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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

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Forster's Reise um die Welt
1773.
Septem-
ber.
langten sie, daß Er für Matara, oder meinen Vater, auch eins hergeben mögte.
Dies geschah, es war aber nur ein kleines Ferken. Als unsre Leute über diesen
Unterschied einiges Mißvergnügen zu erkennen gaben, trat sogleich einer von
des Königs Verwandten in aufsteigender Linie, die alle Medua (Vater) genannt
werden, aus dem Gedränge hervor, redete, unter gewaltigen Gesticulationen,
den König mit lauter Stimme an, und zeigte bald auf unsre Leute, bald auf die
erhaltnen Schaafe und bald auf das kleine Ferken. Kaum hatte der Redner
zu sprechen aufgehört, als letzteres wieder weggenommen und an dessen Statt ein
großes Schwein herbeygebracht wurde. Diese Bereitwilligkeit belohnte man
durch freygebige Austheilung von allerhand Eisengeräthschaften und andern
Kleinigkeiten, die Indianer aber erwiederten solches durch mancherley Ahau's oder
Stücken von hiesigen Zeuge, in welche sie unsre Leute einkleideten, worauf diese
sich vom ganzen Hofe beurlaubten und ohngefähr um 5 Uhr an die Schiffe zu-
rückkamen.

Da der Capitain am folgenden Tage die Insel gänzlich zu verlassen gedach-
te; so wurden Vorkehrungen zur Abreise gemacht. Beym Anblick dieser Zurü-
stungen, deren Bedeutung die Indianer schon von ehemals her kannten, eilten
sie zu guter letzt mit Fischen, Muscheln, Früchten und Zeuge noch haufenweise
herbey, und wurden alles los. Der Lieutenant Pickersgill, der seit vorgestern
vom Schiffe abwesend war um Lebensmittel einzuhandeln, kam heute gegen
3 Uhr Nachmittags von dieser Expedition zurück. Er war noch jenseits der
fruchtbaren Ebnen von Paparra gewesen, wo O-Ammo, *) der ehemals als
König über ganz Tahiti geherrscht hatte, mit seinem Sohn dem jungen T'Eri-
Derre
**) sich aufhielt. Die erste Nacht hatte er auf der Gränze eines klei-
nen Districts zugebracht, der gegenwärtig der bekannten Königinn O-Purea
(Oberea)
zugehörte. So bald ihr die Nachricht von seiner Ankunft war hin-
terbracht worden, kam und bewillkommte sie ihn, als einen ihrer alten Bekann-
ten mit den lebhaftesten Freundschaftsbezeugungen. Schon seit des Capitain
Wallis Abreise, hatte sie sich von ihrem Gemahl ***) getrennt und

*) S. in Hawkesworths Gesch. der engl. See-Reisen, in 4. zweyter Band, pag. 151.
u. 164 woselbst dieser Name Oamo ortographirt ist.
**) S. Ebendaselbst pag. 152. allwo dieser Name in Terridiri entstellt ist.
***) Siehe ebendaselbst.

Forſter’s Reiſe um die Welt
1773.
Septem-
ber.
langten ſie, daß Er fuͤr Matara, oder meinen Vater, auch eins hergeben moͤgte.
Dies geſchah, es war aber nur ein kleines Ferken. Als unſre Leute uͤber dieſen
Unterſchied einiges Mißvergnuͤgen zu erkennen gaben, trat ſogleich einer von
des Koͤnigs Verwandten in aufſteigender Linie, die alle Medua (Vater) genannt
werden, aus dem Gedraͤnge hervor, redete, unter gewaltigen Geſticulationen,
den Koͤnig mit lauter Stimme an, und zeigte bald auf unſre Leute, bald auf die
erhaltnen Schaafe und bald auf das kleine Ferken. Kaum hatte der Redner
zu ſprechen aufgehoͤrt, als letzteres wieder weggenommen und an deſſen Statt ein
großes Schwein herbeygebracht wurde. Dieſe Bereitwilligkeit belohnte man
durch freygebige Austheilung von allerhand Eiſengeraͤthſchaften und andern
Kleinigkeiten, die Indianer aber erwiederten ſolches durch mancherley Ahau’s oder
Stuͤcken von hieſigen Zeuge, in welche ſie unſre Leute einkleideten, worauf dieſe
ſich vom ganzen Hofe beurlaubten und ohngefaͤhr um 5 Uhr an die Schiffe zu-
ruͤckkamen.

Da der Capitain am folgenden Tage die Inſel gaͤnzlich zu verlaſſen gedach-
te; ſo wurden Vorkehrungen zur Abreiſe gemacht. Beym Anblick dieſer Zuruͤ-
ſtungen, deren Bedeutung die Indianer ſchon von ehemals her kannten, eilten
ſie zu guter letzt mit Fiſchen, Muſcheln, Fruͤchten und Zeuge noch haufenweiſe
herbey, und wurden alles los. Der Lieutenant Pickersgill, der ſeit vorgeſtern
vom Schiffe abweſend war um Lebensmittel einzuhandeln, kam heute gegen
3 Uhr Nachmittags von dieſer Expedition zuruͤck. Er war noch jenſeits der
fruchtbaren Ebnen von Paparra geweſen, wo O-Ammo, *) der ehemals als
Koͤnig uͤber ganz Tahiti geherrſcht hatte, mit ſeinem Sohn dem jungen T’Eri-
Derre
**) ſich aufhielt. Die erſte Nacht hatte er auf der Graͤnze eines klei-
nen Diſtricts zugebracht, der gegenwaͤrtig der bekannten Koͤniginn O-Purea
(Oberea)
zugehoͤrte. So bald ihr die Nachricht von ſeiner Ankunft war hin-
terbracht worden, kam und bewillkommte ſie ihn, als einen ihrer alten Bekann-
ten mit den lebhafteſten Freundſchaftsbezeugungen. Schon ſeit des Capitain
Wallis Abreiſe, hatte ſie ſich von ihrem Gemahl ***) getrennt und

*) S. in Hawkesworths Geſch. der engl. See-Reiſen, in 4. zweyter Band, pag. 151.
u. 164 woſelbſt dieſer Name Oamo ortographirt iſt.
**) S. Ebendaſelbſt pag. 152. allwo dieſer Name in Terridiri entſtellt iſt.
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[270/0325] Forſter’s Reiſe um die Welt langten ſie, daß Er fuͤr Matara, oder meinen Vater, auch eins hergeben moͤgte. Dies geſchah, es war aber nur ein kleines Ferken. Als unſre Leute uͤber dieſen Unterſchied einiges Mißvergnuͤgen zu erkennen gaben, trat ſogleich einer von des Koͤnigs Verwandten in aufſteigender Linie, die alle Medua (Vater) genannt werden, aus dem Gedraͤnge hervor, redete, unter gewaltigen Geſticulationen, den Koͤnig mit lauter Stimme an, und zeigte bald auf unſre Leute, bald auf die erhaltnen Schaafe und bald auf das kleine Ferken. Kaum hatte der Redner zu ſprechen aufgehoͤrt, als letzteres wieder weggenommen und an deſſen Statt ein großes Schwein herbeygebracht wurde. Dieſe Bereitwilligkeit belohnte man durch freygebige Austheilung von allerhand Eiſengeraͤthſchaften und andern Kleinigkeiten, die Indianer aber erwiederten ſolches durch mancherley Ahau’s oder Stuͤcken von hieſigen Zeuge, in welche ſie unſre Leute einkleideten, worauf dieſe ſich vom ganzen Hofe beurlaubten und ohngefaͤhr um 5 Uhr an die Schiffe zu- ruͤckkamen. 1773. Septem- ber. Da der Capitain am folgenden Tage die Inſel gaͤnzlich zu verlaſſen gedach- te; ſo wurden Vorkehrungen zur Abreiſe gemacht. Beym Anblick dieſer Zuruͤ- ſtungen, deren Bedeutung die Indianer ſchon von ehemals her kannten, eilten ſie zu guter letzt mit Fiſchen, Muſcheln, Fruͤchten und Zeuge noch haufenweiſe herbey, und wurden alles los. Der Lieutenant Pickersgill, der ſeit vorgeſtern vom Schiffe abweſend war um Lebensmittel einzuhandeln, kam heute gegen 3 Uhr Nachmittags von dieſer Expedition zuruͤck. Er war noch jenſeits der fruchtbaren Ebnen von Paparra geweſen, wo O-Ammo, *) der ehemals als Koͤnig uͤber ganz Tahiti geherrſcht hatte, mit ſeinem Sohn dem jungen T’Eri- Derre **) ſich aufhielt. Die erſte Nacht hatte er auf der Graͤnze eines klei- nen Diſtricts zugebracht, der gegenwaͤrtig der bekannten Koͤniginn O-Purea (Oberea) zugehoͤrte. So bald ihr die Nachricht von ſeiner Ankunft war hin- terbracht worden, kam und bewillkommte ſie ihn, als einen ihrer alten Bekann- ten mit den lebhafteſten Freundſchaftsbezeugungen. Schon ſeit des Capitain Wallis Abreiſe, hatte ſie ſich von ihrem Gemahl ***) getrennt und *) S. in Hawkesworths Geſch. der engl. See-Reiſen, in 4. zweyter Band, pag. 151. u. 164 woſelbſt dieſer Name Oamo ortographirt iſt. **) S. Ebendaſelbſt pag. 152. allwo dieſer Name in Terridiri entſtellt iſt. ***) Siehe ebendaſelbſt.

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/325>, abgerufen am 22.11.2024.