Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

Forster's Reise um die Welt
1773.
Septem-
ber.
Vice-Könige. Zur Zeit dieser Revolution waren aus jenen Inseln viele
Einwohner nach Huaheine und Tahiti geflüchtet, in der Hoffnung ihr Vater-
land dereinst wieder in Freyheit zu setzen. Auch Tupaia und O-Mai, die
beyderseits aus Raietea gebürtig waren und auf englischen Schiffen von hier
giengen, scheinen, bey ihrer Reise, die Befreyung ihres unterdrückten Vater-
landes zur Absicht gehabt zu haben, denn sie schmeichelten sich, in England
Feuer-Gewehr in Menge zu erhalten. Wäre Tupaia am Leben geblieben, so
hätte er vielleicht diesen Plan ausgeführt; O-Mai aber war nicht scharfsichtig
genug, noch von hinlänglich aufgeklärten Verstande, um sich von unserer Kriegs-
kunst einen Begriff zu machen, und sie hernachmals auf die besondre Lage seiner
Landsleute anzuwenden. Demohnerachtet war er von dem Gedanken, sein Vater-
land in Freyheit zu setzen, so voll, daß er sich in England mehrmalen hat ver-
lauten lassen, wenn ihm Capitain Cook zu Ausführung dieses Vorhabens nicht
behülflich wäre; so wolle er schon dafür sorgen, daß seine Landsleute demselben
keine Lebensmittel sollten zukommen lassen. Er blieb auch unwandelbar bey diesem
Vorsatz, bis gegen seine Abreise, da er endlich auf vieles Zureden friedferti-
gere Gesinnungen anzunehmen schien. Wir konnten nicht absehen was einen
Bewohner dieser Inseln, gleich dem Könige O-Puni, bewogen haben sollte,
ein Eroberer zu werden? Nach der Aussage aller von Borabora gebür-
tigen Leute, war ihre Insel nicht minder fruchtbar und angenehm als jene,
welche sie sich mit gewaffneter Hand unterworfen hatten. Sie können also
durch nichts als Ehrgeiz dazu angetrieben worden seyn, so wenig auch dieser
sich mit der Einfalt und dem edlen Character des Volks reimen läßt. Ein
neuer Beweis, daß leider! selbst unter den besten Gesellschaften von Menschen
große Unvollkommenheiten und Schwachheiten statt finden!

Am zweyten Tage unsers Hierseyns begleiteten wir die Capitains nach
einem großen Hause das dicht am Wasser stand, und in welchem Orea, der
Befehlshaber dieses Districts wohnte. Er saß in selbigem nebst seiner Familie
und vielen Leuten von Stande auf der Erde. Kaum hatten wir neben ihnen Platz
genommen, als sich unverzüglich ein großer Schwarm von Einwohnern um uns
her versammelte, so daß es von dem starken Gedränge entsetzlich heiß wurde.

Orea

Forſter’s Reiſe um die Welt
1773.
Septem-
ber.
Vice-Koͤnige. Zur Zeit dieſer Revolution waren aus jenen Inſeln viele
Einwohner nach Huaheine und Tahiti gefluͤchtet, in der Hoffnung ihr Vater-
land dereinſt wieder in Freyheit zu ſetzen. Auch Tupaia und O-Maï, die
beyderſeits aus Raietea gebuͤrtig waren und auf engliſchen Schiffen von hier
giengen, ſcheinen, bey ihrer Reiſe, die Befreyung ihres unterdruͤckten Vater-
landes zur Abſicht gehabt zu haben, denn ſie ſchmeichelten ſich, in England
Feuer-Gewehr in Menge zu erhalten. Waͤre Tupaia am Leben geblieben, ſo
haͤtte er vielleicht dieſen Plan ausgefuͤhrt; O-Maï aber war nicht ſcharfſichtig
genug, noch von hinlaͤnglich aufgeklaͤrten Verſtande, um ſich von unſerer Kriegs-
kunſt einen Begriff zu machen, und ſie hernachmals auf die beſondre Lage ſeiner
Landsleute anzuwenden. Demohnerachtet war er von dem Gedanken, ſein Vater-
land in Freyheit zu ſetzen, ſo voll, daß er ſich in England mehrmalen hat ver-
lauten laſſen, wenn ihm Capitain Cook zu Ausfuͤhrung dieſes Vorhabens nicht
behuͤlflich waͤre; ſo wolle er ſchon dafuͤr ſorgen, daß ſeine Landsleute demſelben
keine Lebensmittel ſollten zukommen laſſen. Er blieb auch unwandelbar bey dieſem
Vorſatz, bis gegen ſeine Abreiſe, da er endlich auf vieles Zureden friedferti-
gere Geſinnungen anzunehmen ſchien. Wir konnten nicht abſehen was einen
Bewohner dieſer Inſeln, gleich dem Koͤnige O-Puni, bewogen haben ſollte,
ein Eroberer zu werden? Nach der Ausſage aller von Borabora gebuͤr-
tigen Leute, war ihre Inſel nicht minder fruchtbar und angenehm als jene,
welche ſie ſich mit gewaffneter Hand unterworfen hatten. Sie koͤnnen alſo
durch nichts als Ehrgeiz dazu angetrieben worden ſeyn, ſo wenig auch dieſer
ſich mit der Einfalt und dem edlen Character des Volks reimen laͤßt. Ein
neuer Beweis, daß leider! ſelbſt unter den beſten Geſellſchaften von Menſchen
große Unvollkommenheiten und Schwachheiten ſtatt finden!

Am zweyten Tage unſers Hierſeyns begleiteten wir die Capitains nach
einem großen Hauſe das dicht am Waſſer ſtand, und in welchem Orea, der
Befehlshaber dieſes Diſtricts wohnte. Er ſaß in ſelbigem nebſt ſeiner Familie
und vielen Leuten von Stande auf der Erde. Kaum hatten wir neben ihnen Platz
genommen, als ſich unverzuͤglich ein großer Schwarm von Einwohnern um uns
her verſammelte, ſo daß es von dem ſtarken Gedraͤnge entſetzlich heiß wurde.

Orea
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0351" n="296"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>For&#x017F;ter&#x2019;s</persName> Rei&#x017F;e um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1773.<lb/>
Septem-<lb/>
ber.</note>Vice-Ko&#x0364;nige. Zur Zeit die&#x017F;er Revolution waren aus jenen In&#x017F;eln viele<lb/>
Einwohner nach <hi rendition="#fr"><placeName>Huaheine</placeName></hi> und <hi rendition="#fr"><placeName>Tahiti</placeName></hi> geflu&#x0364;chtet, in der Hoffnung ihr Vater-<lb/>
land derein&#x017F;t wieder in Freyheit zu &#x017F;etzen. Auch <hi rendition="#fr"><persName>Tupaia</persName></hi> und <persName><hi rendition="#fr">O-Ma</hi><hi rendition="#aq">ï</hi></persName>, die<lb/>
beyder&#x017F;eits aus <hi rendition="#fr"><placeName>Raietea</placeName></hi> gebu&#x0364;rtig waren und auf engli&#x017F;chen Schiffen von hier<lb/>
giengen, &#x017F;cheinen, bey ihrer Rei&#x017F;e, die Befreyung ihres unterdru&#x0364;ckten Vater-<lb/>
landes zur Ab&#x017F;icht gehabt zu haben, denn &#x017F;ie &#x017F;chmeichelten &#x017F;ich, in <placeName>England</placeName><lb/>
Feuer-Gewehr in Menge zu erhalten. Wa&#x0364;re <hi rendition="#fr"><persName>Tupaia</persName></hi> am Leben geblieben, &#x017F;o<lb/>
ha&#x0364;tte er vielleicht die&#x017F;en Plan ausgefu&#x0364;hrt; <persName><hi rendition="#fr">O-Ma</hi><hi rendition="#aq">ï</hi></persName> aber war nicht &#x017F;charf&#x017F;ichtig<lb/>
genug, noch von hinla&#x0364;nglich aufgekla&#x0364;rten Ver&#x017F;tande, um &#x017F;ich von un&#x017F;erer Kriegs-<lb/>
kun&#x017F;t einen Begriff zu machen, und &#x017F;ie hernachmals auf die be&#x017F;ondre Lage &#x017F;einer<lb/>
Landsleute anzuwenden. Demohnerachtet war er von dem Gedanken, &#x017F;ein Vater-<lb/>
land in Freyheit zu &#x017F;etzen, &#x017F;o voll, daß er &#x017F;ich in <placeName>England</placeName> mehrmalen hat ver-<lb/>
lauten la&#x017F;&#x017F;en, wenn ihm Capitain <hi rendition="#fr"><persName>Cook</persName></hi> zu Ausfu&#x0364;hrung die&#x017F;es Vorhabens nicht<lb/>
behu&#x0364;lflich wa&#x0364;re; &#x017F;o wolle er &#x017F;chon dafu&#x0364;r &#x017F;orgen, daß &#x017F;eine Landsleute dem&#x017F;elben<lb/>
keine Lebensmittel &#x017F;ollten zukommen la&#x017F;&#x017F;en. Er blieb auch unwandelbar bey die&#x017F;em<lb/>
Vor&#x017F;atz, bis gegen &#x017F;eine Abrei&#x017F;e, da er endlich auf vieles Zureden friedferti-<lb/>
gere Ge&#x017F;innungen anzunehmen &#x017F;chien. Wir konnten nicht ab&#x017F;ehen was einen<lb/>
Bewohner die&#x017F;er In&#x017F;eln, gleich dem Ko&#x0364;nige <hi rendition="#fr"><persName>O-Puni</persName>,</hi> bewogen haben &#x017F;ollte,<lb/>
ein Eroberer zu werden? Nach der Aus&#x017F;age aller von <hi rendition="#fr"><placeName>Borabora</placeName></hi> gebu&#x0364;r-<lb/>
tigen Leute, war ihre In&#x017F;el nicht minder fruchtbar und angenehm als jene,<lb/>
welche &#x017F;ie &#x017F;ich mit gewaffneter Hand unterworfen hatten. Sie ko&#x0364;nnen al&#x017F;o<lb/>
durch nichts als Ehrgeiz dazu angetrieben worden &#x017F;eyn, &#x017F;o wenig auch die&#x017F;er<lb/>
&#x017F;ich mit der Einfalt und dem edlen Character des Volks reimen la&#x0364;ßt. Ein<lb/>
neuer Beweis, daß leider! &#x017F;elb&#x017F;t unter den be&#x017F;ten Ge&#x017F;ell&#x017F;chaften von Men&#x017F;chen<lb/>
große Unvollkommenheiten und Schwachheiten &#x017F;tatt finden!</p><lb/>
        <p>Am zweyten Tage un&#x017F;ers Hier&#x017F;eyns begleiteten wir die Capitains nach<lb/>
einem großen Hau&#x017F;e das dicht am Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;tand, und in welchem <hi rendition="#fr"><persName>Orea</persName>,</hi> der<lb/>
Befehlshaber die&#x017F;es Di&#x017F;tricts wohnte. Er &#x017F;aß in &#x017F;elbigem neb&#x017F;t &#x017F;einer Familie<lb/>
und vielen Leuten von Stande auf der Erde. Kaum hatten wir neben ihnen Platz<lb/>
genommen, als &#x017F;ich unverzu&#x0364;glich ein großer Schwarm von Einwohnern um uns<lb/>
her ver&#x017F;ammelte, &#x017F;o daß es von dem &#x017F;tarken Gedra&#x0364;nge ent&#x017F;etzlich heiß wurde.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr"><persName>Orea</persName></hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[296/0351] Forſter’s Reiſe um die Welt Vice-Koͤnige. Zur Zeit dieſer Revolution waren aus jenen Inſeln viele Einwohner nach Huaheine und Tahiti gefluͤchtet, in der Hoffnung ihr Vater- land dereinſt wieder in Freyheit zu ſetzen. Auch Tupaia und O-Maï, die beyderſeits aus Raietea gebuͤrtig waren und auf engliſchen Schiffen von hier giengen, ſcheinen, bey ihrer Reiſe, die Befreyung ihres unterdruͤckten Vater- landes zur Abſicht gehabt zu haben, denn ſie ſchmeichelten ſich, in England Feuer-Gewehr in Menge zu erhalten. Waͤre Tupaia am Leben geblieben, ſo haͤtte er vielleicht dieſen Plan ausgefuͤhrt; O-Maï aber war nicht ſcharfſichtig genug, noch von hinlaͤnglich aufgeklaͤrten Verſtande, um ſich von unſerer Kriegs- kunſt einen Begriff zu machen, und ſie hernachmals auf die beſondre Lage ſeiner Landsleute anzuwenden. Demohnerachtet war er von dem Gedanken, ſein Vater- land in Freyheit zu ſetzen, ſo voll, daß er ſich in England mehrmalen hat ver- lauten laſſen, wenn ihm Capitain Cook zu Ausfuͤhrung dieſes Vorhabens nicht behuͤlflich waͤre; ſo wolle er ſchon dafuͤr ſorgen, daß ſeine Landsleute demſelben keine Lebensmittel ſollten zukommen laſſen. Er blieb auch unwandelbar bey dieſem Vorſatz, bis gegen ſeine Abreiſe, da er endlich auf vieles Zureden friedferti- gere Geſinnungen anzunehmen ſchien. Wir konnten nicht abſehen was einen Bewohner dieſer Inſeln, gleich dem Koͤnige O-Puni, bewogen haben ſollte, ein Eroberer zu werden? Nach der Ausſage aller von Borabora gebuͤr- tigen Leute, war ihre Inſel nicht minder fruchtbar und angenehm als jene, welche ſie ſich mit gewaffneter Hand unterworfen hatten. Sie koͤnnen alſo durch nichts als Ehrgeiz dazu angetrieben worden ſeyn, ſo wenig auch dieſer ſich mit der Einfalt und dem edlen Character des Volks reimen laͤßt. Ein neuer Beweis, daß leider! ſelbſt unter den beſten Geſellſchaften von Menſchen große Unvollkommenheiten und Schwachheiten ſtatt finden! 1773. Septem- ber. Am zweyten Tage unſers Hierſeyns begleiteten wir die Capitains nach einem großen Hauſe das dicht am Waſſer ſtand, und in welchem Orea, der Befehlshaber dieſes Diſtricts wohnte. Er ſaß in ſelbigem nebſt ſeiner Familie und vielen Leuten von Stande auf der Erde. Kaum hatten wir neben ihnen Platz genommen, als ſich unverzuͤglich ein großer Schwarm von Einwohnern um uns her verſammelte, ſo daß es von dem ſtarken Gedraͤnge entſetzlich heiß wurde. Orea

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/351
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/351>, abgerufen am 21.11.2024.