1774. Septem- ber.gethan hatte. Er war ein sechszigjähriger, aber noch immer arbeitsamer, in seinem Beruf unermüdeter Mann, und übrigens der dritte, den wir bisher verlohren hatten, indem einer ertrunken, und ein andrer an der Wassersucht gestorben war.
Nach eingenommenem Frühstück giengen wir, nebst dem Capitain, dem Ober-Lootsen, zween See-Cadetten und drei Matrosen, ans Land, um die Berge zu besteigen, von denen unser Bach herabrieselte. Ohnerachtet die Anhöhe an manchen Orten sehr steil war, fanden wir doch allenthalben einen bequemen Pfad. Der Felsen bestand durchgehends aus einem Gestellstein oder Mischung von Quartz und Glimmer, die bald mehr bald weniger mit Eisentheil- chen gefärbt war. Cayeputi-Bäume wuchsen, ohne Ausnahme, sowohl auf dem obersten Eipfel, als unten; und, je höher wir kamen, desto mehr verschiedene Ar- ten von Sträuchen trafen wir an; sie standen zwar nur ziemlich einzeln, verdien- ten aber alle Aufmerksamkeit, weil sie gröstentheils in der Blüthe und uns unbekannt waren. Gegen den Gipfel hin nahmen die Bäume an Höhe und Stärke merklich ab, nur in einigen tiefen Klüften, wo herabstürzende Bäche das Erdreich befruchteten, sahe man eine Menge Pflanzen, frisch, stark und grün aufsproßen. Kaum waren wir eine Stunde lang bergauf gegangen, als uns mehr denn zweyhundert, größtentheils wohl bewafnete Einwohner, begegne- ten, die blos um uns Fremdlinge zu sehen, aus den innern Landgegenden jen- seits der Berge herkamen. Als sie fanden, daß wir auf demselben Wege fortstie- gen, den sie hergekommen waren, kehrten die mehresten wieder um und begleiteten uns. Ohnweit dem Gipfel bemerkten wir eine Anzahl in die Erde gesteckter Pfä- le, über welche man trockne Aeste gelegt, und auf diese, Büschel von Gras aus- gebreitet hatte. Die Einwohner erklärten uns, daß sie auf diesem Berge ihre Todten begrüben, und daß die Pfäle zu Bezeichnung der Grabstätten dienten. Unterdessen war der Capitain mit dem Lootsen vollends auf den Gipfel des Berges geklettert und hatte von da aus nach Süden hin, über das Land weg bis nach der See hinsehen können; seiner Aussage nach war selbige auf jener Sei- te nicht weiter von den Bergen entfernt, als auf dieser; und eine wasserreiche, zum Theil angebaute Ebene, lief dort, so wie diesseits, am Fuße der Berge hin: Im Ganzen war jedoch kein merklicher Unterschied zwischen der nörd- und
süd-
Forſter’s Reiſe um die Welt
1774. Septem- ber.gethan hatte. Er war ein ſechszigjaͤhriger, aber noch immer arbeitſamer, in ſeinem Beruf unermuͤdeter Mann, und uͤbrigens der dritte, den wir bisher verlohren hatten, indem einer ertrunken, und ein andrer an der Waſſerſucht geſtorben war.
Nach eingenommenem Fruͤhſtuͤck giengen wir, nebſt dem Capitain, dem Ober-Lootſen, zween See-Cadetten und drei Matroſen, ans Land, um die Berge zu beſteigen, von denen unſer Bach herabrieſelte. Ohnerachtet die Anhoͤhe an manchen Orten ſehr ſteil war, fanden wir doch allenthalben einen bequemen Pfad. Der Felſen beſtand durchgehends aus einem Geſtellſtein oder Miſchung von Quartz und Glimmer, die bald mehr bald weniger mit Eiſentheil- chen gefaͤrbt war. Cayeputi-Baͤume wuchſen, ohne Ausnahme, ſowohl auf dem oberſten Eipfel, als unten; und, je hoͤher wir kamen, deſto mehr verſchiedene Ar- ten von Straͤuchen trafen wir an; ſie ſtanden zwar nur ziemlich einzeln, verdien- ten aber alle Aufmerkſamkeit, weil ſie groͤſtentheils in der Bluͤthe und uns unbekannt waren. Gegen den Gipfel hin nahmen die Baͤume an Hoͤhe und Staͤrke merklich ab, nur in einigen tiefen Kluͤften, wo herabſtuͤrzende Baͤche das Erdreich befruchteten, ſahe man eine Menge Pflanzen, friſch, ſtark und gruͤn aufſproßen. Kaum waren wir eine Stunde lang bergauf gegangen, als uns mehr denn zweyhundert, groͤßtentheils wohl bewafnete Einwohner, begegne- ten, die blos um uns Fremdlinge zu ſehen, aus den innern Landgegenden jen- ſeits der Berge herkamen. Als ſie fanden, daß wir auf demſelben Wege fortſtie- gen, den ſie hergekommen waren, kehrten die mehreſten wieder um und begleiteten uns. Ohnweit dem Gipfel bemerkten wir eine Anzahl in die Erde geſteckter Pfaͤ- le, uͤber welche man trockne Aeſte gelegt, und auf dieſe, Buͤſchel von Gras aus- gebreitet hatte. Die Einwohner erklaͤrten uns, daß ſie auf dieſem Berge ihre Todten begruͤben, und daß die Pfaͤle zu Bezeichnung der Grabſtaͤtten dienten. Unterdeſſen war der Capitain mit dem Lootſen vollends auf den Gipfel des Berges geklettert und hatte von da aus nach Suͤden hin, uͤber das Land weg bis nach der See hinſehen koͤnnen; ſeiner Ausſage nach war ſelbige auf jener Sei- te nicht weiter von den Bergen entfernt, als auf dieſer; und eine waſſerreiche, zum Theil angebaute Ebene, lief dort, ſo wie dieſſeits, am Fuße der Berge hin: Im Ganzen war jedoch kein merklicher Unterſchied zwiſchen der noͤrd- und
ſuͤd-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0328"n="312"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><persName>Forſter’s</persName> Reiſe um die Welt</hi></fw><lb/><noteplace="left">1774.<lb/>
Septem-<lb/>
ber.</note>gethan hatte. Er war ein ſechszigjaͤhriger, aber noch immer arbeitſamer, in<lb/>ſeinem Beruf unermuͤdeter Mann, und uͤbrigens der dritte, den wir bisher<lb/>
verlohren hatten, indem einer ertrunken, und ein andrer an der Waſſerſucht<lb/>
geſtorben war.</p><lb/><p>Nach eingenommenem Fruͤhſtuͤck giengen wir, nebſt dem Capitain, dem<lb/>
Ober-Lootſen, zween See-Cadetten und drei Matroſen, ans Land, um die<lb/>
Berge zu beſteigen, von denen unſer Bach herabrieſelte. Ohnerachtet die<lb/>
Anhoͤhe an manchen Orten ſehr ſteil war, fanden wir doch allenthalben einen<lb/>
bequemen Pfad. Der Felſen beſtand durchgehends aus einem Geſtellſtein oder<lb/>
Miſchung von Quartz und Glimmer, die bald mehr bald weniger mit Eiſentheil-<lb/>
chen gefaͤrbt war. Cayeputi-Baͤume wuchſen, ohne Ausnahme, ſowohl auf dem<lb/>
oberſten Eipfel, als unten; und, je hoͤher wir kamen, deſto mehr verſchiedene Ar-<lb/>
ten von Straͤuchen trafen wir an; ſie ſtanden zwar nur ziemlich einzeln, verdien-<lb/>
ten aber alle Aufmerkſamkeit, weil ſie groͤſtentheils in der Bluͤthe und uns<lb/>
unbekannt waren. Gegen den Gipfel hin nahmen die Baͤume an Hoͤhe und<lb/>
Staͤrke merklich ab, nur in einigen tiefen Kluͤften, wo herabſtuͤrzende Baͤche<lb/>
das Erdreich befruchteten, ſahe man eine Menge Pflanzen, friſch, ſtark und gruͤn<lb/>
aufſproßen. Kaum waren wir eine Stunde lang bergauf gegangen, als uns<lb/>
mehr denn zweyhundert, groͤßtentheils wohl bewafnete Einwohner, begegne-<lb/>
ten, die blos um uns Fremdlinge zu ſehen, aus den innern Landgegenden jen-<lb/>ſeits der Berge herkamen. Als ſie fanden, daß wir auf demſelben Wege fortſtie-<lb/>
gen, den ſie hergekommen waren, kehrten die mehreſten wieder um und begleiteten<lb/>
uns. Ohnweit dem Gipfel bemerkten wir eine Anzahl in die Erde geſteckter Pfaͤ-<lb/>
le, uͤber welche man trockne Aeſte gelegt, und auf dieſe, Buͤſchel von Gras aus-<lb/>
gebreitet hatte. Die Einwohner erklaͤrten uns, daß ſie auf dieſem Berge<lb/>
ihre Todten begruͤben, und daß die Pfaͤle zu Bezeichnung der Grabſtaͤtten<lb/>
dienten. Unterdeſſen war der Capitain mit dem Lootſen vollends auf den Gipfel<lb/>
des Berges geklettert und hatte von da aus nach Suͤden hin, uͤber das Land weg<lb/>
bis nach der See hinſehen koͤnnen; ſeiner Ausſage nach war ſelbige auf jener Sei-<lb/>
te nicht weiter von den Bergen entfernt, als auf dieſer; und eine waſſerreiche,<lb/>
zum Theil angebaute Ebene, lief dort, ſo wie dieſſeits, am Fuße der Berge<lb/>
hin: Im Ganzen war jedoch kein merklicher Unterſchied zwiſchen der noͤrd- und<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſuͤd-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[312/0328]
Forſter’s Reiſe um die Welt
gethan hatte. Er war ein ſechszigjaͤhriger, aber noch immer arbeitſamer, in
ſeinem Beruf unermuͤdeter Mann, und uͤbrigens der dritte, den wir bisher
verlohren hatten, indem einer ertrunken, und ein andrer an der Waſſerſucht
geſtorben war.
1774.
Septem-
ber.
Nach eingenommenem Fruͤhſtuͤck giengen wir, nebſt dem Capitain, dem
Ober-Lootſen, zween See-Cadetten und drei Matroſen, ans Land, um die
Berge zu beſteigen, von denen unſer Bach herabrieſelte. Ohnerachtet die
Anhoͤhe an manchen Orten ſehr ſteil war, fanden wir doch allenthalben einen
bequemen Pfad. Der Felſen beſtand durchgehends aus einem Geſtellſtein oder
Miſchung von Quartz und Glimmer, die bald mehr bald weniger mit Eiſentheil-
chen gefaͤrbt war. Cayeputi-Baͤume wuchſen, ohne Ausnahme, ſowohl auf dem
oberſten Eipfel, als unten; und, je hoͤher wir kamen, deſto mehr verſchiedene Ar-
ten von Straͤuchen trafen wir an; ſie ſtanden zwar nur ziemlich einzeln, verdien-
ten aber alle Aufmerkſamkeit, weil ſie groͤſtentheils in der Bluͤthe und uns
unbekannt waren. Gegen den Gipfel hin nahmen die Baͤume an Hoͤhe und
Staͤrke merklich ab, nur in einigen tiefen Kluͤften, wo herabſtuͤrzende Baͤche
das Erdreich befruchteten, ſahe man eine Menge Pflanzen, friſch, ſtark und gruͤn
aufſproßen. Kaum waren wir eine Stunde lang bergauf gegangen, als uns
mehr denn zweyhundert, groͤßtentheils wohl bewafnete Einwohner, begegne-
ten, die blos um uns Fremdlinge zu ſehen, aus den innern Landgegenden jen-
ſeits der Berge herkamen. Als ſie fanden, daß wir auf demſelben Wege fortſtie-
gen, den ſie hergekommen waren, kehrten die mehreſten wieder um und begleiteten
uns. Ohnweit dem Gipfel bemerkten wir eine Anzahl in die Erde geſteckter Pfaͤ-
le, uͤber welche man trockne Aeſte gelegt, und auf dieſe, Buͤſchel von Gras aus-
gebreitet hatte. Die Einwohner erklaͤrten uns, daß ſie auf dieſem Berge
ihre Todten begruͤben, und daß die Pfaͤle zu Bezeichnung der Grabſtaͤtten
dienten. Unterdeſſen war der Capitain mit dem Lootſen vollends auf den Gipfel
des Berges geklettert und hatte von da aus nach Suͤden hin, uͤber das Land weg
bis nach der See hinſehen koͤnnen; ſeiner Ausſage nach war ſelbige auf jener Sei-
te nicht weiter von den Bergen entfernt, als auf dieſer; und eine waſſerreiche,
zum Theil angebaute Ebene, lief dort, ſo wie dieſſeits, am Fuße der Berge
hin: Im Ganzen war jedoch kein merklicher Unterſchied zwiſchen der noͤrd- und
ſuͤd-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/328>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.