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Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810.

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an des Grafen Brust sinken. -- Mein Gemüth war so ergriffen von den eben empfangenen Eindrücken, daß ich überall ähnliche Schrecken sah und ganz trostlos rief: sie stirbt, sie stirbt! Der Graf, durch nichts erschüttert, trug Viola zu einer Anhöhe, die eine freie Aussicht in das Feld eröffnete, aus welchem uns die Luft rein und erfrischend entgegen wehete. Hier erholte sich die Gräfin bald genug, um über einen Zufall zu lächeln, der, wie sie sagte, leicht hätte glauben lassen, jene mährchenhafte Sage könne solche Gewalt über sie ausüben. Ich war nicht einen Augenblick im Irrthum hierüber, erwiederte der Graf; allein unsre Freundin, die alles zu ernst und wichtig für das wirkliche Leben nimmt, sah Dich schon von den feindlichen Geistern der Falkensteine gefangen. Wir scherzten bald alle über die Begebenheit, und als wir bei unsrer Rückkehr Besuch aus der Nachbarschaft antrafen, überließ sich Viola der allerheitersten Laune, die sich immer mehr steigernd, zuletzt alles wie im Rausche fortriß. Ich war daher sehr überrascht, als sie in der Nacht ernst und mit sichtlicher Anstrengung vor mein Bett trat. Erschrick nicht, liebe Mathilde, sagte sie leise, ich habe mit Dir zu reden, und Du mußt besonnen sein, um mich anhören zu können. Sie zündete darauf mehrere Lichte an, und vertheilte sie so, daß das ganze

an des Grafen Brust sinken. — Mein Gemüth war so ergriffen von den eben empfangenen Eindrücken, daß ich überall ähnliche Schrecken sah und ganz trostlos rief: sie stirbt, sie stirbt! Der Graf, durch nichts erschüttert, trug Viola zu einer Anhöhe, die eine freie Aussicht in das Feld eröffnete, aus welchem uns die Luft rein und erfrischend entgegen wehete. Hier erholte sich die Gräfin bald genug, um über einen Zufall zu lächeln, der, wie sie sagte, leicht hätte glauben lassen, jene mährchenhafte Sage könne solche Gewalt über sie ausüben. Ich war nicht einen Augenblick im Irrthum hierüber, erwiederte der Graf; allein unsre Freundin, die alles zu ernst und wichtig für das wirkliche Leben nimmt, sah Dich schon von den feindlichen Geistern der Falkensteine gefangen. Wir scherzten bald alle über die Begebenheit, und als wir bei unsrer Rückkehr Besuch aus der Nachbarschaft antrafen, überließ sich Viola der allerheitersten Laune, die sich immer mehr steigernd, zuletzt alles wie im Rausche fortriß. Ich war daher sehr überrascht, als sie in der Nacht ernst und mit sichtlicher Anstrengung vor mein Bett trat. Erschrick nicht, liebe Mathilde, sagte sie leise, ich habe mit Dir zu reden, und Du mußt besonnen sein, um mich anhören zu können. Sie zündete darauf mehrere Lichte an, und vertheilte sie so, daß das ganze

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[23/0031] an des Grafen Brust sinken. — Mein Gemüth war so ergriffen von den eben empfangenen Eindrücken, daß ich überall ähnliche Schrecken sah und ganz trostlos rief: sie stirbt, sie stirbt! Der Graf, durch nichts erschüttert, trug Viola zu einer Anhöhe, die eine freie Aussicht in das Feld eröffnete, aus welchem uns die Luft rein und erfrischend entgegen wehete. Hier erholte sich die Gräfin bald genug, um über einen Zufall zu lächeln, der, wie sie sagte, leicht hätte glauben lassen, jene mährchenhafte Sage könne solche Gewalt über sie ausüben. Ich war nicht einen Augenblick im Irrthum hierüber, erwiederte der Graf; allein unsre Freundin, die alles zu ernst und wichtig für das wirkliche Leben nimmt, sah Dich schon von den feindlichen Geistern der Falkensteine gefangen. Wir scherzten bald alle über die Begebenheit, und als wir bei unsrer Rückkehr Besuch aus der Nachbarschaft antrafen, überließ sich Viola der allerheitersten Laune, die sich immer mehr steigernd, zuletzt alles wie im Rausche fortriß. Ich war daher sehr überrascht, als sie in der Nacht ernst und mit sichtlicher Anstrengung vor mein Bett trat. Erschrick nicht, liebe Mathilde, sagte sie leise, ich habe mit Dir zu reden, und Du mußt besonnen sein, um mich anhören zu können. Sie zündete darauf mehrere Lichte an, und vertheilte sie so, daß das ganze

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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins01_1810/31>, abgerufen am 23.11.2024.