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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

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in den Jahren 1772 bis 1775.
bewandert genug, um zuverläßig zu erfahren, ob sie von Tasmanns Anwesenheit1773.
October.

noch etwas wüßten? Wir fanden aber etliche eiserne Nägel bey ihnen, die sich
noch von der Zeit herschreiben müssen. Einen derselben kauften wir; er war
nur sehr klein und fast ganz vom Rost zerfressen, dennoch aber sorgfältig aufbe-
wahrt und in einen hölzernen Grif gefaßt, vermuthlich um statt eines Bohrers
dienen zu können. Er ist jetzt im brittischen Museo verwahrlich nieder-
gelegt. Auch kauften wir etliche kleine irdene Töpfe, die an der Außenseite
ganz schwarz von Rus waren, und unserm Vermuthen nach, ebenfalls durch
Tasmann hieher gekommen seyn mochten; allein in der Folge fanden wir Ur-
sach zu glauben, daß sie auf der Insel selbst verfertigt worden. Schoutens,
Tasmanns
und Bougainvilles Nachrichten von den Einwohnern, stimmen
mit den unsrigen darinn völlig überein, daß sie zu kleinen Diebereyen sehr aufge-
legt und geschickt sind. Auch sind Tasmann und Capitain Wallis darinn
mit uns einstimmig, daß sich diese Insulaner den kleinen Finger abzuschnei-
den pflegen; und Schouten und Le Maire versichern, daß die Einwohner auf
Horn-Eyland sich gegen ihren König eben so kriechend und unterwürfig bezeugen,
als die Leute auf Tongatabu. Das Bewußtseyn von der Uebermacht der
Ausländer machte sie ehemals sclavisch demüthig gegen die Holländer; der Kö-
nig warf sich vor dem holländischen Schiffsschreiber zu Füßen, und die gerin-
geren Befehlshaber giengen noch weiter, denn zum Zeichen der Unterthänig-
keit, setzten sie gar die Füße des Holländers auf ihren Nacken. *) Hier-
aus sollte man schließen, daß sie niederträchtig und feige wären; allein, wir
unsers Theils können ihnen diese Fehler nicht Schuld geben, denn gegen uns
betrugen sie sich so freymüthig und dreist, als es Leuten zukommt, die sich recht-
schaffner Gesinnungen bewußt sind. Sie waren zwar sehr höflich, aber keines we-
ges kriechend. Daß es indessen auch hier, so wie in jeder andern menschlichen
Gesellschaft, Ausnahmen von dem allgemein guten National-Character gebe,
das mußte ich selbst noch heute gewahr werden. Dr. Sparrmann und ich
entfernten uns vom Strande, um, in dem nahen Gehölz unsrer Lieblings-Wis-
senschaft, der Botanik nachzugehen, indessen der Rest unsrer Gesellschaft

*) S. Dalrymples Collection of Voyages. Vol. II. pag. 47.
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in den Jahren 1772 bis 1775.
bewandert genug, um zuverlaͤßig zu erfahren, ob ſie von Tasmanns Anweſenheit1773.
October.

noch etwas wuͤßten? Wir fanden aber etliche eiſerne Naͤgel bey ihnen, die ſich
noch von der Zeit herſchreiben muͤſſen. Einen derſelben kauften wir; er war
nur ſehr klein und faſt ganz vom Roſt zerfreſſen, dennoch aber ſorgfaͤltig aufbe-
wahrt und in einen hoͤlzernen Grif gefaßt, vermuthlich um ſtatt eines Bohrers
dienen zu koͤnnen. Er iſt jetzt im brittiſchen Muſeo verwahrlich nieder-
gelegt. Auch kauften wir etliche kleine irdene Toͤpfe, die an der Außenſeite
ganz ſchwarz von Rus waren, und unſerm Vermuthen nach, ebenfalls durch
Tasmann hieher gekommen ſeyn mochten; allein in der Folge fanden wir Ur-
ſach zu glauben, daß ſie auf der Inſel ſelbſt verfertigt worden. Schoutens,
Tasmanns
und Bougainvilles Nachrichten von den Einwohnern, ſtimmen
mit den unſrigen darinn voͤllig uͤberein, daß ſie zu kleinen Diebereyen ſehr aufge-
legt und geſchickt ſind. Auch ſind Tasmann und Capitain Wallis darinn
mit uns einſtimmig, daß ſich dieſe Inſulaner den kleinen Finger abzuſchnei-
den pflegen; und Schouten und Le Maire verſichern, daß die Einwohner auf
Horn-Eyland ſich gegen ihren Koͤnig eben ſo kriechend und unterwuͤrfig bezeugen,
als die Leute auf Tongatabu. Das Bewußtſeyn von der Uebermacht der
Auslaͤnder machte ſie ehemals ſclaviſch demuͤthig gegen die Hollaͤnder; der Koͤ-
nig warf ſich vor dem hollaͤndiſchen Schiffsſchreiber zu Fuͤßen, und die gerin-
geren Befehlshaber giengen noch weiter, denn zum Zeichen der Unterthaͤnig-
keit, ſetzten ſie gar die Fuͤße des Hollaͤnders auf ihren Nacken. *) Hier-
aus ſollte man ſchließen, daß ſie niedertraͤchtig und feige waͤren; allein, wir
unſers Theils koͤnnen ihnen dieſe Fehler nicht Schuld geben, denn gegen uns
betrugen ſie ſich ſo freymuͤthig und dreiſt, als es Leuten zukommt, die ſich recht-
ſchaffner Geſinnungen bewußt ſind. Sie waren zwar ſehr hoͤflich, aber keines we-
ges kriechend. Daß es indeſſen auch hier, ſo wie in jeder andern menſchlichen
Geſellſchaft, Ausnahmen von dem allgemein guten National-Character gebe,
das mußte ich ſelbſt noch heute gewahr werden. Dr. Sparrmann und ich
entfernten uns vom Strande, um, in dem nahen Gehoͤlz unſrer Lieblings-Wiſ-
ſenſchaft, der Botanik nachzugehen, indeſſen der Reſt unſrer Geſellſchaft

*) S. Dalrymples Collection of Voyages. Vol. II. pag. 47.
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[355/0414] in den Jahren 1772 bis 1775. bewandert genug, um zuverlaͤßig zu erfahren, ob ſie von Tasmanns Anweſenheit noch etwas wuͤßten? Wir fanden aber etliche eiſerne Naͤgel bey ihnen, die ſich noch von der Zeit herſchreiben muͤſſen. Einen derſelben kauften wir; er war nur ſehr klein und faſt ganz vom Roſt zerfreſſen, dennoch aber ſorgfaͤltig aufbe- wahrt und in einen hoͤlzernen Grif gefaßt, vermuthlich um ſtatt eines Bohrers dienen zu koͤnnen. Er iſt jetzt im brittiſchen Muſeo verwahrlich nieder- gelegt. Auch kauften wir etliche kleine irdene Toͤpfe, die an der Außenſeite ganz ſchwarz von Rus waren, und unſerm Vermuthen nach, ebenfalls durch Tasmann hieher gekommen ſeyn mochten; allein in der Folge fanden wir Ur- ſach zu glauben, daß ſie auf der Inſel ſelbſt verfertigt worden. Schoutens, Tasmanns und Bougainvilles Nachrichten von den Einwohnern, ſtimmen mit den unſrigen darinn voͤllig uͤberein, daß ſie zu kleinen Diebereyen ſehr aufge- legt und geſchickt ſind. Auch ſind Tasmann und Capitain Wallis darinn mit uns einſtimmig, daß ſich dieſe Inſulaner den kleinen Finger abzuſchnei- den pflegen; und Schouten und Le Maire verſichern, daß die Einwohner auf Horn-Eyland ſich gegen ihren Koͤnig eben ſo kriechend und unterwuͤrfig bezeugen, als die Leute auf Tongatabu. Das Bewußtſeyn von der Uebermacht der Auslaͤnder machte ſie ehemals ſclaviſch demuͤthig gegen die Hollaͤnder; der Koͤ- nig warf ſich vor dem hollaͤndiſchen Schiffsſchreiber zu Fuͤßen, und die gerin- geren Befehlshaber giengen noch weiter, denn zum Zeichen der Unterthaͤnig- keit, ſetzten ſie gar die Fuͤße des Hollaͤnders auf ihren Nacken. *) Hier- aus ſollte man ſchließen, daß ſie niedertraͤchtig und feige waͤren; allein, wir unſers Theils koͤnnen ihnen dieſe Fehler nicht Schuld geben, denn gegen uns betrugen ſie ſich ſo freymuͤthig und dreiſt, als es Leuten zukommt, die ſich recht- ſchaffner Geſinnungen bewußt ſind. Sie waren zwar ſehr hoͤflich, aber keines we- ges kriechend. Daß es indeſſen auch hier, ſo wie in jeder andern menſchlichen Geſellſchaft, Ausnahmen von dem allgemein guten National-Character gebe, das mußte ich ſelbſt noch heute gewahr werden. Dr. Sparrmann und ich entfernten uns vom Strande, um, in dem nahen Gehoͤlz unſrer Lieblings-Wiſ- ſenſchaft, der Botanik nachzugehen, indeſſen der Reſt unſrer Geſellſchaft 1773. October. *) S. Dalrymples Collection of Voyages. Vol. II. pag. 47. Y y 2

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/414>, abgerufen am 24.11.2024.