Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

Forster's Reise um die Welt
1774.
October.
und unter die Mannschaft vertheilt. Das Fleisch sahe fast ganz schwarz, folg-
lich eben nicht sehr reizend aus; allein, wenn das Fett davon abgeschnitten wur-
de, schmekte es doch wohl so erträglich als ein Stück troknes Rindfleisch. Auch
liessen wir uns zu Mittage ganz gut dabey seyn, und waren mit dem Fang gar
sehr zufrieden. Früh um 8 Uhr erblickte man vom Mastkorbe aus Land. Es
war eine kleine Insel von mittler Höhe, und, so wie Botany-Eiland, überall
mit Cypressen bewachsen. Schon in beträchtlicher Entfernung vom Ufer war
die See ziemlich seicht, nämlich abwechselnd höchstens mit 20 Faden zu ergrün-
den. Nach Verlauf einer Stunde befanden wir uns nahe genug, um
die Länge der Insel auf zwo bis drey Meilen schätzen und wahrnehmen zu können,
daß sie sehr steil, fast gänzlich mit Waldung bedeckt, vermuthlich aber nicht
bewohnt sey. Die Menge von Wasservögeln, welche an der Küste umher schwärm-
ten, wiedersprach dieser Vermuthung nicht, und ließ uns zugleich von neuem
einer frischen Mahlzeit entgegen sehn. Das Mittagsessen ward zeitiger als
gewöhnlich aufgetragen, und geschwinder als sonst verzehrt, weil wirs kaum er-
warten konnten, ans Land zu gehn. Der Capitain hatte mittlerweile zween
Boote in Bereitschaft setzen lassen, in denen wir, zwischen großen Klip-
pen- und Felsen-Massen, die von der Insel weit in See reichten, nach einer klei-
nen Bucht hinruderten, welche vermittelst jener Klippen dermaaßen geschützt war,
daß die Boote ganz ruhig darinn ankern konnten. Unterhalb am Strande lagen
große Steinklumpen, von welchen das Ufer gleich sehr steil und, an einigen Orten,
völlig senkrecht emporstieg. Zwischen zween Hügeln träufelte in einer Kluft ein
kleiner Bach herab, an dessen Ufern wir heraufstiegen, und mit der größten Be-
schwerde in die Wälder drangen, indem ein dichtes Verhack von Winden- und
Schlingpflanzen den Zugang versperrte. Sobald wir aber etwas tiefer kamen,
ward der Wald ziemlich frey, und der Weg bequemer. Die Felsen dieser In-
sel bestanden aus dem gewöhnlichen gelblichen, thonartigen Gestein, das wir von
Neu-Seeland her kannten. Hin und wieder fanden sich kleine Stückgen
röthlicher, schwammiger Lava, die schon verwittert waren, und muthmassen
liessen, daß ehemals ein Volcan allhier gebrannt habe. Der Boden war so
fett als er seyn konnte, vielleicht Jahrhunderte lang mit verfaulenden Holz-
spänen und andern Pflanzentheilchen gedüngt. In solchem Erdreich mußte

Forſter’s Reiſe um die Welt
1774.
October.
und unter die Mannſchaft vertheilt. Das Fleiſch ſahe faſt ganz ſchwarz, folg-
lich eben nicht ſehr reizend aus; allein, wenn das Fett davon abgeſchnitten wur-
de, ſchmekte es doch wohl ſo ertraͤglich als ein Stuͤck troknes Rindfleiſch. Auch
lieſſen wir uns zu Mittage ganz gut dabey ſeyn, und waren mit dem Fang gar
ſehr zufrieden. Fruͤh um 8 Uhr erblickte man vom Maſtkorbe aus Land. Es
war eine kleine Inſel von mittler Hoͤhe, und, ſo wie Botany-Eiland, uͤberall
mit Cypreſſen bewachſen. Schon in betraͤchtlicher Entfernung vom Ufer war
die See ziemlich ſeicht, naͤmlich abwechſelnd hoͤchſtens mit 20 Faden zu ergruͤn-
den. Nach Verlauf einer Stunde befanden wir uns nahe genug, um
die Laͤnge der Inſel auf zwo bis drey Meilen ſchaͤtzen und wahrnehmen zu koͤnnen,
daß ſie ſehr ſteil, faſt gaͤnzlich mit Waldung bedeckt, vermuthlich aber nicht
bewohnt ſey. Die Menge von Waſſervoͤgeln, welche an der Kuͤſte umher ſchwaͤrm-
ten, wiederſprach dieſer Vermuthung nicht, und ließ uns zugleich von neuem
einer friſchen Mahlzeit entgegen ſehn. Das Mittagseſſen ward zeitiger als
gewoͤhnlich aufgetragen, und geſchwinder als ſonſt verzehrt, weil wirs kaum er-
warten konnten, ans Land zu gehn. Der Capitain hatte mittlerweile zween
Boote in Bereitſchaft ſetzen laſſen, in denen wir, zwiſchen großen Klip-
pen- und Felſen-Maſſen, die von der Inſel weit in See reichten, nach einer klei-
nen Bucht hinruderten, welche vermittelſt jener Klippen dermaaßen geſchuͤtzt war,
daß die Boote ganz ruhig darinn ankern konnten. Unterhalb am Strande lagen
große Steinklumpen, von welchen das Ufer gleich ſehr ſteil und, an einigen Orten,
voͤllig ſenkrecht emporſtieg. Zwiſchen zween Huͤgeln traͤufelte in einer Kluft ein
kleiner Bach herab, an deſſen Ufern wir heraufſtiegen, und mit der groͤßten Be-
ſchwerde in die Waͤlder drangen, indem ein dichtes Verhack von Winden- und
Schlingpflanzen den Zugang verſperrte. Sobald wir aber etwas tiefer kamen,
ward der Wald ziemlich frey, und der Weg bequemer. Die Felſen dieſer In-
ſel beſtanden aus dem gewoͤhnlichen gelblichen, thonartigen Geſtein, das wir von
Neu-Seeland her kannten. Hin und wieder fanden ſich kleine Stuͤckgen
roͤthlicher, ſchwammiger Lava, die ſchon verwittert waren, und muthmaſſen
lieſſen, daß ehemals ein Volcan allhier gebrannt habe. Der Boden war ſo
fett als er ſeyn konnte, vielleicht Jahrhunderte lang mit verfaulenden Holz-
ſpaͤnen und andern Pflanzentheilchen geduͤngt. In ſolchem Erdreich mußte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0366" n="348"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>For&#x017F;ter&#x2019;s</persName> Rei&#x017F;e um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1774.<lb/>
October.</note>und unter die Mann&#x017F;chaft vertheilt. Das Flei&#x017F;ch &#x017F;ahe fa&#x017F;t ganz &#x017F;chwarz, folg-<lb/>
lich eben nicht &#x017F;ehr reizend aus; allein, wenn das Fett davon abge&#x017F;chnitten wur-<lb/>
de, &#x017F;chmekte es doch wohl &#x017F;o ertra&#x0364;glich als ein Stu&#x0364;ck troknes Rindflei&#x017F;ch. Auch<lb/>
lie&#x017F;&#x017F;en wir uns zu Mittage ganz gut dabey &#x017F;eyn, und waren mit dem Fang gar<lb/>
&#x017F;ehr zufrieden. Fru&#x0364;h um 8 Uhr erblickte man vom Ma&#x017F;tkorbe aus Land. Es<lb/>
war eine kleine In&#x017F;el von mittler Ho&#x0364;he, und, &#x017F;o wie <hi rendition="#fr"><placeName>Botany-Eiland</placeName></hi>, u&#x0364;berall<lb/>
mit Cypre&#x017F;&#x017F;en bewach&#x017F;en. Schon in betra&#x0364;chtlicher Entfernung vom Ufer war<lb/>
die See ziemlich &#x017F;eicht, na&#x0364;mlich abwech&#x017F;elnd ho&#x0364;ch&#x017F;tens mit 20 Faden zu ergru&#x0364;n-<lb/>
den. Nach Verlauf einer Stunde befanden wir uns nahe genug, um<lb/>
die La&#x0364;nge der In&#x017F;el auf zwo bis drey Meilen &#x017F;cha&#x0364;tzen und wahrnehmen zu ko&#x0364;nnen,<lb/>
daß &#x017F;ie &#x017F;ehr &#x017F;teil, fa&#x017F;t ga&#x0364;nzlich mit Waldung bedeckt, vermuthlich aber nicht<lb/>
bewohnt &#x017F;ey. Die Menge von Wa&#x017F;&#x017F;ervo&#x0364;geln, welche an der Ku&#x0364;&#x017F;te umher &#x017F;chwa&#x0364;rm-<lb/>
ten, wieder&#x017F;prach die&#x017F;er Vermuthung nicht, und ließ uns zugleich von neuem<lb/>
einer fri&#x017F;chen Mahlzeit entgegen &#x017F;ehn. Das Mittagse&#x017F;&#x017F;en ward zeitiger als<lb/>
gewo&#x0364;hnlich aufgetragen, und ge&#x017F;chwinder als &#x017F;on&#x017F;t verzehrt, weil wirs kaum er-<lb/>
warten konnten, ans Land zu gehn. Der Capitain hatte mittlerweile zween<lb/>
Boote in Bereit&#x017F;chaft &#x017F;etzen la&#x017F;&#x017F;en, in denen wir, zwi&#x017F;chen großen Klip-<lb/>
pen- und Fel&#x017F;en-Ma&#x017F;&#x017F;en, die von der In&#x017F;el weit in See reichten, nach einer klei-<lb/>
nen Bucht hinruderten, welche vermittel&#x017F;t jener Klippen dermaaßen ge&#x017F;chu&#x0364;tzt war,<lb/>
daß die Boote ganz ruhig darinn ankern konnten. Unterhalb am Strande lagen<lb/>
große Steinklumpen, von welchen das Ufer gleich &#x017F;ehr &#x017F;teil und, an einigen Orten,<lb/>
vo&#x0364;llig &#x017F;enkrecht empor&#x017F;tieg. Zwi&#x017F;chen zween Hu&#x0364;geln tra&#x0364;ufelte in einer Kluft ein<lb/>
kleiner Bach herab, an de&#x017F;&#x017F;en Ufern wir herauf&#x017F;tiegen, und mit der gro&#x0364;ßten Be-<lb/>
&#x017F;chwerde in die Wa&#x0364;lder drangen, indem ein dichtes Verhack von Winden- und<lb/>
Schlingpflanzen den Zugang ver&#x017F;perrte. Sobald wir aber etwas tiefer kamen,<lb/>
ward der Wald ziemlich frey, und der Weg bequemer. Die Fel&#x017F;en die&#x017F;er In-<lb/>
&#x017F;el be&#x017F;tanden aus dem gewo&#x0364;hnlichen gelblichen, thonartigen Ge&#x017F;tein, das wir von<lb/><hi rendition="#fr"><placeName>Neu-Seeland</placeName></hi> her kannten. Hin und wieder fanden &#x017F;ich kleine Stu&#x0364;ckgen<lb/>
ro&#x0364;thlicher, &#x017F;chwammiger Lava, die &#x017F;chon verwittert waren, und muthma&#x017F;&#x017F;en<lb/>
lie&#x017F;&#x017F;en, daß ehemals ein Volcan allhier gebrannt habe. Der Boden war &#x017F;o<lb/>
fett als er &#x017F;eyn konnte, vielleicht Jahrhunderte lang mit verfaulenden Holz-<lb/>
&#x017F;pa&#x0364;nen und andern Pflanzentheilchen gedu&#x0364;ngt. In &#x017F;olchem Erdreich mußte<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[348/0366] Forſter’s Reiſe um die Welt und unter die Mannſchaft vertheilt. Das Fleiſch ſahe faſt ganz ſchwarz, folg- lich eben nicht ſehr reizend aus; allein, wenn das Fett davon abgeſchnitten wur- de, ſchmekte es doch wohl ſo ertraͤglich als ein Stuͤck troknes Rindfleiſch. Auch lieſſen wir uns zu Mittage ganz gut dabey ſeyn, und waren mit dem Fang gar ſehr zufrieden. Fruͤh um 8 Uhr erblickte man vom Maſtkorbe aus Land. Es war eine kleine Inſel von mittler Hoͤhe, und, ſo wie Botany-Eiland, uͤberall mit Cypreſſen bewachſen. Schon in betraͤchtlicher Entfernung vom Ufer war die See ziemlich ſeicht, naͤmlich abwechſelnd hoͤchſtens mit 20 Faden zu ergruͤn- den. Nach Verlauf einer Stunde befanden wir uns nahe genug, um die Laͤnge der Inſel auf zwo bis drey Meilen ſchaͤtzen und wahrnehmen zu koͤnnen, daß ſie ſehr ſteil, faſt gaͤnzlich mit Waldung bedeckt, vermuthlich aber nicht bewohnt ſey. Die Menge von Waſſervoͤgeln, welche an der Kuͤſte umher ſchwaͤrm- ten, wiederſprach dieſer Vermuthung nicht, und ließ uns zugleich von neuem einer friſchen Mahlzeit entgegen ſehn. Das Mittagseſſen ward zeitiger als gewoͤhnlich aufgetragen, und geſchwinder als ſonſt verzehrt, weil wirs kaum er- warten konnten, ans Land zu gehn. Der Capitain hatte mittlerweile zween Boote in Bereitſchaft ſetzen laſſen, in denen wir, zwiſchen großen Klip- pen- und Felſen-Maſſen, die von der Inſel weit in See reichten, nach einer klei- nen Bucht hinruderten, welche vermittelſt jener Klippen dermaaßen geſchuͤtzt war, daß die Boote ganz ruhig darinn ankern konnten. Unterhalb am Strande lagen große Steinklumpen, von welchen das Ufer gleich ſehr ſteil und, an einigen Orten, voͤllig ſenkrecht emporſtieg. Zwiſchen zween Huͤgeln traͤufelte in einer Kluft ein kleiner Bach herab, an deſſen Ufern wir heraufſtiegen, und mit der groͤßten Be- ſchwerde in die Waͤlder drangen, indem ein dichtes Verhack von Winden- und Schlingpflanzen den Zugang verſperrte. Sobald wir aber etwas tiefer kamen, ward der Wald ziemlich frey, und der Weg bequemer. Die Felſen dieſer In- ſel beſtanden aus dem gewoͤhnlichen gelblichen, thonartigen Geſtein, das wir von Neu-Seeland her kannten. Hin und wieder fanden ſich kleine Stuͤckgen roͤthlicher, ſchwammiger Lava, die ſchon verwittert waren, und muthmaſſen lieſſen, daß ehemals ein Volcan allhier gebrannt habe. Der Boden war ſo fett als er ſeyn konnte, vielleicht Jahrhunderte lang mit verfaulenden Holz- ſpaͤnen und andern Pflanzentheilchen geduͤngt. In ſolchem Erdreich mußte 1774. October.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/366
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/366>, abgerufen am 24.11.2024.