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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

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Forster's Reise um die Welt
1773.
Novem-
ber.
waren erschöpft; die Fahrt gegen Süden konnte nichts Neues mehr darbieten;
sondern lag mit allen ihren mannigfaltigen Gefahren und Schrecken vor uns, die
desto mehr Eindruck machten, da wir nun ohne Gesellschaft seegeln mußten.
Zwischen den Wendezirkeln hatten wir wenigstens einige glückliche Tage genossen;
unsre Tafel war dort so gut besetzt gewesen, als es die Producte dieser Inseln zu-
lassen wollten, und die Abwechselung so mancher neuen Gegenstände, die wir unter
den verschiedenen Nationen antrafen, hatte uns auf das angenehmste unterhal-
ten: Nunmehro sahen wir aber, auf eine ziemlich lange Periode, nichts als Ne-
bel, kaltes Wetter, Fasten und die langweiligste Einförmigkeit vor uns! Der
Abt Chappe, oder vielmehr der Herausgeber seiner Reise nach Californien,
Cassini,
bemerkt, *) "daß Abwechselung allein dem Reisenden angenehm ist,
und daß er, solcher zu gefallen, von Land zu Lande gehe." Seine Philosophie
ist zugleich so erhabner Natur, daß er den Ausspruch thut, +) "das Seeleben
"sey nur denen langweilig und gleichförmig, die nicht gewohnt find, um sich zu
"schauen, sondern die Natur mit Gleichgültigkeit ansehen." Wäre aber der gute
Herr Abt so unglücklich gewesen, den antarctischen Zirkel zu besuchen, ohne ein
Paar Hundert fette Capaunen bey sich zu haben, womit er sich, auf seiner
Reise von Cadiz nach Vera-Cruz, wohl weislich zu versorgen wußte; so dürfte
vielleicht seine Philosophie minder hochtrabend gewesen seyn. Was diesen Ver-
dacht gar sehr bestätigt, ist, daß er die Abwechslung in Mexico nicht fand,
die er doch zur See so häufig angetroffen zu haben vorgab. **) Gleich-
wohl durchreiste er daselbst große Striche ungebautes Land und weitläuftige
Wälder, und sahe die Natur in einem sehr wilden Zustande. Er gesteht zwar,
daß sie reich und schön sey; allein in wenig Tagen ward ihm die Mannigfaltig-
keit ihrer Reize schon unschmackhaft und gleichgültig; und doch versichert man
uns von diesem Mann, er sey zugleich Astronom, Botanist, Zoolog, Minera-
loge, Chymist und Philosoph gewesen!

Wir unsrer Seits waren, bey der Abreise von Neu-Seeland, von der er-
habnen Philosophie des französischen Abts sehr weit entfernt. Wenn noch je

*) Pag. 22.
+) Pag. 13.
**) Pag. 22.

Forſter’s Reiſe um die Welt
1773.
Novem-
ber.
waren erſchoͤpft; die Fahrt gegen Suͤden konnte nichts Neues mehr darbieten;
ſondern lag mit allen ihren mannigfaltigen Gefahren und Schrecken vor uns, die
deſto mehr Eindruck machten, da wir nun ohne Geſellſchaft ſeegeln mußten.
Zwiſchen den Wendezirkeln hatten wir wenigſtens einige gluͤckliche Tage genoſſen;
unſre Tafel war dort ſo gut beſetzt geweſen, als es die Producte dieſer Inſeln zu-
laſſen wollten, und die Abwechſelung ſo mancher neuen Gegenſtaͤnde, die wir unter
den verſchiedenen Nationen antrafen, hatte uns auf das angenehmſte unterhal-
ten: Nunmehro ſahen wir aber, auf eine ziemlich lange Periode, nichts als Ne-
bel, kaltes Wetter, Faſten und die langweiligſte Einfoͤrmigkeit vor uns! Der
Abt Chappe, oder vielmehr der Herausgeber ſeiner Reiſe nach Californien,
Caſſini,
bemerkt, *) “daß Abwechſelung allein dem Reiſenden angenehm iſt,
und daß er, ſolcher zu gefallen, von Land zu Lande gehe.“ Seine Philoſophie
iſt zugleich ſo erhabner Natur, daß er den Ausſpruch thut, †) „das Seeleben
“ſey nur denen langweilig und gleichfoͤrmig, die nicht gewohnt find, um ſich zu
“ſchauen, ſondern die Natur mit Gleichguͤltigkeit anſehen.” Waͤre aber der gute
Herr Abt ſo ungluͤcklich geweſen, den antarctiſchen Zirkel zu beſuchen, ohne ein
Paar Hundert fette Capaunen bey ſich zu haben, womit er ſich, auf ſeiner
Reiſe von Cadiz nach Vera-Cruz, wohl weislich zu verſorgen wußte; ſo duͤrfte
vielleicht ſeine Philoſophie minder hochtrabend geweſen ſeyn. Was dieſen Ver-
dacht gar ſehr beſtaͤtigt, iſt, daß er die Abwechslung in Mexico nicht fand,
die er doch zur See ſo haͤufig angetroffen zu haben vorgab. **) Gleich-
wohl durchreiſte er daſelbſt große Striche ungebautes Land und weitlaͤuftige
Waͤlder, und ſahe die Natur in einem ſehr wilden Zuſtande. Er geſteht zwar,
daß ſie reich und ſchoͤn ſey; allein in wenig Tagen ward ihm die Mannigfaltig-
keit ihrer Reize ſchon unſchmackhaft und gleichguͤltig; und doch verſichert man
uns von dieſem Mann, er ſey zugleich Aſtronom, Botaniſt, Zoolog, Minera-
loge, Chymiſt und Philoſoph geweſen!

Wir unſrer Seits waren, bey der Abreiſe von Neu-Seeland, von der er-
habnen Philoſophie des franzoͤſiſchen Abts ſehr weit entfernt. Wenn noch je

*) Pag. 22.
†) Pag. 13.
**) Pag. 22.
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[396/0455] Forſter’s Reiſe um die Welt waren erſchoͤpft; die Fahrt gegen Suͤden konnte nichts Neues mehr darbieten; ſondern lag mit allen ihren mannigfaltigen Gefahren und Schrecken vor uns, die deſto mehr Eindruck machten, da wir nun ohne Geſellſchaft ſeegeln mußten. Zwiſchen den Wendezirkeln hatten wir wenigſtens einige gluͤckliche Tage genoſſen; unſre Tafel war dort ſo gut beſetzt geweſen, als es die Producte dieſer Inſeln zu- laſſen wollten, und die Abwechſelung ſo mancher neuen Gegenſtaͤnde, die wir unter den verſchiedenen Nationen antrafen, hatte uns auf das angenehmſte unterhal- ten: Nunmehro ſahen wir aber, auf eine ziemlich lange Periode, nichts als Ne- bel, kaltes Wetter, Faſten und die langweiligſte Einfoͤrmigkeit vor uns! Der Abt Chappe, oder vielmehr der Herausgeber ſeiner Reiſe nach Californien, Caſſini, bemerkt, *) “daß Abwechſelung allein dem Reiſenden angenehm iſt, und daß er, ſolcher zu gefallen, von Land zu Lande gehe.“ Seine Philoſophie iſt zugleich ſo erhabner Natur, daß er den Ausſpruch thut, †) „das Seeleben “ſey nur denen langweilig und gleichfoͤrmig, die nicht gewohnt find, um ſich zu “ſchauen, ſondern die Natur mit Gleichguͤltigkeit anſehen.” Waͤre aber der gute Herr Abt ſo ungluͤcklich geweſen, den antarctiſchen Zirkel zu beſuchen, ohne ein Paar Hundert fette Capaunen bey ſich zu haben, womit er ſich, auf ſeiner Reiſe von Cadiz nach Vera-Cruz, wohl weislich zu verſorgen wußte; ſo duͤrfte vielleicht ſeine Philoſophie minder hochtrabend geweſen ſeyn. Was dieſen Ver- dacht gar ſehr beſtaͤtigt, iſt, daß er die Abwechslung in Mexico nicht fand, die er doch zur See ſo haͤufig angetroffen zu haben vorgab. **) Gleich- wohl durchreiſte er daſelbſt große Striche ungebautes Land und weitlaͤuftige Waͤlder, und ſahe die Natur in einem ſehr wilden Zuſtande. Er geſteht zwar, daß ſie reich und ſchoͤn ſey; allein in wenig Tagen ward ihm die Mannigfaltig- keit ihrer Reize ſchon unſchmackhaft und gleichguͤltig; und doch verſichert man uns von dieſem Mann, er ſey zugleich Aſtronom, Botaniſt, Zoolog, Minera- loge, Chymiſt und Philoſoph geweſen! 1773. Novem- ber. Wir unſrer Seits waren, bey der Abreiſe von Neu-Seeland, von der er- habnen Philoſophie des franzoͤſiſchen Abts ſehr weit entfernt. Wenn noch je *) Pag. 22. †) Pag. 13. **) Pag. 22.

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/455>, abgerufen am 22.11.2024.