Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810.nichts, als den festen Glauben an die große Güte des Himmels, die niemand verderben läßt. Mein Vater, der ein armer Nadler in Goslar war, lebte und starb in dieser Ueberzeugung, und ließ mich, voll Vertrauen, im vierzehnten Jahre, ohne Beistand auf der Welt zurück. Unsre Nachbarn nahmen sich meiner an, trugen mir allerhand kleine häusliche Verrichtungen auf und gebrauchten mich zu Aufträgen in der Stadt, wobei ich indeß nur kärglich mein Brod hatte, und, an ein beständiges Herumlaufen gewöhnt, zu aller sitzenden Arbeit verdorben wurde, daher es auch niemand einfiel, mich als Magd in den Dienst zu nehmen. Ich hatte mehrere Jahre so verlebt, als es mir einmal schwer aufs Herz fiel, daß ich doch nirgend zu Hause sei, keinen Anhang habe, von niemand geliebt, höchstens aus Mitleid geduldet werde. Ich weiß es noch, es war an einem Sonntag, die Mädchen aus der Stadt gingen geputzt nach der Kirche, ich hatte nichts in meinem Vermögen, als einen schlechten Rock und eine zerrissene Schürze; ich sah betrübt auf die Letztre und trocknete mir die nassen Augen damit. Ein hübscher Knabe ging, mit dem Gesangbuch unter dem Arm, recht sittsam vorbei, und sagte sein: Gott grüß, Jungfer! so gutmüthig, daß ich ihm zurief: beten Sie für mich, liebes Kind, ich darf doch nicht in die Kirche hinein. nichts, als den festen Glauben an die große Güte des Himmels, die niemand verderben läßt. Mein Vater, der ein armer Nadler in Goslar war, lebte und starb in dieser Ueberzeugung, und ließ mich, voll Vertrauen, im vierzehnten Jahre, ohne Beistand auf der Welt zurück. Unsre Nachbarn nahmen sich meiner an, trugen mir allerhand kleine häusliche Verrichtungen auf und gebrauchten mich zu Aufträgen in der Stadt, wobei ich indeß nur kärglich mein Brod hatte, und, an ein beständiges Herumlaufen gewöhnt, zu aller sitzenden Arbeit verdorben wurde, daher es auch niemand einfiel, mich als Magd in den Dienst zu nehmen. Ich hatte mehrere Jahre so verlebt, als es mir einmal schwer aufs Herz fiel, daß ich doch nirgend zu Hause sei, keinen Anhang habe, von niemand geliebt, höchstens aus Mitleid geduldet werde. Ich weiß es noch, es war an einem Sonntag, die Mädchen aus der Stadt gingen geputzt nach der Kirche, ich hatte nichts in meinem Vermögen, als einen schlechten Rock und eine zerrissene Schürze; ich sah betrübt auf die Letztre und trocknete mir die nassen Augen damit. Ein hübscher Knabe ging, mit dem Gesangbuch unter dem Arm, recht sittsam vorbei, und sagte sein: Gott grüß, Jungfer! so gutmüthig, daß ich ihm zurief: beten Sie für mich, liebes Kind, ich darf doch nicht in die Kirche hinein. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0064" n="56"/> nichts, als den festen Glauben an die große Güte des Himmels, die niemand verderben läßt. Mein Vater, der ein armer Nadler in Goslar war, lebte und starb in dieser Ueberzeugung, und ließ mich, voll Vertrauen, im vierzehnten Jahre, ohne Beistand auf der Welt zurück. Unsre Nachbarn nahmen sich meiner an, trugen mir allerhand kleine häusliche Verrichtungen auf und gebrauchten mich zu Aufträgen in der Stadt, wobei ich indeß nur <choice><sic>täglich</sic><corr>kärglich</corr></choice> mein Brod hatte, und, an ein beständiges Herumlaufen gewöhnt, zu aller sitzenden Arbeit verdorben wurde, daher es auch niemand einfiel, mich als Magd in den Dienst zu nehmen. Ich hatte mehrere Jahre so verlebt, als es mir einmal schwer aufs Herz fiel, daß ich doch nirgend zu Hause sei, keinen Anhang habe, von niemand geliebt, höchstens aus Mitleid geduldet werde. Ich weiß es noch, es war an einem Sonntag, die Mädchen aus der Stadt gingen geputzt nach der Kirche, ich hatte nichts in meinem Vermögen, als einen schlechten Rock und eine zerrissene Schürze; ich sah betrübt auf die Letztre und trocknete mir die nassen Augen damit. Ein hübscher Knabe ging, mit dem Gesangbuch unter dem Arm, recht sittsam vorbei, und sagte sein: Gott grüß, Jungfer! so gutmüthig, daß ich ihm zurief: beten Sie für mich, liebes Kind, ich darf doch nicht in die Kirche hinein. </p> </div> </body> </text> </TEI> [56/0064]
nichts, als den festen Glauben an die große Güte des Himmels, die niemand verderben läßt. Mein Vater, der ein armer Nadler in Goslar war, lebte und starb in dieser Ueberzeugung, und ließ mich, voll Vertrauen, im vierzehnten Jahre, ohne Beistand auf der Welt zurück. Unsre Nachbarn nahmen sich meiner an, trugen mir allerhand kleine häusliche Verrichtungen auf und gebrauchten mich zu Aufträgen in der Stadt, wobei ich indeß nur kärglich mein Brod hatte, und, an ein beständiges Herumlaufen gewöhnt, zu aller sitzenden Arbeit verdorben wurde, daher es auch niemand einfiel, mich als Magd in den Dienst zu nehmen. Ich hatte mehrere Jahre so verlebt, als es mir einmal schwer aufs Herz fiel, daß ich doch nirgend zu Hause sei, keinen Anhang habe, von niemand geliebt, höchstens aus Mitleid geduldet werde. Ich weiß es noch, es war an einem Sonntag, die Mädchen aus der Stadt gingen geputzt nach der Kirche, ich hatte nichts in meinem Vermögen, als einen schlechten Rock und eine zerrissene Schürze; ich sah betrübt auf die Letztre und trocknete mir die nassen Augen damit. Ein hübscher Knabe ging, mit dem Gesangbuch unter dem Arm, recht sittsam vorbei, und sagte sein: Gott grüß, Jungfer! so gutmüthig, daß ich ihm zurief: beten Sie für mich, liebes Kind, ich darf doch nicht in die Kirche hinein.
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Zitationshilfe: | Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins01_1810/64>, abgerufen am 16.07.2024. |