nen nicht die mindeste Achtung für sie zu haben, wollten ihnen auch nicht erlau-1774. Julius. ben, näher zu kommen; und die Weiber waren sich dieses Zwanges so gut be- wußt, daß sie von selbst entliefen, wenn wir uns ihnen näherten.
Gegen Mittag verlohr sich der größte Theil des Haufens; vermuthlich um zu essen. Der Befehlshaber lud den Capitain nach seiner im Walde gele- genen Wohnung ein, welches dieser aber nicht annahm, sondern, nach einigem Verweilen, gegen 1 Uhr mit uns an Bord zurückkehrte. Die Eingebohrnen ließen uns ruhig gehen, blieben aber am Strande beysammen, bis wir das Schiff erreicht hatten. So gut war es dem Herrn von Bo[u]gainville auf der Isle des Lepreux nicht ergangen; dort hatten die Indianer sich nur so lange freundlich gestellt, bis seine Leute wieder in das Boot getreten waren; alsdenn aber hatten sie eine Menge Pfeile hinter sie hergeschossen, welches diese mit einer Salve aus dem kleinen Gewehre erwiederten, und dadurch etliche Indianer zu Boden streckten. Da diese Inseln sehr nahe beysammen liegen und Herr von Bougainville erst vor wenig Jahren auf jener gewesen war, so mogten vielleicht auch die hiesigen Einwohner schon von der Uebermacht der Europäer etwas ge- hört haben, und blos deswegen sich so vorsichtig gegen uns betragen.
Gleich nach Tische giengen Capitain Cook und mein Vater nach der Nordseite des Havens ans Land, um unsern Ankerwächter (buoy) wieder zu- holen, den die Eingebohrnen weggestohlen, und, wie wir vermittelst unsrer Fernglä- ser entdeckten, dorthin geschleppt hatten. Diese ganze Zeit über ließ sich auf dem südlichen Strande des Havens, wo wir am Morgen gelandet waren, nicht ein einziger Indianer sehen: in den Wäldern aber hörte man oft Schweine qui- ken und folglich mußte die Insel mit dergleichen Vieh ziemlich versehen seyn. Gleich nach Abgang unsers Bootes kamen unterschiedne Insulaner in ih- ren Canots ans Schiff, um Handel zu treiben. Sie brachten bis zum späten Abend hin, Bogen, Pfeile, Keulen und Spieße zum Verkauf und überließen uns solche gegen kleine Stücken Zeug. Ihre Canots waren nicht über 20 Fuß lang, auch schlecht gearbeitet und ohne Zierrathen, aber doch mit Auslegern oder Gegen- gewichten (outriggers) versehen. Wir zählten ihrer in allem nicht mehr als
in den Jahren 1772 bis 1775.
nen nicht die mindeſte Achtung fuͤr ſie zu haben, wollten ihnen auch nicht erlau-1774. Julius. ben, naͤher zu kommen; und die Weiber waren ſich dieſes Zwanges ſo gut be- wußt, daß ſie von ſelbſt entliefen, wenn wir uns ihnen naͤherten.
Gegen Mittag verlohr ſich der groͤßte Theil des Haufens; vermuthlich um zu eſſen. Der Befehlshaber lud den Capitain nach ſeiner im Walde gele- genen Wohnung ein, welches dieſer aber nicht annahm, ſondern, nach einigem Verweilen, gegen 1 Uhr mit uns an Bord zuruͤckkehrte. Die Eingebohrnen ließen uns ruhig gehen, blieben aber am Strande beyſammen, bis wir das Schiff erreicht hatten. So gut war es dem Herrn von Bo[u]gainville auf der Iſle des Lepreux nicht ergangen; dort hatten die Indianer ſich nur ſo lange freundlich geſtellt, bis ſeine Leute wieder in das Boot getreten waren; alsdenn aber hatten ſie eine Menge Pfeile hinter ſie hergeſchoſſen, welches dieſe mit einer Salve aus dem kleinen Gewehre erwiederten, und dadurch etliche Indianer zu Boden ſtreckten. Da dieſe Inſeln ſehr nahe beyſammen liegen und Herr von Bougainville erſt vor wenig Jahren auf jener geweſen war, ſo mogten vielleicht auch die hieſigen Einwohner ſchon von der Uebermacht der Europaͤer etwas ge- hoͤrt haben, und blos deswegen ſich ſo vorſichtig gegen uns betragen.
Gleich nach Tiſche giengen Capitain Cook und mein Vater nach der Nordſeite des Havens ans Land, um unſern Ankerwaͤchter (buoy) wieder zu- holen, den die Eingebohrnen weggeſtohlen, und, wie wir vermittelſt unſrer Fernglaͤ- ſer entdeckten, dorthin geſchleppt hatten. Dieſe ganze Zeit uͤber ließ ſich auf dem ſuͤdlichen Strande des Havens, wo wir am Morgen gelandet waren, nicht ein einziger Indianer ſehen: in den Waͤldern aber hoͤrte man oft Schweine qui- ken und folglich mußte die Inſel mit dergleichen Vieh ziemlich verſehen ſeyn. Gleich nach Abgang unſers Bootes kamen unterſchiedne Inſulaner in ih- ren Canots ans Schiff, um Handel zu treiben. Sie brachten bis zum ſpaͤten Abend hin, Bogen, Pfeile, Keulen und Spieße zum Verkauf und uͤberließen uns ſolche gegen kleine Stuͤcken Zeug. Ihre Canots waren nicht uͤber 20 Fuß lang, auch ſchlecht gearbeitet und ohne Zierrathen, aber doch mit Auslegern oder Gegen- gewichten (outriggers) verſehen. Wir zaͤhlten ihrer in allem nicht mehr als
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in den Jahren 1772 bis 1775.
nen nicht die mindeſte Achtung fuͤr ſie zu haben, wollten ihnen auch nicht erlau-
ben, naͤher zu kommen; und die Weiber waren ſich dieſes Zwanges ſo gut be-
wußt, daß ſie von ſelbſt entliefen, wenn wir uns ihnen naͤherten.
1774.
Julius.
Gegen Mittag verlohr ſich der groͤßte Theil des Haufens; vermuthlich
um zu eſſen. Der Befehlshaber lud den Capitain nach ſeiner im Walde gele-
genen Wohnung ein, welches dieſer aber nicht annahm, ſondern, nach einigem
Verweilen, gegen 1 Uhr mit uns an Bord zuruͤckkehrte. Die Eingebohrnen
ließen uns ruhig gehen, blieben aber am Strande beyſammen, bis wir das
Schiff erreicht hatten. So gut war es dem Herrn von Bougainville auf der
Iſle des Lepreux nicht ergangen; dort hatten die Indianer ſich nur ſo lange
freundlich geſtellt, bis ſeine Leute wieder in das Boot getreten waren; alsdenn
aber hatten ſie eine Menge Pfeile hinter ſie hergeſchoſſen, welches dieſe mit einer
Salve aus dem kleinen Gewehre erwiederten, und dadurch etliche Indianer zu
Boden ſtreckten. Da dieſe Inſeln ſehr nahe beyſammen liegen und Herr von
Bougainville erſt vor wenig Jahren auf jener geweſen war, ſo mogten vielleicht
auch die hieſigen Einwohner ſchon von der Uebermacht der Europaͤer etwas ge-
hoͤrt haben, und blos deswegen ſich ſo vorſichtig gegen uns betragen.
Gleich nach Tiſche giengen Capitain Cook und mein Vater nach der
Nordſeite des Havens ans Land, um unſern Ankerwaͤchter (buoy) wieder zu-
holen, den die Eingebohrnen weggeſtohlen, und, wie wir vermittelſt unſrer Fernglaͤ-
ſer entdeckten, dorthin geſchleppt hatten. Dieſe ganze Zeit uͤber ließ ſich auf
dem ſuͤdlichen Strande des Havens, wo wir am Morgen gelandet waren, nicht
ein einziger Indianer ſehen: in den Waͤldern aber hoͤrte man oft Schweine qui-
ken und folglich mußte die Inſel mit dergleichen Vieh ziemlich verſehen
ſeyn. Gleich nach Abgang unſers Bootes kamen unterſchiedne Inſulaner in ih-
ren Canots ans Schiff, um Handel zu treiben. Sie brachten bis zum ſpaͤten Abend
hin, Bogen, Pfeile, Keulen und Spieße zum Verkauf und uͤberließen uns ſolche
gegen kleine Stuͤcken Zeug. Ihre Canots waren nicht uͤber 20 Fuß lang, auch
ſchlecht gearbeitet und ohne Zierrathen, aber doch mit Auslegern oder Gegen-
gewichten (outriggers) verſehen. Wir zaͤhlten ihrer in allem nicht mehr als
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/189>, abgerufen am 23.11.2024.
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