Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

Forster's Reise um die Welt
1774.
Septem-
ber.
fänglich plauderte er viel mit unsern Matrosen, und theilte ihnen seinen Namen
mit, den sie, nach ihrer gewöhnlichen Laune, in Bubi (booby oder Tölpel)
verwandelten. Der gute Narr war hocherfreut sich also nennen zu hören, und
eben das machte für die Matrosen den Hauptspaß bey der Sache aus. Als
aber nach einer Weile die See unruhiger wurde, so daß die Wellen ins Boot
schlugen, ward er mause-still, und kroch in einen Regenmantel, um trocken
zu bleiben, und sich vor dem Winde zu schützen, der ihm auf der blossen Haut
gar sehr empfindlich zu werden anfing. Endlich kam ihn auch der Hunger an,
und, in Ermanglung eignen Proviants, nahm er mit großer Dankbarkeit alles
an, was ihm unsre Leute zukommen liessen. Alle diese Freude hätte sich jedoch
bald in allgemeines Leid verkehrt. Das Boot ward nemlich leck, und ließ so
viel Wasser ein, daß, des eifrigsten Ausschöpfens mit Händen, Hüten und an-
dern Instrumenten ohnerachtet, je länger je mehr Wasser eindrang. Die Leute sahen
sich schon genöthiget, ein Faß mit frischem Trinkwasser und viele andre Dinge
über Bord zu werfen; aber das wollte alles nicht helfen, bis endlich, bey Weg-
räumung einiger Pakete, der Lek glücklicherweise entdeckt, mit Mützen und
Lumpen, so gut es sich thun ließ, verstopft, und die Fahrt nach Balabia ohne
weitern Anstoß fortgesetzt ward. Herr Pickersgill, der sich in dem kleineren Boot
befand, traf unterwegens ein Canot mit Indianern von dieser Insel an. Sie
kamen eben vom Fischfang zurück und überliessen unsern Leuten einen großen Vor-
rath ihrer Ausbeute, gegen etwas weniges an Eisenwerk. Mittlerweile war es
ziemlich späth geworden, als sie auf der Insel anlandeten. Die Bewohner der-
selben sind von eben der Art, als die auf Neu-Caledonia; sie waren auch eben
so gutherzig als diese, und gaben nicht nur, für etwas Eisen oder tahitisches Zeug,
ihre Waffen und Geräthe, ohne Umstände, weg, sondern verschaften Herrn
Pickersgill auch frisches Wasser. Am Abend lagerten sich unsre Leute neben
einigen Büschen und zündeten ein großes Feuer an, bey welchem sie ihre Fische
brateten und verzehrten. Die Indianer leisteten ihnen, seit dem ersten Augen-
blick der Landung, und noch jetzt während der Mahlzeit, in großer Menge,
Gesellschaft. Sie waren zum Theil gesprächiger als die Leute von Neu-Cale-
donien
, und erzählten unter andern von einem großen Lande gegen Norden, wel-
ches sie Mingha nannten, dessen Einwohner sehr kriegerisch und ihre Feinde

wären.

Forſter’s Reiſe um die Welt
1774.
Septem-
ber.
faͤnglich plauderte er viel mit unſern Matroſen, und theilte ihnen ſeinen Namen
mit, den ſie, nach ihrer gewoͤhnlichen Laune, in Bubi (booby oder Toͤlpel)
verwandelten. Der gute Narr war hocherfreut ſich alſo nennen zu hoͤren, und
eben das machte fuͤr die Matroſen den Hauptſpaß bey der Sache aus. Als
aber nach einer Weile die See unruhiger wurde, ſo daß die Wellen ins Boot
ſchlugen, ward er mauſe-ſtill, und kroch in einen Regenmantel, um trocken
zu bleiben, und ſich vor dem Winde zu ſchuͤtzen, der ihm auf der bloſſen Haut
gar ſehr empfindlich zu werden anfing. Endlich kam ihn auch der Hunger an,
und, in Ermanglung eignen Proviants, nahm er mit großer Dankbarkeit alles
an, was ihm unſre Leute zukommen lieſſen. Alle dieſe Freude haͤtte ſich jedoch
bald in allgemeines Leid verkehrt. Das Boot ward nemlich leck, und ließ ſo
viel Waſſer ein, daß, des eifrigſten Ausſchoͤpfens mit Haͤnden, Huͤten und an-
dern Inſtrumenten ohnerachtet, je laͤnger je mehr Waſſer eindrang. Die Leute ſahen
ſich ſchon genoͤthiget, ein Faß mit friſchem Trinkwaſſer und viele andre Dinge
uͤber Bord zu werfen; aber das wollte alles nicht helfen, bis endlich, bey Weg-
raͤumung einiger Pakete, der Lek gluͤcklicherweiſe entdeckt, mit Muͤtzen und
Lumpen, ſo gut es ſich thun ließ, verſtopft, und die Fahrt nach Balabia ohne
weitern Anſtoß fortgeſetzt ward. Herr Pickersgill, der ſich in dem kleineren Boot
befand, traf unterwegens ein Canot mit Indianern von dieſer Inſel an. Sie
kamen eben vom Fiſchfang zuruͤck und uͤberlieſſen unſern Leuten einen großen Vor-
rath ihrer Ausbeute, gegen etwas weniges an Eiſenwerk. Mittlerweile war es
ziemlich ſpaͤth geworden, als ſie auf der Inſel anlandeten. Die Bewohner der-
ſelben ſind von eben der Art, als die auf Neu-Caledonia; ſie waren auch eben
ſo gutherzig als dieſe, und gaben nicht nur, fuͤr etwas Eiſen oder tahitiſches Zeug,
ihre Waffen und Geraͤthe, ohne Umſtaͤnde, weg, ſondern verſchaften Herrn
Pickersgill auch friſches Waſſer. Am Abend lagerten ſich unſre Leute neben
einigen Buͤſchen und zuͤndeten ein großes Feuer an, bey welchem ſie ihre Fiſche
brateten und verzehrten. Die Indianer leiſteten ihnen, ſeit dem erſten Augen-
blick der Landung, und noch jetzt waͤhrend der Mahlzeit, in großer Menge,
Geſellſchaft. Sie waren zum Theil geſpraͤchiger als die Leute von Neu-Cale-
donien
, und erzaͤhlten unter andern von einem großen Lande gegen Norden, wel-
ches ſie Mingha nannten, deſſen Einwohner ſehr kriegeriſch und ihre Feinde

waͤren.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0344" n="328"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>For&#x017F;ter&#x2019;s</persName> Rei&#x017F;e um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1774.<lb/>
Septem-<lb/>
ber.</note>fa&#x0364;nglich plauderte er viel mit un&#x017F;ern Matro&#x017F;en, und theilte ihnen &#x017F;einen Namen<lb/>
mit, den &#x017F;ie, nach ihrer gewo&#x0364;hnlichen Laune, in <hi rendition="#fr"><persName>Bubi</persName></hi> (<hi rendition="#i"><hi rendition="#aq"><persName>booby</persName></hi></hi> oder To&#x0364;lpel)<lb/>
verwandelten. Der gute Narr war hocherfreut &#x017F;ich al&#x017F;o nennen zu ho&#x0364;ren, und<lb/>
eben das machte fu&#x0364;r die Matro&#x017F;en den Haupt&#x017F;paß bey der Sache aus. Als<lb/>
aber nach einer Weile die See unruhiger wurde, &#x017F;o daß die Wellen ins Boot<lb/>
&#x017F;chlugen, ward er mau&#x017F;e-&#x017F;till, und kroch in einen Regenmantel, um trocken<lb/>
zu bleiben, und &#x017F;ich vor dem Winde zu &#x017F;chu&#x0364;tzen, der ihm auf der blo&#x017F;&#x017F;en Haut<lb/>
gar &#x017F;ehr empfindlich zu werden anfing. Endlich kam ihn auch der Hunger an,<lb/>
und, in Ermanglung eignen Proviants, nahm er mit großer Dankbarkeit alles<lb/>
an, was ihm un&#x017F;re Leute zukommen lie&#x017F;&#x017F;en. Alle die&#x017F;e Freude ha&#x0364;tte &#x017F;ich jedoch<lb/>
bald in allgemeines Leid verkehrt. Das Boot ward nemlich leck, und ließ &#x017F;o<lb/>
viel Wa&#x017F;&#x017F;er ein, daß, des eifrig&#x017F;ten Aus&#x017F;cho&#x0364;pfens mit Ha&#x0364;nden, Hu&#x0364;ten und an-<lb/>
dern In&#x017F;trumenten ohnerachtet, je la&#x0364;nger je mehr Wa&#x017F;&#x017F;er eindrang. Die Leute &#x017F;ahen<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;chon geno&#x0364;thiget, ein Faß mit fri&#x017F;chem Trinkwa&#x017F;&#x017F;er und viele andre Dinge<lb/>
u&#x0364;ber Bord zu werfen; aber das wollte alles nicht helfen, bis endlich, bey Weg-<lb/>
ra&#x0364;umung einiger Pakete, der Lek glu&#x0364;cklicherwei&#x017F;e entdeckt, mit Mu&#x0364;tzen und<lb/>
Lumpen, &#x017F;o gut es &#x017F;ich thun ließ, ver&#x017F;topft, und die Fahrt nach <hi rendition="#fr"><placeName>Balabia</placeName></hi> ohne<lb/>
weitern An&#x017F;toß fortge&#x017F;etzt ward. Herr <hi rendition="#fr"><persName>Pickersgill</persName></hi>, der &#x017F;ich in dem kleineren Boot<lb/>
befand, traf unterwegens ein Canot mit Indianern von die&#x017F;er In&#x017F;el an. Sie<lb/>
kamen eben vom Fi&#x017F;chfang zuru&#x0364;ck und u&#x0364;berlie&#x017F;&#x017F;en un&#x017F;ern Leuten einen großen Vor-<lb/>
rath ihrer Ausbeute, gegen etwas weniges an Ei&#x017F;enwerk. Mittlerweile war es<lb/>
ziemlich &#x017F;pa&#x0364;th geworden, als &#x017F;ie auf der In&#x017F;el anlandeten. Die Bewohner der-<lb/>
&#x017F;elben &#x017F;ind von eben der Art, als die auf <hi rendition="#fr"><placeName>Neu-Caledonia</placeName></hi>; &#x017F;ie waren auch eben<lb/>
&#x017F;o gutherzig als die&#x017F;e, und gaben nicht nur, fu&#x0364;r etwas Ei&#x017F;en oder tahiti&#x017F;ches Zeug,<lb/>
ihre Waffen und Gera&#x0364;the, ohne Um&#x017F;ta&#x0364;nde, weg, &#x017F;ondern ver&#x017F;chaften Herrn<lb/><hi rendition="#fr"><persName>Pickersgill</persName></hi> auch fri&#x017F;ches Wa&#x017F;&#x017F;er. Am Abend lagerten &#x017F;ich un&#x017F;re Leute neben<lb/>
einigen Bu&#x0364;&#x017F;chen und zu&#x0364;ndeten ein großes Feuer an, bey welchem &#x017F;ie ihre Fi&#x017F;che<lb/>
brateten und verzehrten. Die Indianer lei&#x017F;teten ihnen, &#x017F;eit dem er&#x017F;ten Augen-<lb/>
blick der Landung, und noch jetzt wa&#x0364;hrend der Mahlzeit, in großer Menge,<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft. Sie waren zum Theil ge&#x017F;pra&#x0364;chiger als die Leute von <hi rendition="#fr">Neu-Cale-<lb/>
donien</hi>, und erza&#x0364;hlten unter andern von einem großen Lande gegen Norden, wel-<lb/>
ches &#x017F;ie <hi rendition="#fr">Mingha</hi> nannten, de&#x017F;&#x017F;en Einwohner &#x017F;ehr kriegeri&#x017F;ch und ihre Feinde<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wa&#x0364;ren.</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[328/0344] Forſter’s Reiſe um die Welt faͤnglich plauderte er viel mit unſern Matroſen, und theilte ihnen ſeinen Namen mit, den ſie, nach ihrer gewoͤhnlichen Laune, in Bubi (booby oder Toͤlpel) verwandelten. Der gute Narr war hocherfreut ſich alſo nennen zu hoͤren, und eben das machte fuͤr die Matroſen den Hauptſpaß bey der Sache aus. Als aber nach einer Weile die See unruhiger wurde, ſo daß die Wellen ins Boot ſchlugen, ward er mauſe-ſtill, und kroch in einen Regenmantel, um trocken zu bleiben, und ſich vor dem Winde zu ſchuͤtzen, der ihm auf der bloſſen Haut gar ſehr empfindlich zu werden anfing. Endlich kam ihn auch der Hunger an, und, in Ermanglung eignen Proviants, nahm er mit großer Dankbarkeit alles an, was ihm unſre Leute zukommen lieſſen. Alle dieſe Freude haͤtte ſich jedoch bald in allgemeines Leid verkehrt. Das Boot ward nemlich leck, und ließ ſo viel Waſſer ein, daß, des eifrigſten Ausſchoͤpfens mit Haͤnden, Huͤten und an- dern Inſtrumenten ohnerachtet, je laͤnger je mehr Waſſer eindrang. Die Leute ſahen ſich ſchon genoͤthiget, ein Faß mit friſchem Trinkwaſſer und viele andre Dinge uͤber Bord zu werfen; aber das wollte alles nicht helfen, bis endlich, bey Weg- raͤumung einiger Pakete, der Lek gluͤcklicherweiſe entdeckt, mit Muͤtzen und Lumpen, ſo gut es ſich thun ließ, verſtopft, und die Fahrt nach Balabia ohne weitern Anſtoß fortgeſetzt ward. Herr Pickersgill, der ſich in dem kleineren Boot befand, traf unterwegens ein Canot mit Indianern von dieſer Inſel an. Sie kamen eben vom Fiſchfang zuruͤck und uͤberlieſſen unſern Leuten einen großen Vor- rath ihrer Ausbeute, gegen etwas weniges an Eiſenwerk. Mittlerweile war es ziemlich ſpaͤth geworden, als ſie auf der Inſel anlandeten. Die Bewohner der- ſelben ſind von eben der Art, als die auf Neu-Caledonia; ſie waren auch eben ſo gutherzig als dieſe, und gaben nicht nur, fuͤr etwas Eiſen oder tahitiſches Zeug, ihre Waffen und Geraͤthe, ohne Umſtaͤnde, weg, ſondern verſchaften Herrn Pickersgill auch friſches Waſſer. Am Abend lagerten ſich unſre Leute neben einigen Buͤſchen und zuͤndeten ein großes Feuer an, bey welchem ſie ihre Fiſche brateten und verzehrten. Die Indianer leiſteten ihnen, ſeit dem erſten Augen- blick der Landung, und noch jetzt waͤhrend der Mahlzeit, in großer Menge, Geſellſchaft. Sie waren zum Theil geſpraͤchiger als die Leute von Neu-Cale- donien, und erzaͤhlten unter andern von einem großen Lande gegen Norden, wel- ches ſie Mingha nannten, deſſen Einwohner ſehr kriegeriſch und ihre Feinde waͤren. 1774. Septem- ber.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/344
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/344>, abgerufen am 25.11.2024.