Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.Forster's Reise um die Welt 1774.Junius."Eatua hinzugeben, und blieb bey seinem Taata-ino. Um gewisser zu seyn, "verlangte ich noch zu erfahren, ob ein ehrlicher, unbescholtner Tautau, d. i. "Kerl vom gemeinen Volk der weder Schweine, noch Hunde, noch Hühner "hat, dem Eatua geopfert würde? Ich bekam aber immer die erste Aussage "zu hören, man opfere nur Bösewichter. Nach einigen andern Fragen, die "ich noch an ihn that, glaubte ich endlich so viel verstanden zu haben, daß Men- "schen, für gewisse Uebelthaten und Laster, den Göttern zum Opfer verurtheilt "werden, wenn sie nemlich nicht im Stande sind, sich durch irgend etwas aus- "zulösen oder loszukaufen, dergleichen Leute aber wohl nur in der niedrigsten "Klasse des Volks anzutreffen seyn. "Der Mann, den ich hierüber befragte, gab sich Mühe, die ganze Ce- Ich habe bey dieser Erzählung des Capitain Cook nichts zu erinnern, als Forſter’s Reiſe um die Welt 1774.Junius.„Eatua hinzugeben, und blieb bey ſeinem Taata-ino. Um gewiſſer zu ſeyn, „verlangte ich noch zu erfahren, ob ein ehrlicher, unbeſcholtner Tautau, d. i. „Kerl vom gemeinen Volk der weder Schweine, noch Hunde, noch Huͤhner „hat, dem Eatua geopfert wuͤrde? Ich bekam aber immer die erſte Ausſage „zu hoͤren, man opfere nur Boͤſewichter. Nach einigen andern Fragen, die „ich noch an ihn that, glaubte ich endlich ſo viel verſtanden zu haben, daß Men- „ſchen, fuͤr gewiſſe Uebelthaten und Laſter, den Goͤttern zum Opfer verurtheilt „werden, wenn ſie nemlich nicht im Stande ſind, ſich durch irgend etwas aus- „zuloͤſen oder loszukaufen, dergleichen Leute aber wohl nur in der niedrigſten „Klaſſe des Volks anzutreffen ſeyn. „Der Mann, den ich hieruͤber befragte, gab ſich Muͤhe, die ganze Ce- Ich habe bey dieſer Erzaͤhlung des Capitain Cook nichts zu erinnern, als <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0134" n="122"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>Forſter’s</persName> Reiſe um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1774.<lb/> Junius.</note>„<hi rendition="#fr">Eatua</hi> hinzugeben, und blieb bey ſeinem <hi rendition="#fr">Taata-ino</hi>. Um gewiſſer zu ſeyn,<lb/> „verlangte ich noch zu erfahren, ob ein ehrlicher, unbeſcholtner <hi rendition="#fr">Tautau</hi>, d. i.<lb/> „Kerl vom gemeinen Volk der weder Schweine, noch Hunde, noch Huͤhner<lb/> „hat, dem <hi rendition="#fr">Eatua</hi> geopfert wuͤrde? Ich bekam aber immer die erſte Ausſage<lb/> „zu hoͤren, man opfere nur Boͤſewichter. Nach einigen andern Fragen, die<lb/> „ich noch an ihn that, glaubte ich endlich ſo viel verſtanden zu haben, daß Men-<lb/> „ſchen, fuͤr gewiſſe Uebelthaten und Laſter, den Goͤttern zum Opfer verurtheilt<lb/> „werden, wenn ſie nemlich nicht im Stande ſind, ſich durch irgend etwas aus-<lb/> „zuloͤſen oder loszukaufen, dergleichen Leute aber wohl nur in der niedrigſten<lb/> „Klaſſe des Volks anzutreffen ſeyn.</p><lb/> <p>„Der Mann, den ich hieruͤber befragte, gab ſich Muͤhe, die ganze Ce-<lb/> „remonie zu beſchreiben; allein wir waren der Sprache noch nicht kundig genug,<lb/> „um ihn durchaus zu verſtehen. Nachher habe ich von <hi rendition="#fr">Omai</hi> erfahren, daß<lb/> „ſie dem hoͤchſten Weſen wirklich Menſchen-Opfer darbringen. Seiner Aus-<lb/> „ſage zufolge, kommt es aber blos auf den Hohenprieſter an, wen er zum<lb/> „Opfer waͤhlen will. Wenn das Volk verſammelt iſt, geht er allein in das<lb/> „Haus Gottes, und bleibt da eine Zeitlang. So bald er wieder heraustritt,<lb/> „erzaͤhlt er, daß er den großen Gott geſehn und geſprochen (ein Vorrecht, das<lb/> „dem Hohenprieſter nur allein zuſteht) und daß dieſer einen Menſchen zum Opfer<lb/> „verlangt habe. Er ſagt ihnen hierauf namentlich, wen dies traurige Loos<lb/> „getroffen habe, vermuthlich aber faͤllt dieſe Wahl allemal auf jemand, der dem<lb/> „Prieſter gehaͤßig iſt. Der wird dann ſogleich erſchlagen, und wenn es allen-<lb/> „falls noͤthig ſeyn ſollte, ſo wird der Prieſter wohl ſo viel Verſchlagenheit be-<lb/> „ſitzen, um dem Volk einzureden, der Kerl ſey ein Boͤſewicht geweſen.„</p><lb/> <p>Ich habe bey dieſer Erzaͤhlung des Capitain <hi rendition="#fr"><persName>Cook</persName></hi> nichts zu erinnern, als<lb/> daß der Ausdruck, der Hoheprieſter habe Gott <hi rendition="#fr">geſehen</hi>, mit der Tahitiſchen Goͤtter-<lb/> lehre nicht genau uͤbereinſtimmt, als wornach die Gottheit unſichtbar iſt; doch mag<lb/> wohl dieſer Ausdruck nur nicht recht von ihm verſtanden worden ſeyn. Uebrigens<lb/> ſtimmt dieſe Bemerkung uͤber die Opfer ſehr gut mit der Vermuthung uͤberein,<lb/> die ich weiter oben <hi rendition="#aq">p.</hi> 58. u. f. geaͤußert habe, daß die <hi rendition="#fr">Tahitier</hi> wohl ehemals<lb/> Menſchenfreſſer geweſen ſeyn koͤnnen. Denn es iſt bekannt, daß dieſe Art von Bar-<lb/> barey bey allen Nationen in den Gebrauch uͤbergegangen ſey, Menſchen zu<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [122/0134]
Forſter’s Reiſe um die Welt
„Eatua hinzugeben, und blieb bey ſeinem Taata-ino. Um gewiſſer zu ſeyn,
„verlangte ich noch zu erfahren, ob ein ehrlicher, unbeſcholtner Tautau, d. i.
„Kerl vom gemeinen Volk der weder Schweine, noch Hunde, noch Huͤhner
„hat, dem Eatua geopfert wuͤrde? Ich bekam aber immer die erſte Ausſage
„zu hoͤren, man opfere nur Boͤſewichter. Nach einigen andern Fragen, die
„ich noch an ihn that, glaubte ich endlich ſo viel verſtanden zu haben, daß Men-
„ſchen, fuͤr gewiſſe Uebelthaten und Laſter, den Goͤttern zum Opfer verurtheilt
„werden, wenn ſie nemlich nicht im Stande ſind, ſich durch irgend etwas aus-
„zuloͤſen oder loszukaufen, dergleichen Leute aber wohl nur in der niedrigſten
„Klaſſe des Volks anzutreffen ſeyn.
1774.
Junius.
„Der Mann, den ich hieruͤber befragte, gab ſich Muͤhe, die ganze Ce-
„remonie zu beſchreiben; allein wir waren der Sprache noch nicht kundig genug,
„um ihn durchaus zu verſtehen. Nachher habe ich von Omai erfahren, daß
„ſie dem hoͤchſten Weſen wirklich Menſchen-Opfer darbringen. Seiner Aus-
„ſage zufolge, kommt es aber blos auf den Hohenprieſter an, wen er zum
„Opfer waͤhlen will. Wenn das Volk verſammelt iſt, geht er allein in das
„Haus Gottes, und bleibt da eine Zeitlang. So bald er wieder heraustritt,
„erzaͤhlt er, daß er den großen Gott geſehn und geſprochen (ein Vorrecht, das
„dem Hohenprieſter nur allein zuſteht) und daß dieſer einen Menſchen zum Opfer
„verlangt habe. Er ſagt ihnen hierauf namentlich, wen dies traurige Loos
„getroffen habe, vermuthlich aber faͤllt dieſe Wahl allemal auf jemand, der dem
„Prieſter gehaͤßig iſt. Der wird dann ſogleich erſchlagen, und wenn es allen-
„falls noͤthig ſeyn ſollte, ſo wird der Prieſter wohl ſo viel Verſchlagenheit be-
„ſitzen, um dem Volk einzureden, der Kerl ſey ein Boͤſewicht geweſen.„
Ich habe bey dieſer Erzaͤhlung des Capitain Cook nichts zu erinnern, als
daß der Ausdruck, der Hoheprieſter habe Gott geſehen, mit der Tahitiſchen Goͤtter-
lehre nicht genau uͤbereinſtimmt, als wornach die Gottheit unſichtbar iſt; doch mag
wohl dieſer Ausdruck nur nicht recht von ihm verſtanden worden ſeyn. Uebrigens
ſtimmt dieſe Bemerkung uͤber die Opfer ſehr gut mit der Vermuthung uͤberein,
die ich weiter oben p. 58. u. f. geaͤußert habe, daß die Tahitier wohl ehemals
Menſchenfreſſer geweſen ſeyn koͤnnen. Denn es iſt bekannt, daß dieſe Art von Bar-
barey bey allen Nationen in den Gebrauch uͤbergegangen ſey, Menſchen zu
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