Am folgenden Morgen kamen die Indianer in größerer Anzahl und mit1773. Novem- ber. mehrern Canots zu uns als Tages zuvor. Unter den neuen Ankömmlingen be- fand sich auch der Befehlshaber Teiratuh, den wir ehemals schon hatten kennen lernen, und von dem wir, bey unsrer vorigen Anwesenheit, mit einer langen Re- de waren bewillkommt worden. Jetzt zog er ziemlich schlecht einher, und schien, wenn ich so sagen darf, en deshabille zu seyn. Statt bunt geflochtner und mit Hun- defell verbrämter Matten, die er vormals zu tragen pflegte, hatte er sich ganz einfach gekleidet, und das Haar nur schlechtweg in einen Zopf aufgebun- den, ungekämmt und ungesalbt. Der Redner und Befehlshaber schien zu dem Stande eines gemeinen Fischkrähmers herabgesunken zu seyn; auch er- kannten wir ihn in diesem Aufzuge nicht gleich wieder, so bald wir uns aber seiner Physiognomie erinnerten, wiederfuhr ihm alle gebührende Ehre. Man nöthigte ihn nemlich in die Cajütte, und machte ihm ein Geschenk von Nä- geln. Das Eisenwerk und das tahitische Zeug welches wir bey uns führ- ten, waren in feinen Augen so wichtige Artikel, daß er und alle seine Be- gleiter ohnverzüglich Anstalt machten, ihren Wohnplatz in der Nachbarschaft aufzuschlagen; vermuthlich um des Handels wegen immer bey der Hand zu seyn, vielleicht aber auch, um desto mehr Gelegenheit zu haben auf andere Art etwas an sich zu bringen. Das Schiff lag nahe am Strande, nicht weit von der Ge- gend, wo die Wasserfässer angefüllt werden sollten. Zu diesem Behuf war auch schon ein Zelt für die Wasserleute, ein andres für die Holzschläger, und die Sternwarte für den Astronomen aufgeschlagen. Wir giengen Vor- und Nachmittags ans Land, mußten uns aber allemal durch ein Labyrinth von Schlingpflanzen hindurch arbeiten, die von einem Baume zum andern überge- laufen waren. Maheine oder Ohedidi kam gemeiniglich mit ans Land und streifte in diesen unwegsamen Wäldern herum, ganz erstaunt über die Ver- schiedenheit der Vögel, über ihren schönen Gesang und ihr prächtiges Ge- fieder. In einem unsrer Gärten, wo die Radiese und Rüben in der Blüthe stan- den, hielt sich vorzüglich eine Menge kleiner Vögel auf, welche den Nectar- saft aus den Blumen saugten, und sie darüber oft von den Stengeln rissen. Wir schossen verschiedene davon und Maheine, der in seinem Leben noch nie eine Flinte in Händen gehabt, erlegte seinen Vogel beym ersten Schusse. Es ge-
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in den Jahren 1772 bis 1775.
Am folgenden Morgen kamen die Indianer in groͤßerer Anzahl und mit1773. Novem- ber. mehrern Canots zu uns als Tages zuvor. Unter den neuen Ankoͤmmlingen be- fand ſich auch der Befehlshaber Teiratuh, den wir ehemals ſchon hatten kennen lernen, und von dem wir, bey unſrer vorigen Anweſenheit, mit einer langen Re- de waren bewillkommt worden. Jetzt zog er ziemlich ſchlecht einher, und ſchien, wenn ich ſo ſagen darf, en deshabillé zu ſeyn. Statt bunt geflochtner und mit Hun- defell verbraͤmter Matten, die er vormals zu tragen pflegte, hatte er ſich ganz einfach gekleidet, und das Haar nur ſchlechtweg in einen Zopf aufgebun- den, ungekaͤmmt und ungeſalbt. Der Redner und Befehlshaber ſchien zu dem Stande eines gemeinen Fiſchkraͤhmers herabgeſunken zu ſeyn; auch er- kannten wir ihn in dieſem Aufzuge nicht gleich wieder, ſo bald wir uns aber ſeiner Phyſiognomie erinnerten, wiederfuhr ihm alle gebuͤhrende Ehre. Man noͤthigte ihn nemlich in die Cajuͤtte, und machte ihm ein Geſchenk von Naͤ- geln. Das Eiſenwerk und das tahitiſche Zeug welches wir bey uns fuͤhr- ten, waren in feinen Augen ſo wichtige Artikel, daß er und alle ſeine Be- gleiter ohnverzuͤglich Anſtalt machten, ihren Wohnplatz in der Nachbarſchaft aufzuſchlagen; vermuthlich um des Handels wegen immer bey der Hand zu ſeyn, vielleicht aber auch, um deſto mehr Gelegenheit zu haben auf andere Art etwas an ſich zu bringen. Das Schiff lag nahe am Strande, nicht weit von der Ge- gend, wo die Waſſerfaͤſſer angefuͤllt werden ſollten. Zu dieſem Behuf war auch ſchon ein Zelt fuͤr die Waſſerleute, ein andres fuͤr die Holzſchlaͤger, und die Sternwarte fuͤr den Aſtronomen aufgeſchlagen. Wir giengen Vor- und Nachmittags ans Land, mußten uns aber allemal durch ein Labyrinth von Schlingpflanzen hindurch arbeiten, die von einem Baume zum andern uͤberge- laufen waren. Maheine oder Ohedidi kam gemeiniglich mit ans Land und ſtreifte in dieſen unwegſamen Waͤldern herum, ganz erſtaunt uͤber die Ver- ſchiedenheit der Voͤgel, uͤber ihren ſchoͤnen Geſang und ihr praͤchtiges Ge- fieder. In einem unſrer Gaͤrten, wo die Radieſe und Ruͤben in der Bluͤthe ſtan- den, hielt ſich vorzuͤglich eine Menge kleiner Voͤgel auf, welche den Nectar- ſaft aus den Blumen saugten, und ſie daruͤber oft von den Stengeln riſſen. Wir ſchoſſen verſchiedene davon und Maheine, der in ſeinem Leben noch nie eine Flinte in Haͤnden gehabt, erlegte ſeinen Vogel beym erſten Schuſſe. Es ge-
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in den Jahren 1772 bis 1775.
Am folgenden Morgen kamen die Indianer in groͤßerer Anzahl und mit
mehrern Canots zu uns als Tages zuvor. Unter den neuen Ankoͤmmlingen be-
fand ſich auch der Befehlshaber Teiratuh, den wir ehemals ſchon hatten kennen
lernen, und von dem wir, bey unſrer vorigen Anweſenheit, mit einer langen Re-
de waren bewillkommt worden. Jetzt zog er ziemlich ſchlecht einher, und ſchien,
wenn ich ſo ſagen darf, en deshabillé zu ſeyn. Statt bunt geflochtner und mit Hun-
defell verbraͤmter Matten, die er vormals zu tragen pflegte, hatte er ſich ganz
einfach gekleidet, und das Haar nur ſchlechtweg in einen Zopf aufgebun-
den, ungekaͤmmt und ungeſalbt. Der Redner und Befehlshaber ſchien zu
dem Stande eines gemeinen Fiſchkraͤhmers herabgeſunken zu ſeyn; auch er-
kannten wir ihn in dieſem Aufzuge nicht gleich wieder, ſo bald wir uns aber
ſeiner Phyſiognomie erinnerten, wiederfuhr ihm alle gebuͤhrende Ehre. Man
noͤthigte ihn nemlich in die Cajuͤtte, und machte ihm ein Geſchenk von Naͤ-
geln. Das Eiſenwerk und das tahitiſche Zeug welches wir bey uns fuͤhr-
ten, waren in feinen Augen ſo wichtige Artikel, daß er und alle ſeine Be-
gleiter ohnverzuͤglich Anſtalt machten, ihren Wohnplatz in der Nachbarſchaft
aufzuſchlagen; vermuthlich um des Handels wegen immer bey der Hand zu ſeyn,
vielleicht aber auch, um deſto mehr Gelegenheit zu haben auf andere Art etwas
an ſich zu bringen. Das Schiff lag nahe am Strande, nicht weit von der Ge-
gend, wo die Waſſerfaͤſſer angefuͤllt werden ſollten. Zu dieſem Behuf war auch
ſchon ein Zelt fuͤr die Waſſerleute, ein andres fuͤr die Holzſchlaͤger, und
die Sternwarte fuͤr den Aſtronomen aufgeſchlagen. Wir giengen Vor- und
Nachmittags ans Land, mußten uns aber allemal durch ein Labyrinth von
Schlingpflanzen hindurch arbeiten, die von einem Baume zum andern uͤberge-
laufen waren. Maheine oder Ohedidi kam gemeiniglich mit ans Land und
ſtreifte in dieſen unwegſamen Waͤldern herum, ganz erſtaunt uͤber die Ver-
ſchiedenheit der Voͤgel, uͤber ihren ſchoͤnen Geſang und ihr praͤchtiges Ge-
fieder. In einem unſrer Gaͤrten, wo die Radieſe und Ruͤben in der Bluͤthe ſtan-
den, hielt ſich vorzuͤglich eine Menge kleiner Voͤgel auf, welche den Nectar-
ſaft aus den Blumen saugten, und ſie daruͤber oft von den Stengeln riſſen. Wir
ſchoſſen verſchiedene davon und Maheine, der in ſeinem Leben noch nie eine
Flinte in Haͤnden gehabt, erlegte ſeinen Vogel beym erſten Schuſſe. Es ge-
1773.
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/432>, abgerufen am 24.11.2024.
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