Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.Forster's Reise um die Welt 1774.Decem- ber.lich, daß diese Gegend bewohnt seyn könne. Wir glaubten vielmehr, daß sich die Wilden blos an der östlichen Küste von Tierra del Fuego, und an den Ufern der Magellanischen Meerenge aufhielten. Allein, nach diesen Hütten zu urtheilen, muß unsre Gattung wohl alle mögliche Witterungsarten ausstehen, und in den brennenden afrikanischen Sandwüsten eben so wohl als an beyden ge- frornen Enden der Welt ausdauren können. Wir landeten noch auf einigen an- dern Inseln, doch war der Prospect des Havens, des vielen Schnees wegen, über- all wintermäßig, wild und schauderhaft. In dieser Weltgegend fieng grade jetzt der Sommer an; die wenigen einheimischen Pflanzen standen in Blüthe und die Vögel nährten ihre junge Brut. Hatte also die Sonne jetzt noch nicht Kraft genug den Schnee zu schmelzen, so kann man sich, ohne mein Zuthun, vor- stellen, wie starr und traurig es im Winter aussehen müße! Je tiefer wir in die Bucht hineinruderten, desto mehr Schnee entdeckten wir auf den Ber- gen. Hie und da stürzten sich, über diese weisse Decke, Quellen und Ströme herab, vornehmlich an solchen Orten, wo die Würkung der Sonnen- stralen durch Felsenwände befördert und verstärkt wurde. Nach ziemlich langem Umherrudern, fanden wir endlich einen ausnehmend schönen Haven, in Form eines cirkelrunden Behälters (bassin) wo das Wasser spiegelglatt und voll- kommen durchsichtig war. Längst dem Ufer stand, bis an die See herab, eine Menge höherer und ansehnlicher Bäume, als in der ganzen übrigen Gegend. Zwischen denselben rauschten mehrere kleine Bäche schäumend hervor, und bo- ten dem Seefahrer, zu Anfüllung seiner Wasserfässer, alle mögliche Bequemlich- keit dar. Aber mehr als alles dieses überraschte uns das Zwitschern von einer Menge kleiner Vögel, die sich bey dem lieblichen Sonnenschein in dieser schatten- reichen Einöde versammelt hatten. Sie waren von verschiedenen Arten, und durchgehends mit Menschen noch so unbekannt, daß sie ganz nahe herbeyhüpf- ten. Hätten wir eine andere als die gröbste Sorte von Schroot bey uns gehabt, so möchte ihnen ihr Zutrauen sehr übel bekommen seyn! Zwischen den Bäumen sproßten allerhand Moos-Arten, Farrenkraut und Schlingpflanzen auf, so daß man kaum dafür gehen konnte, und, zur Freude des Botanikers, fehlte es diesem Walde auch an Blumen nicht. Solchergestalt war wenigstens ein Schattenbild vom Sommer vorhanden; blickte man aber auf die im Hintergrunde befindli- Forſter’s Reiſe um die Welt 1774.Decem- ber.lich, daß dieſe Gegend bewohnt ſeyn koͤnne. Wir glaubten vielmehr, daß ſich die Wilden blos an der oͤſtlichen Kuͤſte von Tierra del Fuego, und an den Ufern der Magellaniſchen Meerenge aufhielten. Allein, nach dieſen Huͤtten zu urtheilen, muß unſre Gattung wohl alle moͤgliche Witterungsarten ausſtehen, und in den brennenden afrikaniſchen Sandwuͤſten eben ſo wohl als an beyden ge- frornen Enden der Welt ausdauren koͤnnen. Wir landeten noch auf einigen an- dern Inſeln, doch war der Proſpect des Havens, des vielen Schnees wegen, uͤber- all wintermaͤßig, wild und ſchauderhaft. In dieſer Weltgegend fieng grade jetzt der Sommer an; die wenigen einheimiſchen Pflanzen ſtanden in Bluͤthe und die Voͤgel naͤhrten ihre junge Brut. Hatte alſo die Sonne jetzt noch nicht Kraft genug den Schnee zu ſchmelzen, ſo kann man ſich, ohne mein Zuthun, vor- ſtellen, wie ſtarr und traurig es im Winter ausſehen muͤße! Je tiefer wir in die Bucht hineinruderten, deſto mehr Schnee entdeckten wir auf den Ber- gen. Hie und da ſtuͤrzten ſich, uͤber dieſe weiſſe Decke, Quellen und Stroͤme herab, vornehmlich an ſolchen Orten, wo die Wuͤrkung der Sonnen- ſtralen durch Felſenwaͤnde befoͤrdert und verſtaͤrkt wurde. Nach ziemlich langem Umherrudern, fanden wir endlich einen ausnehmend ſchoͤnen Haven, in Form eines cirkelrunden Behaͤlters (baſſin) wo das Waſſer ſpiegelglatt und voll- kommen durchſichtig war. Laͤngſt dem Ufer ſtand, bis an die See herab, eine Menge hoͤherer und anſehnlicher Baͤume, als in der ganzen uͤbrigen Gegend. Zwiſchen denſelben rauſchten mehrere kleine Baͤche ſchaͤumend hervor, und bo- ten dem Seefahrer, zu Anfuͤllung ſeiner Waſſerfaͤſſer, alle moͤgliche Bequemlich- keit dar. Aber mehr als alles dieſes uͤberraſchte uns das Zwitſchern von einer Menge kleiner Voͤgel, die ſich bey dem lieblichen Sonnenſchein in dieſer ſchatten- reichen Einoͤde verſammelt hatten. Sie waren von verſchiedenen Arten, und durchgehends mit Menſchen noch ſo unbekannt, daß ſie ganz nahe herbeyhuͤpf- ten. Haͤtten wir eine andere als die groͤbſte Sorte von Schroot bey uns gehabt, ſo moͤchte ihnen ihr Zutrauen ſehr uͤbel bekommen ſeyn! Zwiſchen den Baͤumen ſproßten allerhand Moos-Arten, Farrenkraut und Schlingpflanzen auf, ſo daß man kaum dafuͤr gehen konnte, und, zur Freude des Botanikers, fehlte es dieſem Walde auch an Blumen nicht. Solchergeſtalt war wenigſtens ein Schattenbild vom Sommer vorhanden; blickte man aber auf die im Hintergrunde befindli- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0404" n="386"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>Forſter’s</persName> Reiſe um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1774.<lb/> Decem-<lb/> ber.</note>lich, daß dieſe Gegend bewohnt ſeyn koͤnne. Wir glaubten vielmehr, daß ſich<lb/> die Wilden blos an der oͤſtlichen Kuͤſte von <hi rendition="#fr"><placeName>Tierra del Fuego</placeName></hi>, und an den<lb/> Ufern der <hi rendition="#fr"><placeName>Magellaniſchen Meerenge</placeName></hi> aufhielten. 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Forſter’s Reiſe um die Welt
lich, daß dieſe Gegend bewohnt ſeyn koͤnne. Wir glaubten vielmehr, daß ſich
die Wilden blos an der oͤſtlichen Kuͤſte von Tierra del Fuego, und an den
Ufern der Magellaniſchen Meerenge aufhielten. Allein, nach dieſen Huͤtten
zu urtheilen, muß unſre Gattung wohl alle moͤgliche Witterungsarten ausſtehen,
und in den brennenden afrikaniſchen Sandwuͤſten eben ſo wohl als an beyden ge-
frornen Enden der Welt ausdauren koͤnnen. Wir landeten noch auf einigen an-
dern Inſeln, doch war der Proſpect des Havens, des vielen Schnees wegen, uͤber-
all wintermaͤßig, wild und ſchauderhaft. In dieſer Weltgegend fieng grade jetzt
der Sommer an; die wenigen einheimiſchen Pflanzen ſtanden in Bluͤthe und die
Voͤgel naͤhrten ihre junge Brut. Hatte alſo die Sonne jetzt noch nicht Kraft
genug den Schnee zu ſchmelzen, ſo kann man ſich, ohne mein Zuthun, vor-
ſtellen, wie ſtarr und traurig es im Winter ausſehen muͤße! Je tiefer wir
in die Bucht hineinruderten, deſto mehr Schnee entdeckten wir auf den Ber-
gen. Hie und da ſtuͤrzten ſich, uͤber dieſe weiſſe Decke, Quellen und
Stroͤme herab, vornehmlich an ſolchen Orten, wo die Wuͤrkung der Sonnen-
ſtralen durch Felſenwaͤnde befoͤrdert und verſtaͤrkt wurde. Nach ziemlich langem
Umherrudern, fanden wir endlich einen ausnehmend ſchoͤnen Haven, in Form
eines cirkelrunden Behaͤlters (baſſin) wo das Waſſer ſpiegelglatt und voll-
kommen durchſichtig war. Laͤngſt dem Ufer ſtand, bis an die See herab, eine
Menge hoͤherer und anſehnlicher Baͤume, als in der ganzen uͤbrigen Gegend.
Zwiſchen denſelben rauſchten mehrere kleine Baͤche ſchaͤumend hervor, und bo-
ten dem Seefahrer, zu Anfuͤllung ſeiner Waſſerfaͤſſer, alle moͤgliche Bequemlich-
keit dar. Aber mehr als alles dieſes uͤberraſchte uns das Zwitſchern von einer
Menge kleiner Voͤgel, die ſich bey dem lieblichen Sonnenſchein in dieſer ſchatten-
reichen Einoͤde verſammelt hatten. Sie waren von verſchiedenen Arten, und
durchgehends mit Menſchen noch ſo unbekannt, daß ſie ganz nahe herbeyhuͤpf-
ten. Haͤtten wir eine andere als die groͤbſte Sorte von Schroot bey uns gehabt,
ſo moͤchte ihnen ihr Zutrauen ſehr uͤbel bekommen ſeyn! Zwiſchen den Baͤumen
ſproßten allerhand Moos-Arten, Farrenkraut und Schlingpflanzen auf, ſo daß
man kaum dafuͤr gehen konnte, und, zur Freude des Botanikers, fehlte es dieſem
Walde auch an Blumen nicht. Solchergeſtalt war wenigſtens ein Schattenbild
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