Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.Forster's Reise um die Welt 1773.Septem- ber.nicht füglich bestimmen; doch scheint die Faulheit der Vornehmen, ihr eben nicht die längste Dauer zu versprechen. Vor der Hand ist zwar die Feld- und Landarbeit den Tautaus, welche sie verrichten müssen, noch nicht lästig; allein, da die ganz arbeitlosen Vornehmen sich in einem ungleich stärkern Ver- hältnisse vermehren müssen, als jene; so wird die dienstbare Classe künftig im- mer mehr mit Arbeit beschwert werden und von dem Uebermaaß derselben allerhand üble Folgen zu gewarten haben. Das gemeine Volk wird davon un- gestalt und ihre Knochen kraftlos werden; die Nothwendigkeit mehr in der brennenden Sonne zu seyn, wird ihre Haut schwärzen, und sie werden, durch die häufigen und frühen Ausschweifungen ihrer Töchter mit den Großen des Landes, endlich zu zwergigten kleinen Gestalten ausarten, indeß jene vorneh- men Müßiggänger die Vorzüge einer großen Leibesgestalt, einer schönen Bil- dung und einer hellern Farbe ausschließungsweise beybehalten werden, weil sie allein ihrem gefräßigen Appetit ohne Einschränkung folgen und stets in sorgloser Unthätigkeit leben können. Endlich wird das gemeine Volk diesen Druck em- pfinden und die Ursachen desselben gewahr werden, alsdenn aber wird auch das Gefühl der gekränkten Rechte der Menschheit in ihnen erwachen und eine Revo- lution veranlassen. Dies ist der gewöhnliche Cirkel aller Staaten. Vor der Hand steht freylich für Tahiti noch lange keine solche Veränderung zu befürchten; ob aber die Einführung des fremden Luxus die Ankunft dieser unglücklichen Periode nicht beschleunigen werde? das muß man den Europäern zur ernstlichen Er- wägung anheim stellen. Warlich! wenn die Wissenschaft und Gelehrsamkeit einzelner Menschen auf Kosten der Glückseligkeit ganzer Nationen erkauft wer- den muß; so wär' es, für die Entdecker und Entdeckten besser, daß die Südsee den unruhigen Europäern ewig unbekannt geblieben wäre. Zehn-
Forſter’s Reiſe um die Welt 1773.Septem- ber.nicht fuͤglich beſtimmen; doch ſcheint die Faulheit der Vornehmen, ihr eben nicht die laͤngſte Dauer zu verſprechen. Vor der Hand iſt zwar die Feld- und Landarbeit den Tautaus, welche ſie verrichten muͤſſen, noch nicht laͤſtig; allein, da die ganz arbeitloſen Vornehmen ſich in einem ungleich ſtaͤrkern Ver- haͤltniſſe vermehren muͤſſen, als jene; ſo wird die dienſtbare Claſſe kuͤnftig im- mer mehr mit Arbeit beſchwert werden und von dem Uebermaaß derſelben allerhand uͤble Folgen zu gewarten haben. Das gemeine Volk wird davon un- geſtalt und ihre Knochen kraftlos werden; die Nothwendigkeit mehr in der brennenden Sonne zu ſeyn, wird ihre Haut ſchwaͤrzen, und ſie werden, durch die haͤufigen und fruͤhen Ausſchweifungen ihrer Toͤchter mit den Großen des Landes, endlich zu zwergigten kleinen Geſtalten ausarten, indeß jene vorneh- men Muͤßiggaͤnger die Vorzuͤge einer großen Leibesgeſtalt, einer ſchoͤnen Bil- dung und einer hellern Farbe ausſchließungsweiſe beybehalten werden, weil ſie allein ihrem gefraͤßigen Appetit ohne Einſchraͤnkung folgen und ſtets in ſorgloſer Unthaͤtigkeit leben koͤnnen. Endlich wird das gemeine Volk dieſen Druck em- pfinden und die Urſachen deſſelben gewahr werden, alsdenn aber wird auch das Gefuͤhl der gekraͤnkten Rechte der Menſchheit in ihnen erwachen und eine Revo- lution veranlaſſen. Dies iſt der gewoͤhnliche Cirkel aller Staaten. Vor der Hand ſteht freylich fuͤr Tahiti noch lange keine ſolche Veraͤnderung zu befuͤrchten; ob aber die Einfuͤhrung des fremden Luxus die Ankunft dieſer ungluͤcklichen Periode nicht beſchleunigen werde? das muß man den Europaͤern zur ernſtlichen Er- waͤgung anheim ſtellen. Warlich! wenn die Wiſſenſchaft und Gelehrſamkeit einzelner Menſchen auf Koſten der Gluͤckſeligkeit ganzer Nationen erkauft wer- den muß; ſo waͤr’ es, fuͤr die Entdecker und Entdeckten beſſer, daß die Suͤdſee den unruhigen Europaͤern ewig unbekannt geblieben waͤre. Zehn-
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Forſter’s Reiſe um die Welt
nicht fuͤglich beſtimmen; doch ſcheint die Faulheit der Vornehmen, ihr eben
nicht die laͤngſte Dauer zu verſprechen. Vor der Hand iſt zwar die Feld- und
Landarbeit den Tautaus, welche ſie verrichten muͤſſen, noch nicht laͤſtig;
allein, da die ganz arbeitloſen Vornehmen ſich in einem ungleich ſtaͤrkern Ver-
haͤltniſſe vermehren muͤſſen, als jene; ſo wird die dienſtbare Claſſe kuͤnftig im-
mer mehr mit Arbeit beſchwert werden und von dem Uebermaaß derſelben
allerhand uͤble Folgen zu gewarten haben. Das gemeine Volk wird davon un-
geſtalt und ihre Knochen kraftlos werden; die Nothwendigkeit mehr in der
brennenden Sonne zu ſeyn, wird ihre Haut ſchwaͤrzen, und ſie werden, durch
die haͤufigen und fruͤhen Ausſchweifungen ihrer Toͤchter mit den Großen des
Landes, endlich zu zwergigten kleinen Geſtalten ausarten, indeß jene vorneh-
men Muͤßiggaͤnger die Vorzuͤge einer großen Leibesgeſtalt, einer ſchoͤnen Bil-
dung und einer hellern Farbe ausſchließungsweiſe beybehalten werden, weil ſie
allein ihrem gefraͤßigen Appetit ohne Einſchraͤnkung folgen und ſtets in ſorgloſer
Unthaͤtigkeit leben koͤnnen. Endlich wird das gemeine Volk dieſen Druck em-
pfinden und die Urſachen deſſelben gewahr werden, alsdenn aber wird auch das
Gefuͤhl der gekraͤnkten Rechte der Menſchheit in ihnen erwachen und eine Revo-
lution veranlaſſen. Dies iſt der gewoͤhnliche Cirkel aller Staaten. Vor der Hand
ſteht freylich fuͤr Tahiti noch lange keine ſolche Veraͤnderung zu befuͤrchten; ob aber
die Einfuͤhrung des fremden Luxus die Ankunft dieſer ungluͤcklichen Periode
nicht beſchleunigen werde? das muß man den Europaͤern zur ernſtlichen Er-
waͤgung anheim ſtellen. Warlich! wenn die Wiſſenſchaft und Gelehrſamkeit
einzelner Menſchen auf Koſten der Gluͤckſeligkeit ganzer Nationen erkauft wer-
den muß; ſo waͤr’ es, fuͤr die Entdecker und Entdeckten beſſer, daß die Suͤdſee
den unruhigen Europaͤern ewig unbekannt geblieben waͤre.
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