Eine Windstille, von der wir am 24sten unterm 17ten Grade südlicher Breite überfallen wurden, schien das Uebel zu vermehren. Die Kranken ver- schlimmerten sich dabey augenscheinlich; unter andern mußte auch Capitain Cook, einiger höchst gefährlichen Zufälle wegen, von neuem das Bett hüten. Indes- sen stellte sich schon am Nachmittag wieder guter Wind ein, und weil er bin- nen ein Paar Tagen immer frischer wurde; so ward auch die Luft sehr ange- nehm abgekühlet. Das bekam denen die am Gallenfieber darnieder lagen un- gemein! Sie erschienen halb aufgelebt wieder auf dem Verdeck, und suchten, so viel die erlittne Entkräftung es gestatten wollte, von neuem herum zu gehen oder vielmehr zu schleichen.
Mein Vater ließ seinen Tahitischen Hund, den einzigen, der noch am Boord war, abschlachten, um dem Capitain Cook, wenigstens einige Tage lang, Brühe und frisches Fleisch zu verschaffen, denn von dem gewöhnlichen Schiffs- proviant durfte er nicht essen, und wir hielten uns für sehr glücklich, daß wir zur Wiederherstellung eines Mannes etwas beytragen konnten, auf den alles fer- nere Glück der Reise zu beruhen schien.
Seitdem wir Oster-Eyland verlassen hatten, sahen wir täglich Tropi- sche- und Sturmvögel (Shearwaters or Puffins of the Isle of Man*) scheuchten auch manchen Schwarm fliegender Fische zum Wasser heraus. Letz- tere zeigten sich am 27sten außerordentlich häufig; sie waren aber alle klein, der größte nicht über Fingers lang, und die kleinsten hatten kaum die Länge von ein- oder anderthalb Zoll. Wir befanden uns damals zu Mittag unter 13°. 13'. südlicher Breite.
Auf die Meeresstille vom 24sten, folgte ein anhaltender starker Ostwind, der unsern Lauf sehr begünstigte. Das Wetter war zugleich so klar, daß das Seewasser, welches mit der Heiterkeit der Luft in genauem Ver- hältniß zu stehen pflegt, eine schöne, hochblaue Farbe hatte. Wir sa- hen von Zeit zu Zeit Doraden, Bonniten und Hayfische; und mancherley Vögel, die auf die fliegenden Fische Jagd machten, belebten die Aussicht.
*Procellaria Puffinus.
Forſter’s Reiſe um die Welt
1774. Maͤrz.
Eine Windſtille, von der wir am 24ſten unterm 17ten Grade ſuͤdlicher Breite uͤberfallen wurden, ſchien das Uebel zu vermehren. Die Kranken ver- ſchlimmerten ſich dabey augenſcheinlich; unter andern mußte auch Capitain Cook, einiger hoͤchſt gefaͤhrlichen Zufaͤlle wegen, von neuem das Bett huͤten. Indeſ- ſen ſtellte ſich ſchon am Nachmittag wieder guter Wind ein, und weil er bin- nen ein Paar Tagen immer friſcher wurde; ſo ward auch die Luft ſehr ange- nehm abgekuͤhlet. Das bekam denen die am Gallenfieber darnieder lagen un- gemein! Sie erſchienen halb aufgelebt wieder auf dem Verdeck, und ſuchten, ſo viel die erlittne Entkraͤftung es geſtatten wollte, von neuem herum zu gehen oder vielmehr zu ſchleichen.
Mein Vater ließ ſeinen Tahitiſchen Hund, den einzigen, der noch am Boord war, abſchlachten, um dem Capitain Cook, wenigſtens einige Tage lang, Bruͤhe und friſches Fleiſch zu verſchaffen, denn von dem gewoͤhnlichen Schiffs- proviant durfte er nicht eſſen, und wir hielten uns fuͤr ſehr gluͤcklich, daß wir zur Wiederherſtellung eines Mannes etwas beytragen konnten, auf den alles fer- nere Gluͤck der Reiſe zu beruhen ſchien.
Seitdem wir Oſter-Eyland verlaſſen hatten, ſahen wir taͤglich Tropi- ſche- und Sturmvoͤgel (Shearwaters or Puffins of the Isle of Man*) ſcheuchten auch manchen Schwarm fliegender Fiſche zum Waſſer heraus. Letz- tere zeigten ſich am 27ſten außerordentlich haͤufig; ſie waren aber alle klein, der groͤßte nicht uͤber Fingers lang, und die kleinſten hatten kaum die Laͤnge von ein- oder anderthalb Zoll. Wir befanden uns damals zu Mittag unter 13°. 13′. ſuͤdlicher Breite.
Auf die Meeresſtille vom 24ſten, folgte ein anhaltender ſtarker Oſtwind, der unſern Lauf ſehr beguͤnſtigte. Das Wetter war zugleich ſo klar, daß das Seewaſſer, welches mit der Heiterkeit der Luft in genauem Ver- haͤltniß zu ſtehen pflegt, eine ſchoͤne, hochblaue Farbe hatte. Wir ſa- hen von Zeit zu Zeit Doraden, Bonniten und Hayfiſche; und mancherley Voͤgel, die auf die fliegenden Fiſche Jagd machten, belebten die Ausſicht.
*Procellaria Puffinus.
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Forſter’s Reiſe um die Welt
Eine Windſtille, von der wir am 24ſten unterm 17ten Grade ſuͤdlicher
Breite uͤberfallen wurden, ſchien das Uebel zu vermehren. Die Kranken ver-
ſchlimmerten ſich dabey augenſcheinlich; unter andern mußte auch Capitain Cook,
einiger hoͤchſt gefaͤhrlichen Zufaͤlle wegen, von neuem das Bett huͤten. Indeſ-
ſen ſtellte ſich ſchon am Nachmittag wieder guter Wind ein, und weil er bin-
nen ein Paar Tagen immer friſcher wurde; ſo ward auch die Luft ſehr ange-
nehm abgekuͤhlet. Das bekam denen die am Gallenfieber darnieder lagen un-
gemein! Sie erſchienen halb aufgelebt wieder auf dem Verdeck, und ſuchten,
ſo viel die erlittne Entkraͤftung es geſtatten wollte, von neuem herum zu gehen
oder vielmehr zu ſchleichen.
Mein Vater ließ ſeinen Tahitiſchen Hund, den einzigen, der noch am
Boord war, abſchlachten, um dem Capitain Cook, wenigſtens einige Tage lang,
Bruͤhe und friſches Fleiſch zu verſchaffen, denn von dem gewoͤhnlichen Schiffs-
proviant durfte er nicht eſſen, und wir hielten uns fuͤr ſehr gluͤcklich, daß wir
zur Wiederherſtellung eines Mannes etwas beytragen konnten, auf den alles fer-
nere Gluͤck der Reiſe zu beruhen ſchien.
Seitdem wir Oſter-Eyland verlaſſen hatten, ſahen wir taͤglich Tropi-
ſche- und Sturmvoͤgel (Shearwaters or Puffins of the Isle of Man *)
ſcheuchten auch manchen Schwarm fliegender Fiſche zum Waſſer heraus. Letz-
tere zeigten ſich am 27ſten außerordentlich haͤufig; ſie waren aber alle klein, der
groͤßte nicht uͤber Fingers lang, und die kleinſten hatten kaum die Laͤnge von ein-
oder anderthalb Zoll. Wir befanden uns damals zu Mittag unter 13°. 13′.
ſuͤdlicher Breite.
Auf die Meeresſtille vom 24ſten, folgte ein anhaltender ſtarker
Oſtwind, der unſern Lauf ſehr beguͤnſtigte. Das Wetter war zugleich ſo
klar, daß das Seewaſſer, welches mit der Heiterkeit der Luft in genauem Ver-
haͤltniß zu ſtehen pflegt, eine ſchoͤne, hochblaue Farbe hatte. Wir ſa-
hen von Zeit zu Zeit Doraden, Bonniten und Hayfiſche; und mancherley
Voͤgel, die auf die fliegenden Fiſche Jagd machten, belebten die Ausſicht.
* Procellaria Puffinus.
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/14>, abgerufen am 21.11.2024.
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