils Weiber in den Bach wadeten, und uns eine solche Menge von dergleichen Krebsen brachten, daß wir ihre Mühe bald verbitten und unbelohnt lassen muß- ten. In Zeit von zwey Stunden langten wir endlich bey unsern Zelten auf Point- Venus wiederum an, und fanden den ehrlichen O-Wahau daselbst, der mei- nem Vater abermals ein Geschenk von Früchten machte. Wir hatten auf un- serm heutigen Spatziergange bemerkt, daß es hier mehr müßige Leute als zu Aitepieha gab; auch schienen die Häuser und Pflanzungen hier verfallner und vernachläßigter zu seyn als dort, und statt freundschaftlicher Einladungen mußten wir nichts als unbescheidne Bitten um Corallen und Nägel hören. Doch hatten wir im Ganzen noch immer Urfach mit den Einwohnern zufrieden zu seyn; denn sie ließen uns wenigstens in ihrem herrlichen Lande überall ungestört herum streifen. Daß sie zu allerhand kleinen Diebereyen sehr geneigt wären, hatten wir zwar ebenfalls verschiedentlich erfahren, doch niemals etwas von eini- gem Werthe dadurch eingebüßt; denn in den Taschen, denen am leichtesten beyzu- kommen war, führten wir gemeiniglich nichts als das Schnupftuch, und die- ses bestand überdem nur in einem Stück dünnen Tahitischen Zeuges, daher sie sich bey allem Glücke und Geschicklichkeit unsre Taschen auszuleeren, hintergan- gen fanden und ihre Beute gemeiniglich lächelnd wieder brachten. Meiner Meynung nach, ist diese Neigung bey den Tahitiern minder strafbar als bey uns; denn ein Volk, dessen Bedürfnisse so leicht zu befriedigen, und dessen Le- bensart so gleichförmig ist, kann würklich unter sich nur wenig Veranlassungen zur Dieberey haben, wie denn auch ihre offenen Häuser, ohne Thür und Riegel zur Gnüge beweisen, daß in dieser Absicht keiner von dem andern etwas zu besorgen hat. Wir sind also an dieser ihrer Untugend in so fern selbst schuld, weil wir die erste Veranlassung dazu gegeben, und sie mit Dingen bekannt gemacht haben, deren verführerischem Reiz sie nicht widerstehen können. Ueberdies halten sie Forſter’s Reiſe um die Welt 1773.Auguſtgen, und da unſer Weg ebenfalls dahin gieng, ſo folgten wir ihnen den Bach herab. An einer Stelle deſſelben hatten die herbeygelanfnen Kinder kleine Krebſe (prawns) zwiſchen den Steinen aufgeſucht und boten uns ſolche an. Als ein Beytrag zur Naturgeſchichte dieſer Inſel waren ſie uns ganz willkom- men, daher wir den Kindern eine Kleinigkeit von Corallen dafuͤr ſchenkten; kaum aber ſahen dies die Alten, als ihrer mehr denn funfzig, theils Maͤnner, theils Weiber in den Bach wadeten, und uns eine ſolche Menge von dergleichen Krebſen brachten, daß wir ihre Muͤhe bald verbitten und unbelohnt laſſen muß- ten. In Zeit von zwey Stunden langten wir endlich bey unſern Zelten auf Point- Venus wiederum an, und fanden den ehrlichen O-Wahau daſelbſt, der mei- nem Vater abermals ein Geſchenk von Fruͤchten machte. Wir hatten auf un- ſerm heutigen Spatziergange bemerkt, daß es hier mehr muͤßige Leute als zu Aitepieha gab; auch ſchienen die Haͤuſer und Pflanzungen hier verfallner und vernachlaͤßigter zu ſeyn als dort, und ſtatt freundſchaftlicher Einladungen mußten wir nichts als unbeſcheidne Bitten um Corallen und Naͤgel hoͤren. Doch hatten wir im Ganzen noch immer Urfach mit den Einwohnern zufrieden zu ſeyn; denn ſie ließen uns wenigſtens in ihrem herrlichen Lande uͤberall ungeſtoͤrt herum ſtreifen. Daß ſie zu allerhand kleinen Diebereyen ſehr geneigt waͤren, hatten wir zwar ebenfalls verſchiedentlich erfahren, doch niemals etwas von eini- gem Werthe dadurch eingebuͤßt; denn in den Taſchen, denen am leichteſten beyzu- kommen war, fuͤhrten wir gemeiniglich nichts als das Schnupftuch, und die- ſes beſtand uͤberdem nur in einem Stuͤck duͤnnen Tahitiſchen Zeuges, daher ſie ſich bey allem Gluͤcke und Geſchicklichkeit unſre Taſchen auszuleeren, hintergan- gen fanden und ihre Beute gemeiniglich laͤchelnd wieder brachten. Meiner Meynung nach, iſt dieſe Neigung bey den Tahitiern minder ſtrafbar als bey uns; denn ein Volk, deſſen Beduͤrfniſſe ſo leicht zu befriedigen, und deſſen Le- bensart ſo gleichfoͤrmig iſt, kann wuͤrklich unter ſich nur wenig Veranlaſſungen zur Dieberey haben, wie denn auch ihre offenen Haͤuſer, ohne Thuͤr und Riegel zur Gnuͤge beweiſen, daß in dieſer Abſicht keiner von dem andern etwas zu beſorgen hat. Wir ſind alſo an dieſer ihrer Untugend in ſo fern ſelbſt ſchuld, weil wir die erſte Veranlaſſung dazu gegeben, und ſie mit Dingen bekannt gemacht haben, deren verfuͤhreriſchem Reiz ſie nicht widerſtehen koͤnnen. Ueberdies halten ſie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0313" n="260"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>Forſter’s</persName> Reiſe um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1773.<lb/> Auguſt</note>gen, und da unſer Weg ebenfalls dahin gieng, ſo folgten wir ihnen den Bach<lb/> herab. 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Forſter’s Reiſe um die Welt
gen, und da unſer Weg ebenfalls dahin gieng, ſo folgten wir ihnen den Bach
herab. An einer Stelle deſſelben hatten die herbeygelanfnen Kinder kleine
Krebſe (prawns) zwiſchen den Steinen aufgeſucht und boten uns ſolche an.
Als ein Beytrag zur Naturgeſchichte dieſer Inſel waren ſie uns ganz willkom-
men, daher wir den Kindern eine Kleinigkeit von Corallen dafuͤr ſchenkten; kaum
aber ſahen dies die Alten, als ihrer mehr denn funfzig, theils Maͤnner, theils
Weiber in den Bach wadeten, und uns eine ſolche Menge von dergleichen
Krebſen brachten, daß wir ihre Muͤhe bald verbitten und unbelohnt laſſen muß-
ten. In Zeit von zwey Stunden langten wir endlich bey unſern Zelten auf Point-
Venus wiederum an, und fanden den ehrlichen O-Wahau daſelbſt, der mei-
nem Vater abermals ein Geſchenk von Fruͤchten machte. Wir hatten auf un-
ſerm heutigen Spatziergange bemerkt, daß es hier mehr muͤßige Leute als zu
Aitepieha gab; auch ſchienen die Haͤuſer und Pflanzungen hier verfallner und
vernachlaͤßigter zu ſeyn als dort, und ſtatt freundſchaftlicher Einladungen mußten
wir nichts als unbeſcheidne Bitten um Corallen und Naͤgel hoͤren. Doch
hatten wir im Ganzen noch immer Urfach mit den Einwohnern zufrieden zu ſeyn;
denn ſie ließen uns wenigſtens in ihrem herrlichen Lande uͤberall ungeſtoͤrt herum
ſtreifen. Daß ſie zu allerhand kleinen Diebereyen ſehr geneigt waͤren,
hatten wir zwar ebenfalls verſchiedentlich erfahren, doch niemals etwas von eini-
gem Werthe dadurch eingebuͤßt; denn in den Taſchen, denen am leichteſten beyzu-
kommen war, fuͤhrten wir gemeiniglich nichts als das Schnupftuch, und die-
ſes beſtand uͤberdem nur in einem Stuͤck duͤnnen Tahitiſchen Zeuges, daher ſie
ſich bey allem Gluͤcke und Geſchicklichkeit unſre Taſchen auszuleeren, hintergan-
gen fanden und ihre Beute gemeiniglich laͤchelnd wieder brachten. Meiner
Meynung nach, iſt dieſe Neigung bey den Tahitiern minder ſtrafbar als bey
uns; denn ein Volk, deſſen Beduͤrfniſſe ſo leicht zu befriedigen, und deſſen Le-
bensart ſo gleichfoͤrmig iſt, kann wuͤrklich unter ſich nur wenig Veranlaſſungen
zur Dieberey haben, wie denn auch ihre offenen Haͤuſer, ohne Thuͤr und Riegel zur
Gnuͤge beweiſen, daß in dieſer Abſicht keiner von dem andern etwas zu beſorgen
hat. Wir ſind alſo an dieſer ihrer Untugend in ſo fern ſelbſt ſchuld, weil wir die
erſte Veranlaſſung dazu gegeben, und ſie mit Dingen bekannt gemacht haben,
deren verfuͤhreriſchem Reiz ſie nicht widerſtehen koͤnnen. Ueberdies halten ſie
1773.
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