Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite
in den Jahren 1772 bis 1775.

Seit unserer Ankunft im Haven, hatten die Indianer das Schiff von1774.
Julius.

allen Seiten umringt, und schwatzten so lebhaft und aufgeräumt untereinander,
daß es eine Frende war. Kaum sahen wir einem ins Gesicht, so plauderte er
uns ohne Ende und Aufhören etwas vor, fletschte auch wohl, aus Freundlich-
keit, obgleich nicht viel besser als Miltons Tod, die Zähne dazu. Dieser Um-
stand, nebst ihrer schlanken Gestalt, Häßlichkeit und schwarzen Farbe, machte,
daß sie uns beynahe als ein Affen-Geschlecht vorkamen. Doch sollte es mir
herzlich leid thun, Herrn Rousseau und den seichten Köpfen die ihm nachbe-
ten, durch diesen Gedanken auch nur einen Schattengrund für sein Orang-
Outang-System angegeben zu haben; ich halte vielmehr den Mann für beklagens-
werth, der sich und seine Verstandes-Kräfte so sehr vergessen und sich selbst bis
zu den Pavianen herabsetzen konnte.

Als es dunkel wurde, kehrten die Indianer nach dem Lande zurück,
und zündeten daselbst eine Menge von Feuern an, neben welchen man sie noch im-
mer, so laut als zuvor, fortschwatzen hörte. Es war auch als ob sie des Redens
gar nicht satt werden könnten, denn am späten Abend kamen sie in ihren Canots mit
brennenden Feuerbränden schon wieder ans Schiff, um sich von neuem mit uns
ins Gespräch einzulassen. Ihrer Seits fehlte es dazu freylich nicht an Worten
und gutem Willen; desto mißlicher aber sahe es bey uns mit den Antworten aus.
Der Abend war indessen sehr schön und windstill, auch blickte der Mond zuweilen
aus den Wolken hervor. Da sie nun fanden, daß wir nicht so schwatzhaft wa-
ren, als sie selbst, so bothen sie ihre Pfeile und andre Kleinigkeiten zum Ver-
kauf aus; allein der Capitain befahl, daß, um ihrer los zu werden, platterdings
nichts eingekauft werden sollte. Es war uns ganz etwas ungewöhnliches und
neues, so spät noch einen Indianer munter und auf dem Wasser zu sehen.
Unterschiedne von uns meynten, daß sie bey diesem nächtlichen Besuch nur
ausforschen wollten, ob wir auf unsrer Hut wären: Gleichwohl hatten sie durch
ihr bisheriges Betragen zu einem solchen Verdacht gar nicht Anlaß gegeben. Als
sie endlich merkten, daß wir eben so wenig zum Handel als zum Schwatzen auf-
gelegt waren; so giengen sie gegen Mitternacht wieder ans Land, jedoch nicht der
Ruhe wegen, denn man hörte sie die ganze Nacht über singen und trommeln

X 3
in den Jahren 1772 bis 1775.

Seit unſerer Ankunft im Haven, hatten die Indianer das Schiff von1774.
Julius.

allen Seiten umringt, und ſchwatzten ſo lebhaft und aufgeraͤumt untereinander,
daß es eine Frende war. Kaum ſahen wir einem ins Geſicht, ſo plauderte er
uns ohne Ende und Aufhoͤren etwas vor, fletſchte auch wohl, aus Freundlich-
keit, obgleich nicht viel beſſer als Miltons Tod, die Zaͤhne dazu. Dieſer Um-
ſtand, nebſt ihrer ſchlanken Geſtalt, Haͤßlichkeit und ſchwarzen Farbe, machte,
daß ſie uns beynahe als ein Affen-Geſchlecht vorkamen. Doch ſollte es mir
herzlich leid thun, Herrn Rouſſeau und den ſeichten Koͤpfen die ihm nachbe-
ten, durch dieſen Gedanken auch nur einen Schattengrund fuͤr ſein Orang-
Outang-Syſtem angegeben zu haben; ich halte vielmehr den Mann fuͤr beklagens-
werth, der ſich und ſeine Verſtandes-Kraͤfte ſo ſehr vergeſſen und ſich ſelbſt bis
zu den Pavianen herabſetzen konnte.

Als es dunkel wurde, kehrten die Indianer nach dem Lande zuruͤck,
und zuͤndeten daſelbſt eine Menge von Feuern an, neben welchen man ſie noch im-
mer, ſo laut als zuvor, fortſchwatzen hoͤrte. Es war auch als ob ſie des Redens
gar nicht ſatt werden koͤnnten, denn am ſpaͤten Abend kamen ſie in ihren Canots mit
brennenden Feuerbraͤnden ſchon wieder ans Schiff, um ſich von neuem mit uns
ins Geſpraͤch einzulaſſen. Ihrer Seits fehlte es dazu freylich nicht an Worten
und gutem Willen; deſto mißlicher aber ſahe es bey uns mit den Antworten aus.
Der Abend war indeſſen ſehr ſchoͤn und windſtill, auch blickte der Mond zuweilen
aus den Wolken hervor. Da ſie nun fanden, daß wir nicht ſo ſchwatzhaft wa-
ren, als ſie ſelbſt, ſo bothen ſie ihre Pfeile und andre Kleinigkeiten zum Ver-
kauf aus; allein der Capitain befahl, daß, um ihrer los zu werden, platterdings
nichts eingekauft werden ſollte. Es war uns ganz etwas ungewoͤhnliches und
neues, ſo ſpaͤt noch einen Indianer munter und auf dem Waſſer zu ſehen.
Unterſchiedne von uns meynten, daß ſie bey dieſem naͤchtlichen Beſuch nur
ausforſchen wollten, ob wir auf unſrer Hut waͤren: Gleichwohl hatten ſie durch
ihr bisheriges Betragen zu einem ſolchen Verdacht gar nicht Anlaß gegeben. Als
ſie endlich merkten, daß wir eben ſo wenig zum Handel als zum Schwatzen auf-
gelegt waren; ſo giengen ſie gegen Mitternacht wieder ans Land, jedoch nicht der
Ruhe wegen, denn man hoͤrte ſie die ganze Nacht uͤber ſingen und trommeln

X 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0177" n="165"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">in den Jahren 1772 bis 1775.</hi> </fw><lb/>
        <p>Seit un&#x017F;erer Ankunft im Haven, hatten die Indianer das Schiff von<note place="right">1774.<lb/>
Julius.</note><lb/>
allen Seiten umringt, und &#x017F;chwatzten &#x017F;o lebhaft und aufgera&#x0364;umt untereinander,<lb/>
daß es eine Frende war. Kaum &#x017F;ahen wir einem ins Ge&#x017F;icht, &#x017F;o plauderte er<lb/>
uns ohne Ende und Aufho&#x0364;ren etwas vor, flet&#x017F;chte auch wohl, aus Freundlich-<lb/>
keit, obgleich nicht viel be&#x017F;&#x017F;er als <hi rendition="#fr"><persName>Miltons</persName></hi> Tod, die Za&#x0364;hne dazu. Die&#x017F;er Um-<lb/>
&#x017F;tand, neb&#x017F;t ihrer &#x017F;chlanken Ge&#x017F;talt, Ha&#x0364;ßlichkeit und &#x017F;chwarzen Farbe, machte,<lb/>
daß &#x017F;ie uns beynahe als ein Affen-Ge&#x017F;chlecht vorkamen. Doch &#x017F;ollte es mir<lb/>
herzlich leid thun, Herrn <hi rendition="#fr"><persName>Rou&#x017F;&#x017F;eau</persName></hi> und den &#x017F;eichten Ko&#x0364;pfen die ihm nachbe-<lb/>
ten, durch die&#x017F;en Gedanken auch nur einen Schattengrund fu&#x0364;r &#x017F;ein Orang-<lb/>
Outang-Sy&#x017F;tem angegeben zu haben; ich halte vielmehr den Mann fu&#x0364;r beklagens-<lb/>
werth, der &#x017F;ich und &#x017F;eine Ver&#x017F;tandes-Kra&#x0364;fte &#x017F;o &#x017F;ehr verge&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t bis<lb/>
zu den Pavianen herab&#x017F;etzen konnte.</p><lb/>
        <p>Als es dunkel wurde, kehrten die Indianer nach dem Lande zuru&#x0364;ck,<lb/>
und zu&#x0364;ndeten da&#x017F;elb&#x017F;t eine Menge von Feuern an, neben welchen man &#x017F;ie noch im-<lb/>
mer, &#x017F;o laut als zuvor, fort&#x017F;chwatzen ho&#x0364;rte. Es war auch als ob &#x017F;ie des Redens<lb/>
gar nicht &#x017F;att werden ko&#x0364;nnten, denn am &#x017F;pa&#x0364;ten Abend kamen &#x017F;ie in ihren Canots mit<lb/>
brennenden Feuerbra&#x0364;nden &#x017F;chon wieder ans Schiff, um &#x017F;ich von neuem mit uns<lb/>
ins Ge&#x017F;pra&#x0364;ch einzula&#x017F;&#x017F;en. Ihrer Seits fehlte es dazu freylich nicht an Worten<lb/>
und gutem Willen; de&#x017F;to mißlicher aber &#x017F;ahe es bey uns mit den Antworten aus.<lb/>
Der Abend war inde&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ehr &#x017F;cho&#x0364;n und wind&#x017F;till, auch blickte der Mond zuweilen<lb/>
aus den Wolken hervor. Da &#x017F;ie nun fanden, daß wir nicht &#x017F;o &#x017F;chwatzhaft wa-<lb/>
ren, als &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t, &#x017F;o bothen &#x017F;ie ihre Pfeile und andre Kleinigkeiten zum Ver-<lb/>
kauf aus; allein der Capitain befahl, daß, um ihrer los zu werden, platterdings<lb/>
nichts eingekauft werden &#x017F;ollte. Es war uns ganz etwas ungewo&#x0364;hnliches und<lb/>
neues, &#x017F;o &#x017F;pa&#x0364;t noch einen Indianer munter und auf dem Wa&#x017F;&#x017F;er zu &#x017F;ehen.<lb/>
Unter&#x017F;chiedne von uns meynten, daß &#x017F;ie bey die&#x017F;em na&#x0364;chtlichen Be&#x017F;uch nur<lb/>
ausfor&#x017F;chen wollten, ob wir auf un&#x017F;rer Hut wa&#x0364;ren: Gleichwohl hatten &#x017F;ie durch<lb/>
ihr bisheriges Betragen zu einem &#x017F;olchen Verdacht gar nicht Anlaß gegeben. Als<lb/>
&#x017F;ie endlich merkten, daß wir eben &#x017F;o wenig zum Handel als zum Schwatzen auf-<lb/>
gelegt waren; &#x017F;o giengen &#x017F;ie gegen Mitternacht wieder ans Land, jedoch nicht der<lb/>
Ruhe wegen, denn man ho&#x0364;rte &#x017F;ie die ganze Nacht u&#x0364;ber &#x017F;ingen und <choice><sic>trommmeln</sic><corr>trommeln</corr></choice><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">X 3</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[165/0177] in den Jahren 1772 bis 1775. Seit unſerer Ankunft im Haven, hatten die Indianer das Schiff von allen Seiten umringt, und ſchwatzten ſo lebhaft und aufgeraͤumt untereinander, daß es eine Frende war. Kaum ſahen wir einem ins Geſicht, ſo plauderte er uns ohne Ende und Aufhoͤren etwas vor, fletſchte auch wohl, aus Freundlich- keit, obgleich nicht viel beſſer als Miltons Tod, die Zaͤhne dazu. Dieſer Um- ſtand, nebſt ihrer ſchlanken Geſtalt, Haͤßlichkeit und ſchwarzen Farbe, machte, daß ſie uns beynahe als ein Affen-Geſchlecht vorkamen. Doch ſollte es mir herzlich leid thun, Herrn Rouſſeau und den ſeichten Koͤpfen die ihm nachbe- ten, durch dieſen Gedanken auch nur einen Schattengrund fuͤr ſein Orang- Outang-Syſtem angegeben zu haben; ich halte vielmehr den Mann fuͤr beklagens- werth, der ſich und ſeine Verſtandes-Kraͤfte ſo ſehr vergeſſen und ſich ſelbſt bis zu den Pavianen herabſetzen konnte. 1774. Julius. Als es dunkel wurde, kehrten die Indianer nach dem Lande zuruͤck, und zuͤndeten daſelbſt eine Menge von Feuern an, neben welchen man ſie noch im- mer, ſo laut als zuvor, fortſchwatzen hoͤrte. Es war auch als ob ſie des Redens gar nicht ſatt werden koͤnnten, denn am ſpaͤten Abend kamen ſie in ihren Canots mit brennenden Feuerbraͤnden ſchon wieder ans Schiff, um ſich von neuem mit uns ins Geſpraͤch einzulaſſen. Ihrer Seits fehlte es dazu freylich nicht an Worten und gutem Willen; deſto mißlicher aber ſahe es bey uns mit den Antworten aus. Der Abend war indeſſen ſehr ſchoͤn und windſtill, auch blickte der Mond zuweilen aus den Wolken hervor. Da ſie nun fanden, daß wir nicht ſo ſchwatzhaft wa- ren, als ſie ſelbſt, ſo bothen ſie ihre Pfeile und andre Kleinigkeiten zum Ver- kauf aus; allein der Capitain befahl, daß, um ihrer los zu werden, platterdings nichts eingekauft werden ſollte. Es war uns ganz etwas ungewoͤhnliches und neues, ſo ſpaͤt noch einen Indianer munter und auf dem Waſſer zu ſehen. Unterſchiedne von uns meynten, daß ſie bey dieſem naͤchtlichen Beſuch nur ausforſchen wollten, ob wir auf unſrer Hut waͤren: Gleichwohl hatten ſie durch ihr bisheriges Betragen zu einem ſolchen Verdacht gar nicht Anlaß gegeben. Als ſie endlich merkten, daß wir eben ſo wenig zum Handel als zum Schwatzen auf- gelegt waren; ſo giengen ſie gegen Mitternacht wieder ans Land, jedoch nicht der Ruhe wegen, denn man hoͤrte ſie die ganze Nacht uͤber ſingen und trommeln X 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/177
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/177>, abgerufen am 23.11.2024.