1774. Septem- ber.Morgen stürmte es aber dermaaßen, daß sich auch nicht ein einziger Indianer, weder mit noch ohne Boot, ans Schif wagen wollte.
Wir hingegen ließen uns durch den Sturm nicht abhalten wieder ans Land zu gehen, kamen aber von den Wellen ziemlich durchnäßt, daselbst an, und machten einen Spaziergang gegen Westen hin. Unsre Mühe ward durch allerhand neue Gattung von Vögeln belohnt, die zu den bisherigen Sammlungen dieser Art einen angenehmen Zuwachs ausmachten. Die Nachbarschaft des großen unbekannten Neu-Hollands trägt ohne Zweifel viel dazu bey, daß auf dieser Insel ein solcher Reichthum von Thieren und Pflanzen vorhanden ist; auch bezeugten Capitain Cook sowohl als alle andere, die bey der vorigen Reise, in der Endeavour, Neu-Holland besuchten hatten, einstimmig, daß gedachtes Land mit Neu-Caledonien im Ganzen und im Aeus- sern ungemein viel Aehnlichkeit habe. Nur darinn soll jenes von diesem ver- schieden seyn, daß es an mehreren Orten einen fruchtbaren Boden hat, dessen obere Erdschicht fett und schwarz ist. Sonst aber zeigte sich, im Wuchs der Bäume, in dem trocknen gleichsam verbrannten Ansehen des Landes, nicht die geringste Verschie- denheit zwischen beyden, auch fehlt es einem wie dem andern, an Unterholz oder niedrigen Gesträuch. Wir hielten uns bey verschiednen Hütten der Indianer auf, die im Schatten einiger Bäume gelegen waren. Die Bewohner derselben hatten sich platt auf den Boden niedergesetzt und waren ganz müßig; demohner- achtet stand unserntwegen keiner von ihnen auf, ausgenommen die jungen Leute, die wohl überall am neugierigsten und muntersten zu seyn pflegen. Unter andern trafen wir heut auch einen Mann an, der ganz blonde Haare, eine ausnehmend weiße Haut, und das ganze Angesicht voller Flecken und Blasen hatte. Es ist bekannt, daß man dergleichen einzelne Menschen, die an Farbe der Haut und der Haare vom allgemeinen National-Character abweichen, unter den Africani- schen Negern, unter den Americanern, den Bewohnern der Moluckischen und unter den Indianern der Südsee-Inseln angetroffen hat. Da man nun an dergleichen Leuten mehrentheils eine große Schwäche der Leibesbeschaffenheit und vornehmlich eine besondere Blödigkeit der Augen bemerkte; so sind mehrere Reisende der Mey- nung gewesen, daß eine solche auffallende Abweichung in der Farbe der Haut und der Haare erblich seyn, das ist, von einer Krankheit der Eltern herrühren
Forſter’s Reiſe um die Welt
1774. Septem- ber.Morgen ſtuͤrmte es aber dermaaßen, daß ſich auch nicht ein einziger Indianer, weder mit noch ohne Boot, ans Schif wagen wollte.
Wir hingegen ließen uns durch den Sturm nicht abhalten wieder ans Land zu gehen, kamen aber von den Wellen ziemlich durchnaͤßt, daſelbſt an, und machten einen Spaziergang gegen Weſten hin. Unſre Muͤhe ward durch allerhand neue Gattung von Voͤgeln belohnt, die zu den bisherigen Sammlungen dieſer Art einen angenehmen Zuwachs ausmachten. Die Nachbarſchaft des großen unbekannten Neu-Hollands traͤgt ohne Zweifel viel dazu bey, daß auf dieſer Inſel ein ſolcher Reichthum von Thieren und Pflanzen vorhanden iſt; auch bezeugten Capitain Cook ſowohl als alle andere, die bey der vorigen Reiſe, in der Endeavour, Neu-Holland beſuchten hatten, einſtimmig, daß gedachtes Land mit Neu-Caledonien im Ganzen und im Aeuſ- ſern ungemein viel Aehnlichkeit habe. Nur darinn ſoll jenes von dieſem ver- ſchieden ſeyn, daß es an mehreren Orten einen fruchtbaren Boden hat, deſſen obere Erdſchicht fett und ſchwarz iſt. Sonſt aber zeigte ſich, im Wuchs der Baͤume, in dem trocknen gleichſam verbrannten Anſehen des Landes, nicht die geringſte Verſchie- denheit zwiſchen beyden, auch fehlt es einem wie dem andern, an Unterholz oder niedrigen Geſtraͤuch. Wir hielten uns bey verſchiednen Huͤtten der Indianer auf, die im Schatten einiger Baͤume gelegen waren. Die Bewohner derſelben hatten ſich platt auf den Boden niedergeſetzt und waren ganz muͤßig; demohner- achtet ſtand unſerntwegen keiner von ihnen auf, ausgenommen die jungen Leute, die wohl uͤberall am neugierigſten und munterſten zu ſeyn pflegen. Unter andern trafen wir heut auch einen Mann an, der ganz blonde Haare, eine ausnehmend weiße Haut, und das ganze Angeſicht voller Flecken und Blaſen hatte. Es iſt bekannt, daß man dergleichen einzelne Menſchen, die an Farbe der Haut und der Haare vom allgemeinen National-Character abweichen, unter den Africani- ſchen Negern, unter den Americanern, den Bewohnern der Moluckiſchen und unter den Indianern der Suͤdſee-Inſeln angetroffen hat. Da man nun an dergleichen Leuten mehrentheils eine große Schwaͤche der Leibesbeſchaffenheit und vornehmlich eine beſondere Bloͤdigkeit der Augen bemerkte; ſo ſind mehrere Reiſende der Mey- nung geweſen, daß eine ſolche auffallende Abweichung in der Farbe der Haut und der Haare erblich ſeyn, das iſt, von einer Krankheit der Eltern herruͤhren
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Forſter’s Reiſe um die Welt
Morgen ſtuͤrmte es aber dermaaßen, daß ſich auch nicht ein einziger Indianer,
weder mit noch ohne Boot, ans Schif wagen wollte.
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Septem-
ber.
Wir hingegen ließen uns durch den Sturm nicht abhalten wieder ans Land
zu gehen, kamen aber von den Wellen ziemlich durchnaͤßt, daſelbſt an, und
machten einen Spaziergang gegen Weſten hin. Unſre Muͤhe ward durch
allerhand neue Gattung von Voͤgeln belohnt, die zu den bisherigen
Sammlungen dieſer Art einen angenehmen Zuwachs ausmachten. Die
Nachbarſchaft des großen unbekannten Neu-Hollands traͤgt ohne Zweifel
viel dazu bey, daß auf dieſer Inſel ein ſolcher Reichthum von Thieren und
Pflanzen vorhanden iſt; auch bezeugten Capitain Cook ſowohl als alle andere,
die bey der vorigen Reiſe, in der Endeavour, Neu-Holland beſuchten hatten,
einſtimmig, daß gedachtes Land mit Neu-Caledonien im Ganzen und im Aeuſ-
ſern ungemein viel Aehnlichkeit habe. Nur darinn ſoll jenes von dieſem ver-
ſchieden ſeyn, daß es an mehreren Orten einen fruchtbaren Boden hat, deſſen obere
Erdſchicht fett und ſchwarz iſt. Sonſt aber zeigte ſich, im Wuchs der Baͤume, in
dem trocknen gleichſam verbrannten Anſehen des Landes, nicht die geringſte Verſchie-
denheit zwiſchen beyden, auch fehlt es einem wie dem andern, an Unterholz oder
niedrigen Geſtraͤuch. Wir hielten uns bey verſchiednen Huͤtten der Indianer
auf, die im Schatten einiger Baͤume gelegen waren. Die Bewohner derſelben
hatten ſich platt auf den Boden niedergeſetzt und waren ganz muͤßig; demohner-
achtet ſtand unſerntwegen keiner von ihnen auf, ausgenommen die jungen Leute,
die wohl uͤberall am neugierigſten und munterſten zu ſeyn pflegen. Unter andern
trafen wir heut auch einen Mann an, der ganz blonde Haare, eine ausnehmend
weiße Haut, und das ganze Angeſicht voller Flecken und Blaſen hatte. Es iſt
bekannt, daß man dergleichen einzelne Menſchen, die an Farbe der Haut und
der Haare vom allgemeinen National-Character abweichen, unter den Africani-
ſchen Negern, unter den Americanern, den Bewohnern der Moluckiſchen und unter
den Indianern der Suͤdſee-Inſeln angetroffen hat. Da man nun an dergleichen
Leuten mehrentheils eine große Schwaͤche der Leibesbeſchaffenheit und vornehmlich
eine beſondere Bloͤdigkeit der Augen bemerkte; ſo ſind mehrere Reiſende der Mey-
nung geweſen, daß eine ſolche auffallende Abweichung in der Farbe der Haut
und der Haare erblich ſeyn, das iſt, von einer Krankheit der Eltern herruͤhren
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/340>, abgerufen am 25.11.2024.
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