Am folgenden Morgen nahmen wir einen Spatziergang nach Süden vor, und fanden daselbst sehr fruchtbare Gegenden und sehr gastfreye Leute. Der Weg führte uns zu einem großen steinernen Gebäude, das Marai no Parua, Parua's Begräbnißplatz, genannt ward. Ich habe bereits erwähnt, daß Tu- paya, der sich bey Capitain Cooks erstern Reise, auf der Endeavour mit ein- geschifft hatte, eben auch diesen Namen führte; ob aber dies Grabmal ihm zum Andenken errichtet worden sey? kann ich nicht sagen. Sonst pflegen derglei- chen Marais gemeiniglich nach lebenden Befehlshabern benannt zu wer- den; und also mag noch wohl jetzt einer, Namens Parua, allhier vor- handen seyn. Wenigstens versicherten die hier herum wohnenden Indianer, daß der Parua dem dies Grabmal zugehöre, ein Erisey, welchen Titel man jedoch dem Tupaya nicht durchgehends zugestehen wollte. Dies Gebäude war 60 Fus lang und 5 Fus breit. Die Mauern bestanden aus großen Steinen und hatten ohngefähr 6 bis 8 Fus Höhe. Wir kletterten darüber weg, fanden aber den in- nern Bezirk oder Hof blos mit einem Haufen kleiner Corallen-Steine angefüllt.
Etliche Meilen weiter gelangten wir an eine geräumige Bay, wo inner- halb des Riefs drey kleine Inseln vorhanden sind. Die Bay war überall mit Sumpf umgeben, darinn eine Menge von wilden Endten ihren Aüfenthalt ge- nommen hatte. Diese Gelegenheit zur Jagd ließen wir nicht ungenutzt und fuhren alsdann, in zwey kleinen Canots, nach einer von den vorgedachten Inseln hinüber, um zu sehen, ob die See dort etwa Muscheln an den Strand geworfenhätte? Allein, diese Hoffnung schlug uns fehl; denn außer einer einzigen Hütte, welche, wie man aus denen darinn aufbewahrten Netzen und andren Fischer-Geräthschaften schließen konnte, blos zum Behuf des Fischfanges angelegt zu seyn schien, war nichts als etliche Cocos-Palmen und niedriges Gebüsch daselbst zu finden. Wir kehrten also mit leeren Händen zurück, speißten bey einem Indianer, der uns eingeladen hatte und langten erst gegen Sonnen-Untergang wieder auf dem Schiffe an. Orea hatte sich in unsrer Abwesenheit bey Capitain Cook zu Gast gebeten und eine ganze Bouteille Wein getrunken, ohne davon im mindesten berauscht zu scheinen. Doch war er, wie immer, sehr gesprächig gewesen, und hatte sich hauptsächlich über die Merkwürdigkeiten der Länder unterhalten, welche wir auf unsrer Reife be- sucht, und wovon ihm sein Landsmann Maheine so manches erzählt hatte.
Forſter’s Reiſe um die Welt
1774. May.
Am folgenden Morgen nahmen wir einen Spatziergang nach Suͤden vor, und fanden daſelbſt ſehr fruchtbare Gegenden und ſehr gaſtfreye Leute. Der Weg fuͤhrte uns zu einem großen ſteinernen Gebaͤude, das Marai no Parua, Parua’s Begraͤbnißplatz, genannt ward. Ich habe bereits erwaͤhnt, daß Tu- paya, der ſich bey Capitain Cooks erſtern Reiſe, auf der Endeavour mit ein- geſchifft hatte, eben auch dieſen Namen fuͤhrte; ob aber dies Grabmal ihm zum Andenken errichtet worden ſey? kann ich nicht ſagen. Sonſt pflegen derglei- chen Maraïs gemeiniglich nach lebenden Befehlshabern benannt zu wer- den; und alſo mag noch wohl jetzt einer, Namens Parua, allhier vor- handen ſeyn. Wenigſtens verſicherten die hier herum wohnenden Indianer, daß der Parua dem dies Grabmal zugehoͤre, ein Eriſey, welchen Titel man jedoch dem Tupaya nicht durchgehends zugeſtehen wollte. Dies Gebaͤude war 60 Fus lang und 5 Fus breit. Die Mauern beſtanden aus großen Steinen und hatten ohngefaͤhr 6 bis 8 Fus Hoͤhe. Wir kletterten daruͤber weg, fanden aber den in- nern Bezirk oder Hof blos mit einem Haufen kleiner Corallen-Steine angefuͤllt.
Etliche Meilen weiter gelangten wir an eine geraͤumige Bay, wo inner- halb des Riefs drey kleine Inſeln vorhanden ſind. Die Bay war uͤberall mit Sumpf umgeben, darinn eine Menge von wilden Endten ihren Auͤfenthalt ge- nommen hatte. Dieſe Gelegenheit zur Jagd ließen wir nicht ungenutzt und fuhren alsdann, in zwey kleinen Canots, nach einer von den vorgedachten Inſeln hinuͤber, um zu ſehen, ob die See dort etwa Muſcheln an den Strand geworfenhaͤtte? Allein, dieſe Hoffnung ſchlug uns fehl; denn außer einer einzigen Huͤtte, welche, wie man aus denen darinn aufbewahrten Netzen und andren Fiſcher-Geraͤthſchaften ſchließen konnte, blos zum Behuf des Fiſchfanges angelegt zu ſeyn ſchien, war nichts als etliche Cocos-Palmen und niedriges Gebuͤſch daſelbſt zu finden. Wir kehrten alſo mit leeren Haͤnden zuruͤck, ſpeißten bey einem Indianer, der uns eingeladen hatte und langten erſt gegen Sonnen-Untergang wieder auf dem Schiffe an. Orea hatte ſich in unſrer Abweſenheit bey Capitain Cook zu Gaſt gebeten und eine ganze Bouteille Wein getrunken, ohne davon im mindeſten berauſcht zu ſcheinen. Doch war er, wie immer, ſehr geſpraͤchig geweſen, und hatte ſich hauptſaͤchlich uͤber die Merkwuͤrdigkeiten der Laͤnder unterhalten, welche wir auf unſrer Reife be- ſucht, und wovon ihm ſein Landsmann Maheine ſo manches erzaͤhlt hatte.
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Forſter’s Reiſe um die Welt
Am folgenden Morgen nahmen wir einen Spatziergang nach Suͤden vor,
und fanden daſelbſt ſehr fruchtbare Gegenden und ſehr gaſtfreye Leute. Der
Weg fuͤhrte uns zu einem großen ſteinernen Gebaͤude, das Marai no Parua,
Parua’s Begraͤbnißplatz, genannt ward. Ich habe bereits erwaͤhnt, daß Tu-
paya, der ſich bey Capitain Cooks erſtern Reiſe, auf der Endeavour mit ein-
geſchifft hatte, eben auch dieſen Namen fuͤhrte; ob aber dies Grabmal ihm zum
Andenken errichtet worden ſey? kann ich nicht ſagen. Sonſt pflegen derglei-
chen Maraïs gemeiniglich nach lebenden Befehlshabern benannt zu wer-
den; und alſo mag noch wohl jetzt einer, Namens Parua, allhier vor-
handen ſeyn. Wenigſtens verſicherten die hier herum wohnenden Indianer,
daß der Parua dem dies Grabmal zugehoͤre, ein Eriſey, welchen Titel man jedoch
dem Tupaya nicht durchgehends zugeſtehen wollte. Dies Gebaͤude war 60 Fus
lang und 5 Fus breit. Die Mauern beſtanden aus großen Steinen und hatten
ohngefaͤhr 6 bis 8 Fus Hoͤhe. Wir kletterten daruͤber weg, fanden aber den in-
nern Bezirk oder Hof blos mit einem Haufen kleiner Corallen-Steine angefuͤllt.
Etliche Meilen weiter gelangten wir an eine geraͤumige Bay, wo inner-
halb des Riefs drey kleine Inſeln vorhanden ſind. Die Bay war uͤberall mit
Sumpf umgeben, darinn eine Menge von wilden Endten ihren Auͤfenthalt ge-
nommen hatte. Dieſe Gelegenheit zur Jagd ließen wir nicht ungenutzt und fuhren
alsdann, in zwey kleinen Canots, nach einer von den vorgedachten Inſeln hinuͤber,
um zu ſehen, ob die See dort etwa Muſcheln an den Strand geworfenhaͤtte? Allein,
dieſe Hoffnung ſchlug uns fehl; denn außer einer einzigen Huͤtte, welche, wie man aus
denen darinn aufbewahrten Netzen und andren Fiſcher-Geraͤthſchaften ſchließen
konnte, blos zum Behuf des Fiſchfanges angelegt zu ſeyn ſchien, war nichts als etliche
Cocos-Palmen und niedriges Gebuͤſch daſelbſt zu finden. Wir kehrten alſo mit
leeren Haͤnden zuruͤck, ſpeißten bey einem Indianer, der uns eingeladen hatte und
langten erſt gegen Sonnen-Untergang wieder auf dem Schiffe an. Orea hatte
ſich in unſrer Abweſenheit bey Capitain Cook zu Gaſt gebeten und eine ganze
Bouteille Wein getrunken, ohne davon im mindeſten berauſcht zu ſcheinen. Doch
war er, wie immer, ſehr geſpraͤchig geweſen, und hatte ſich hauptſaͤchlich uͤber
die Merkwuͤrdigkeiten der Laͤnder unterhalten, welche wir auf unſrer Reife be-
ſucht, und wovon ihm ſein Landsmann Maheine ſo manches erzaͤhlt hatte.
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/120>, abgerufen am 25.11.2024.
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