Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.Forster's Reise um die Welt 1774.Aprilwollene Bettdecken, die dem Capitain zugehörten, und gewaschen werden sollten, aus den Zelten gestohlen wären. Der Capitain fuhr also gegen zehn Uhr ans Land, um dem Könige seinen Besuch abzustatten, und ihn, zu Wiedererlangung des Entwendeten, um seine Vermittlung anzusprechen. Dr. Sparrmann, mein Vater, nebst noch einigen andern Herren, begleiteten ihn, und ich meines Theils, war auch wieder so weit hergestellt, daß ich mit von der Gesellschaft seyn konnte. Bey unsrer Ankunft auf der Küste von O-Parre, wurden wir durch einen Anblick überrascht, den in der Süd-See gewiß niemand von uns erwar- tet hatte. Längst dem Ufer lag nemlich eine zahlreiche Flotte von großen Krie- ges-Canots vor Anker, mit Ruderern und Streitern bemannet, die in ihrer völligen Rüstung mit Brustschilden und hohen Helmen versehen waren. Der ganze Strand wimmelte von Menschen, doch herrschte unter der ganzen Menge ein allgemeines, feyerliches Stillschweigen. Wir hatten kaum das Ufer erreicht, als uns einer von des Königs Vettern, Namens Tih, entgegen kam, um den Capitain mit sich ins Land hinauf zu nehmen. Aber in demselben Au- genblick trat auch der Oberbefehlshaber der Flotte ans Ufer und eilte, uns aufs höflichste zu bewillkommen. Bey seiner Annäherung rief das gemeine Volk aus, Tohah kömmt! und machte ihm mit einer Ehrfurcht, die uns in Ver- wundrung setzte, Platz. Er gieng gerade auf den Capitain Cook zu, gab ihm die Hand, nannte ihn seinen Freund! und bat, daß er in sein Canot treten mög- te. Mit diesem Antrag aber schien Tih nicht so ganz zufrieden, sondern viel- mehr in Verlegenheit zu seyn, daß Capitain Cook ihn verlassen und dagegen mit Tohah gehen wollte. Unterdessen waren wir bis an das Canot des Admirals ge- kommen, und der Capitain war fast im Begriff hineinzusteigen, als er sich eines andern besann und die Einladung ablehnte. Tohah, der sich dadurch beleidi- get fand, verließ uns darauf mit offenbarem Kaltsinn und stieg allein in sein Canot; wir aber, ohne uns weiter um ihn zu bekümmern, nahmen die Schiffe, die in gerader Linie, und alle mit dem Vordertheil gegen das Land gekehrt lagen, eins nach dem andern, in näheren Augenschein. Der Anblick dieser Flotte setzte uns mit Recht in Erstaunen, weil er in der That alles, was wir uns bisher von der Macht und dem Reichthum dieser Insel vorgestellt hatten, bey weitem übertraf. Es waren nicht weniger als hundert und neun und funfzig große, doppelte Kriegs- Forſter’s Reiſe um die Welt 1774.Aprilwollene Bettdecken, die dem Capitain zugehoͤrten, und gewaſchen werden ſollten, aus den Zelten geſtohlen waͤren. Der Capitain fuhr alſo gegen zehn Uhr ans Land, um dem Koͤnige ſeinen Beſuch abzuſtatten, und ihn, zu Wiedererlangung des Entwendeten, um ſeine Vermittlung anzuſprechen. Dr. Sparrmann, mein Vater, nebſt noch einigen andern Herren, begleiteten ihn, und ich meines Theils, war auch wieder ſo weit hergeſtellt, daß ich mit von der Geſellſchaft ſeyn konnte. Bey unſrer Ankunft auf der Kuͤſte von O-Parre, wurden wir durch einen Anblick uͤberraſcht, den in der Suͤd-See gewiß niemand von uns erwar- tet hatte. Laͤngſt dem Ufer lag nemlich eine zahlreiche Flotte von großen Krie- ges-Canots vor Anker, mit Ruderern und Streitern bemannet, die in ihrer voͤlligen Ruͤſtung mit Bruſtſchilden und hohen Helmen verſehen waren. Der ganze Strand wimmelte von Menſchen, doch herrſchte unter der ganzen Menge ein allgemeines, feyerliches Stillſchweigen. Wir hatten kaum das Ufer erreicht, als uns einer von des Koͤnigs Vettern, Namens Tih, entgegen kam, um den Capitain mit ſich ins Land hinauf zu nehmen. Aber in demſelben Au- genblick trat auch der Oberbefehlshaber der Flotte ans Ufer und eilte, uns aufs hoͤflichſte zu bewillkommen. Bey ſeiner Annaͤherung rief das gemeine Volk aus, Tohah koͤmmt! und machte ihm mit einer Ehrfurcht, die uns in Ver- wundrung ſetzte, Platz. Er gieng gerade auf den Capitain Cook zu, gab ihm die Hand, nannte ihn ſeinen Freund! und bat, daß er in ſein Canot treten moͤg- te. Mit dieſem Antrag aber ſchien Tih nicht ſo ganz zufrieden, ſondern viel- mehr in Verlegenheit zu ſeyn, daß Capitain Cook ihn verlaſſen und dagegen mit Tohah gehen wollte. Unterdeſſen waren wir bis an das Canot des Admirals ge- kommen, und der Capitain war faſt im Begriff hineinzuſteigen, als er ſich eines andern beſann und die Einladung ablehnte. Tohah, der ſich dadurch beleidi- get fand, verließ uns darauf mit offenbarem Kaltſinn und ſtieg allein in ſein Canot; wir aber, ohne uns weiter um ihn zu bekuͤmmern, nahmen die Schiffe, die in gerader Linie, und alle mit dem Vordertheil gegen das Land gekehrt lagen, eins nach dem andern, in naͤheren Augenſchein. Der Anblick dieſer Flotte ſetzte uns mit Recht in Erſtaunen, weil er in der That alles, was wir uns bisher von der Macht und dem Reichthum dieſer Inſel vorgeſtellt hatten, bey weitem uͤbertraf. Es waren nicht weniger als hundert und neun und funfzig große, doppelte Kriegs- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0058" n="46"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>Forſter’s</persName> Reiſe um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1774.<lb/> April</note>wollene Bettdecken, die dem Capitain zugehoͤrten, und gewaſchen werden ſollten,<lb/> aus den Zelten geſtohlen waͤren. 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Forſter’s Reiſe um die Welt
wollene Bettdecken, die dem Capitain zugehoͤrten, und gewaſchen werden ſollten,
aus den Zelten geſtohlen waͤren. Der Capitain fuhr alſo gegen zehn Uhr ans
Land, um dem Koͤnige ſeinen Beſuch abzuſtatten, und ihn, zu Wiedererlangung
des Entwendeten, um ſeine Vermittlung anzuſprechen. Dr. Sparrmann,
mein Vater, nebſt noch einigen andern Herren, begleiteten ihn, und ich meines
Theils, war auch wieder ſo weit hergeſtellt, daß ich mit von der Geſellſchaft ſeyn
konnte. Bey unſrer Ankunft auf der Kuͤſte von O-Parre, wurden wir durch
einen Anblick uͤberraſcht, den in der Suͤd-See gewiß niemand von uns erwar-
tet hatte. Laͤngſt dem Ufer lag nemlich eine zahlreiche Flotte von großen Krie-
ges-Canots vor Anker, mit Ruderern und Streitern bemannet, die in ihrer
voͤlligen Ruͤſtung mit Bruſtſchilden und hohen Helmen verſehen waren.
Der ganze Strand wimmelte von Menſchen, doch herrſchte unter der ganzen
Menge ein allgemeines, feyerliches Stillſchweigen. Wir hatten kaum das Ufer
erreicht, als uns einer von des Koͤnigs Vettern, Namens Tih, entgegen kam,
um den Capitain mit ſich ins Land hinauf zu nehmen. Aber in demſelben Au-
genblick trat auch der Oberbefehlshaber der Flotte ans Ufer und eilte, uns aufs
hoͤflichſte zu bewillkommen. Bey ſeiner Annaͤherung rief das gemeine Volk
aus, Tohah koͤmmt! und machte ihm mit einer Ehrfurcht, die uns in Ver-
wundrung ſetzte, Platz. Er gieng gerade auf den Capitain Cook zu, gab ihm
die Hand, nannte ihn ſeinen Freund! und bat, daß er in ſein Canot treten moͤg-
te. Mit dieſem Antrag aber ſchien Tih nicht ſo ganz zufrieden, ſondern viel-
mehr in Verlegenheit zu ſeyn, daß Capitain Cook ihn verlaſſen und dagegen mit
Tohah gehen wollte. Unterdeſſen waren wir bis an das Canot des Admirals ge-
kommen, und der Capitain war faſt im Begriff hineinzuſteigen, als er ſich eines
andern beſann und die Einladung ablehnte. Tohah, der ſich dadurch beleidi-
get fand, verließ uns darauf mit offenbarem Kaltſinn und ſtieg allein in ſein
Canot; wir aber, ohne uns weiter um ihn zu bekuͤmmern, nahmen die Schiffe,
die in gerader Linie, und alle mit dem Vordertheil gegen das Land gekehrt lagen,
eins nach dem andern, in naͤheren Augenſchein. Der Anblick dieſer Flotte ſetzte uns
mit Recht in Erſtaunen, weil er in der That alles, was wir uns bisher von der
Macht und dem Reichthum dieſer Inſel vorgeſtellt hatten, bey weitem uͤbertraf.
Es waren nicht weniger als hundert und neun und funfzig große, doppelte Kriegs-
1774.
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