Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.Forster's Reise um die Welt 1774.April.Die Leute, mit denen wir zu thun hatten, waren zu ehrlich, als daß sie den gemachten Frieden hätten brechen, und zu leutselig, als daß sie den Tod eines Mannes hätten rächen sollen, den sie von Verschuldung nicht ganz freysprechen konnten. In kurzer Zeit fieng der Handel an sehr gut von statten zu gehen, und die Einwohner kamen von den Bergen her mit ganzen Ladungen von Plantanen, Pisangs- und Brodfrucht, welche sie gegen lauter Kleinigkeiten von Eisen- werk verhandelten. Frauenspersonen hatten sich bisher noch gar nicht sehen lassen, denn sie mochten Qualis aut Nireus fuit, aut aquosa Horat. Die natürliche Farbe dieser jungen Leute war nicht völlig so dunkel, als Forſter’s Reiſe um die Welt 1774.April.Die Leute, mit denen wir zu thun hatten, waren zu ehrlich, als daß ſie den gemachten Frieden haͤtten brechen, und zu leutſelig, als daß ſie den Tod eines Mannes haͤtten raͤchen ſollen, den ſie von Verſchuldung nicht ganz freyſprechen konnten. In kurzer Zeit fieng der Handel an ſehr gut von ſtatten zu gehen, und die Einwohner kamen von den Bergen her mit ganzen Ladungen von Plantanen, Piſangs- und Brodfrucht, welche ſie gegen lauter Kleinigkeiten von Eiſen- werk verhandelten. Frauensperſonen hatten ſich bisher noch gar nicht ſehen laſſen, denn ſie mochten Qualis aut Nireus fuit, aut aquoſa Horat. Die natuͤrliche Farbe dieſer jungen Leute war nicht voͤllig ſo dunkel, als <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0022" n="12"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>Forſter’s</persName> Reiſe um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1774.<lb/> April.</note>Die Leute, mit denen wir zu thun hatten, waren zu ehrlich, als daß ſie den<lb/> gemachten Frieden haͤtten brechen, und zu leutſelig, als daß ſie den Tod eines<lb/> Mannes haͤtten raͤchen ſollen, den ſie von Verſchuldung nicht ganz freyſprechen<lb/> konnten. In kurzer Zeit fieng der Handel an ſehr gut von ſtatten zu gehen, und<lb/> die Einwohner kamen von den Bergen her mit ganzen Ladungen von <hi rendition="#fr">Plantanen,<lb/> Piſangs-</hi> und <hi rendition="#fr">Brodfrucht,</hi> welche ſie gegen lauter Kleinigkeiten von Eiſen-<lb/> werk verhandelten.</p><lb/> <p>Frauensperſonen hatten ſich bisher noch gar nicht ſehen laſſen, denn ſie mochten<lb/> vermuthlich gleich bey dem erſten Lermen auf die Berge gefluͤchtet ſeyn. Einige<lb/> Mannsleute waren beſſer geputzt und bewaffnet als die uͤbrigen, weshalb wir<lb/> ſie fuͤr Befehlshaber anſahen. Sie giengen alle unbekleidet und hatten nur<lb/> ein kleines Stuͤck Zeug um die Huͤften geſchlagen. Von Statur waren ſie<lb/> durchgehends groß und wohlgebildet; kein einziger war unbehuͤlflich, oder ſo<lb/> dick als die vornehmern Tahitier; auch keiner ſo mager, oder abgezehrt als<lb/> die Oſter-Eylaͤnder. Die Punctirungen, welche bey Leuten von mittlerm Alter faſt<lb/> den ganzen Coͤrper bedeckten, machten es ſchwer, die Schoͤnheiten ihrer Geſtalt ent-<lb/> wickeln zu koͤnnen. Unter den jungen Leuten aber, die noch nicht punctirt oder <hi rendition="#fr">tato-<lb/> wirt</hi> waren, bemerkte man außerordentliche Schoͤnheiten, deren Regelmaͤßig-<lb/> keit unſre Bewundrung erregte. Manche haͤtte man fuͤglich neben die Meiſter-<lb/> ſtuͤcke der alten Kunſt ſtellen koͤnnen, ſie wuͤrden bey der Vergleichung gewiß<lb/> nichts verloren haben:</p><lb/> <cit> <quote> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#i"> <hi rendition="#aq">Qualis aut Nireus fuit, aut aquoſa<lb/> Raptus ab Ida.</hi> </hi> </hi> </quote><lb/> <bibl> <hi rendition="#right"> <hi rendition="#i"> <hi rendition="#k"> <hi rendition="#aq"> <persName>Horat.</persName> </hi> </hi> </hi> </hi> </bibl> </cit><lb/> <p>Die natuͤrliche Farbe dieſer jungen Leute war nicht voͤllig ſo dunkel, als<lb/> der gemeine Mann auf den <placeName>Societaͤts-Inſeln</placeName> zu ſeyn pflegt; Erwachſenere ſchie-<lb/> nen aber, der Punctirungen wegen die vom Kopf bis auf die Fuͤße reichten, weit<lb/> ſchwaͤrzer zu ſeyn. Dieſe taͤttowirte Zierrathen waren ſo regelmaͤßig angelegt, daß<lb/> man die Figuren auf den Beinen, Armen und Wangen vollkommen uͤbereinſtimmend<lb/> antraf. Sie ſtellten aber nie beſtimmte Formen von Thieren oder Pflanzen vor,<lb/> ſondern beſtanden aus einer Menge von Flecken, krummen Linien, Wuͤrfeln und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [12/0022]
Forſter’s Reiſe um die Welt
Die Leute, mit denen wir zu thun hatten, waren zu ehrlich, als daß ſie den
gemachten Frieden haͤtten brechen, und zu leutſelig, als daß ſie den Tod eines
Mannes haͤtten raͤchen ſollen, den ſie von Verſchuldung nicht ganz freyſprechen
konnten. In kurzer Zeit fieng der Handel an ſehr gut von ſtatten zu gehen, und
die Einwohner kamen von den Bergen her mit ganzen Ladungen von Plantanen,
Piſangs- und Brodfrucht, welche ſie gegen lauter Kleinigkeiten von Eiſen-
werk verhandelten.
1774.
April.
Frauensperſonen hatten ſich bisher noch gar nicht ſehen laſſen, denn ſie mochten
vermuthlich gleich bey dem erſten Lermen auf die Berge gefluͤchtet ſeyn. Einige
Mannsleute waren beſſer geputzt und bewaffnet als die uͤbrigen, weshalb wir
ſie fuͤr Befehlshaber anſahen. Sie giengen alle unbekleidet und hatten nur
ein kleines Stuͤck Zeug um die Huͤften geſchlagen. Von Statur waren ſie
durchgehends groß und wohlgebildet; kein einziger war unbehuͤlflich, oder ſo
dick als die vornehmern Tahitier; auch keiner ſo mager, oder abgezehrt als
die Oſter-Eylaͤnder. Die Punctirungen, welche bey Leuten von mittlerm Alter faſt
den ganzen Coͤrper bedeckten, machten es ſchwer, die Schoͤnheiten ihrer Geſtalt ent-
wickeln zu koͤnnen. Unter den jungen Leuten aber, die noch nicht punctirt oder tato-
wirt waren, bemerkte man außerordentliche Schoͤnheiten, deren Regelmaͤßig-
keit unſre Bewundrung erregte. Manche haͤtte man fuͤglich neben die Meiſter-
ſtuͤcke der alten Kunſt ſtellen koͤnnen, ſie wuͤrden bey der Vergleichung gewiß
nichts verloren haben:
Qualis aut Nireus fuit, aut aquoſa
Raptus ab Ida.
Horat.
Die natuͤrliche Farbe dieſer jungen Leute war nicht voͤllig ſo dunkel, als
der gemeine Mann auf den Societaͤts-Inſeln zu ſeyn pflegt; Erwachſenere ſchie-
nen aber, der Punctirungen wegen die vom Kopf bis auf die Fuͤße reichten, weit
ſchwaͤrzer zu ſeyn. Dieſe taͤttowirte Zierrathen waren ſo regelmaͤßig angelegt, daß
man die Figuren auf den Beinen, Armen und Wangen vollkommen uͤbereinſtimmend
antraf. Sie ſtellten aber nie beſtimmte Formen von Thieren oder Pflanzen vor,
ſondern beſtanden aus einer Menge von Flecken, krummen Linien, Wuͤrfeln und
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