Vierzehntes Hauptstück. Nachricht von Oster-Eyland und unserm Aufenthalt daselbst.
Am 13ten, früh Morgens, liefen wir dicht unter die südliche Spitze der In-1774. März. sel. Die Küste ragte in dieser Gegend senkrecht aus dem Meer empor, und bestand aus gebrochnen Felsen, deren schwammigte und schwarze eisenfar- bigte Masse volcanischen Ursprungs zu seyn schien. Zwey einzelne Felsen, lagen ohngefähr eine Viertelmeile vor dieser Spitze in See. Einer derselben hatte eine sonderbare Form, er glich nemlich einer großen Spitz-Säule oder Obelisk, und beyde waren von einer ungeheuren Menge Seevögel bewohnt, deren widri- ges Geschrey uns die Ohren betäubte. Nicht lange nachher entdeckten wir eine andre Landspitze, ohngefähr 10 Meilen von der ersten; und hier ward das Land nach dem Ufer herab, etwas flacher und ebener. In dieser Gegend entdeckten wir auch einige bepflanzte Felder; doch schien die Insel, im Ganzen genommen, einen elenden dürren Boden zu haben. Der Pflanzungen waren so wenige, daß wir uns eben keine Hoffnung zu vielen Erfrischungen machen durften; dennoch blieben unsre Augen unabläßig darauf gerichtet. Mittlerweile sahen wir viele, fast ganz nackte Leute eiligst von den Bergen gegen die See herabkommen. So viel wir unterscheiden konnten, waren sie unbewaffnet, welches uns ein Merkmal friedlicher Gesinnungen zu seyn dünkte. Wenig Minuten nachher, schoben sie ein Canot ins Wasser, in welchen sich zwey von ihnen zu uns auf den Weg machten, die indem sie sehr rasch ruderten, in kurzer Zeit neben dem Schiff waren. Sie riefen, wir mögten ihnen einen Strick zu werfen, dessen Benen- nung in ihrer Sprache eben so als in der Tahitischen lautete. So bald wirs gethan hatten, befestigten sie einen großen Klumpen reife Pisangs daran, und winkten nun, daß man den Strick wieder heraufziehen mögte. Welche allge- meine und unvermuthete Freude der Anblick dieser Früchte bey uns verursacht habe, ist kaum zu beschreiben; nur Leute, die eben so elend sind, als wir damals wa- ren, können sich einen richtigen Begriff davon machen. Mehr als funfzig Personen fiengen aus Uebermaaß der Freude auf einmal an, mit den Leuten im
G g g 2
in den Jahren 1772 bis 1775.
Vierzehntes Hauptſtuͤck. Nachricht von Oſter-Eyland und unſerm Aufenthalt daſelbſt.
Am 13ten, fruͤh Morgens, liefen wir dicht unter die ſuͤdliche Spitze der In-1774. Maͤrz. ſel. Die Kuͤſte ragte in dieſer Gegend ſenkrecht aus dem Meer empor, und beſtand aus gebrochnen Felſen, deren ſchwammigte und ſchwarze eiſenfar- bigte Maſſe volcaniſchen Urſprungs zu ſeyn ſchien. Zwey einzelne Felſen, lagen ohngefaͤhr eine Viertelmeile vor dieſer Spitze in See. Einer derſelben hatte eine ſonderbare Form, er glich nemlich einer großen Spitz-Saͤule oder Obelisk, und beyde waren von einer ungeheuren Menge Seevoͤgel bewohnt, deren widri- ges Geſchrey uns die Ohren betaͤubte. Nicht lange nachher entdeckten wir eine andre Landſpitze, ohngefaͤhr 10 Meilen von der erſten; und hier ward das Land nach dem Ufer herab, etwas flacher und ebener. In dieſer Gegend entdeckten wir auch einige bepflanzte Felder; doch ſchien die Inſel, im Ganzen genommen, einen elenden duͤrren Boden zu haben. Der Pflanzungen waren ſo wenige, daß wir uns eben keine Hoffnung zu vielen Erfriſchungen machen durften; dennoch blieben unſre Augen unablaͤßig darauf gerichtet. Mittlerweile ſahen wir viele, faſt ganz nackte Leute eiligſt von den Bergen gegen die See herabkommen. So viel wir unterſcheiden konnten, waren ſie unbewaffnet, welches uns ein Merkmal friedlicher Geſinnungen zu ſeyn duͤnkte. Wenig Minuten nachher, ſchoben ſie ein Canot ins Waſſer, in welchen ſich zwey von ihnen zu uns auf den Weg machten, die indem ſie ſehr raſch ruderten, in kurzer Zeit neben dem Schiff waren. Sie riefen, wir moͤgten ihnen einen Strick zu werfen, deſſen Benen- nung in ihrer Sprache eben ſo als in der Tahitiſchen lautete. So bald wirs gethan hatten, befeſtigten ſie einen großen Klumpen reife Piſangs daran, und winkten nun, daß man den Strick wieder heraufziehen moͤgte. Welche allge- meine und unvermuthete Freude der Anblick dieſer Fruͤchte bey uns verurſacht habe, iſt kaum zu beſchreiben; nur Leute, die eben ſo elend ſind, als wir damals wa- ren, koͤnnen ſich einen richtigen Begriff davon machen. Mehr als funfzig Perſonen fiengen aus Uebermaaß der Freude auf einmal an, mit den Leuten im
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[411[419]/0478]
in den Jahren 1772 bis 1775.
Vierzehntes Hauptſtuͤck.
Nachricht von Oſter-Eyland und unſerm Aufenthalt
daſelbſt.
Am 13ten, fruͤh Morgens, liefen wir dicht unter die ſuͤdliche Spitze der In-
ſel. Die Kuͤſte ragte in dieſer Gegend ſenkrecht aus dem Meer empor,
und beſtand aus gebrochnen Felſen, deren ſchwammigte und ſchwarze eiſenfar-
bigte Maſſe volcaniſchen Urſprungs zu ſeyn ſchien. Zwey einzelne Felſen, lagen
ohngefaͤhr eine Viertelmeile vor dieſer Spitze in See. Einer derſelben hatte
eine ſonderbare Form, er glich nemlich einer großen Spitz-Saͤule oder Obelisk,
und beyde waren von einer ungeheuren Menge Seevoͤgel bewohnt, deren widri-
ges Geſchrey uns die Ohren betaͤubte. Nicht lange nachher entdeckten wir eine
andre Landſpitze, ohngefaͤhr 10 Meilen von der erſten; und hier ward das Land
nach dem Ufer herab, etwas flacher und ebener. In dieſer Gegend entdeckten
wir auch einige bepflanzte Felder; doch ſchien die Inſel, im Ganzen genommen,
einen elenden duͤrren Boden zu haben. Der Pflanzungen waren ſo wenige, daß
wir uns eben keine Hoffnung zu vielen Erfriſchungen machen durften; dennoch
blieben unſre Augen unablaͤßig darauf gerichtet. Mittlerweile ſahen wir
viele, faſt ganz nackte Leute eiligſt von den Bergen gegen die See herabkommen.
So viel wir unterſcheiden konnten, waren ſie unbewaffnet, welches uns ein
Merkmal friedlicher Geſinnungen zu ſeyn duͤnkte. Wenig Minuten nachher,
ſchoben ſie ein Canot ins Waſſer, in welchen ſich zwey von ihnen zu uns auf den
Weg machten, die indem ſie ſehr raſch ruderten, in kurzer Zeit neben dem Schiff
waren. Sie riefen, wir moͤgten ihnen einen Strick zu werfen, deſſen Benen-
nung in ihrer Sprache eben ſo als in der Tahitiſchen lautete. So bald wirs
gethan hatten, befeſtigten ſie einen großen Klumpen reife Piſangs daran, und
winkten nun, daß man den Strick wieder heraufziehen moͤgte. Welche allge-
meine und unvermuthete Freude der Anblick dieſer Fruͤchte bey uns verurſacht habe,
iſt kaum zu beſchreiben; nur Leute, die eben ſo elend ſind, als wir damals wa-
ren, koͤnnen ſich einen richtigen Begriff davon machen. Mehr als funfzig
Perſonen fiengen aus Uebermaaß der Freude auf einmal an, mit den Leuten im
1774.
Maͤrz.
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 411[419]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/478>, abgerufen am 22.11.2024.
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