Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810.die conventionelle Sprache selbst den groben Sinn nicht verbergen konnte, der sicher nie in Ihr Innres drang! Ach sie sind Alle, Alle nicht anders! jammerte Sophie. Alle? fragte Luise; auch Ihr Bruder? - Dieser trat eben jetzt wieder herein. Wenn es Dir doch möglich wäre, sagte er, sich zwischen beide Freundinnen setzend, zur Gesellschaft zurückzukehren, man vermißt Dich überall. Du leidest, fuhr er fort; ich darf nicht fragen, was Dich quält. Liebe Sophie, sei weniger verschlossen! Sieh! hier habe ich noch eine Schwester, die meine Theilnahme nicht zurückstößt. Er hatte Luisen bei der Hand gefaßt und blickte gerührt auf sie hin. Muß ich denn, sagte Sophie sanft, mein Innres nicht vor mir selbst verschließen? Und was gewönnest Du, in die Verwirrung hineinzusehn, wo eines das andre zerstört und keines das rechte ist? Ganz anders ist es mit Luisen; ein großer Schlag des Schlag des Schicksals hob sie über so peinigende Kämpfe hinaus. Für sie beginnt ganz eigentlich ein neues Dasein, dem sie mit jugendlicher Ungeduld eine sichre Richtung zu geben sucht. Ihr Gemüth ist frisch und wach, deshalb versteht sie Dich, und scheuet Deinen Blick so wenig, daß es ihr vielmehr wohl thut, ihm zu begegnen. Luise reichte sittig, vor den Obristen hingebeugt, ihre Hand der Freundin, die, bei eignem getrübten Denken, die conventionelle Sprache selbst den groben Sinn nicht verbergen konnte, der sicher nie in Ihr Innres drang! Ach sie sind Alle, Alle nicht anders! jammerte Sophie. Alle? fragte Luise; auch Ihr Bruder? – Dieser trat eben jetzt wieder herein. Wenn es Dir doch möglich wäre, sagte er, sich zwischen beide Freundinnen setzend, zur Gesellschaft zurückzukehren, man vermißt Dich überall. Du leidest, fuhr er fort; ich darf nicht fragen, was Dich quält. Liebe Sophie, sei weniger verschlossen! Sieh! hier habe ich noch eine Schwester, die meine Theilnahme nicht zurückstößt. Er hatte Luisen bei der Hand gefaßt und blickte gerührt auf sie hin. Muß ich denn, sagte Sophie sanft, mein Innres nicht vor mir selbst verschließen? Und was gewönnest Du, in die Verwirrung hineinzusehn, wo eines das andre zerstört und keines das rechte ist? Ganz anders ist es mit Luisen; ein großer Schlag des Schlag des Schicksals hob sie über so peinigende Kämpfe hinaus. Für sie beginnt ganz eigentlich ein neues Dasein, dem sie mit jugendlicher Ungeduld eine sichre Richtung zu geben sucht. Ihr Gemüth ist frisch und wach, deshalb versteht sie Dich, und scheuet Deinen Blick so wenig, daß es ihr vielmehr wohl thut, ihm zu begegnen. Luise reichte sittig, vor den Obristen hingebeugt, ihre Hand der Freundin, die, bei eignem getrübten Denken, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0109" n="107"/> die conventionelle Sprache selbst den groben Sinn nicht verbergen konnte, der sicher nie in Ihr Innres drang! Ach sie sind Alle, Alle nicht anders! jammerte Sophie. Alle? fragte Luise; auch Ihr Bruder? – Dieser trat eben jetzt wieder herein. Wenn es Dir doch möglich wäre, sagte er, sich zwischen beide Freundinnen setzend, zur Gesellschaft zurückzukehren, man vermißt Dich überall. Du leidest, fuhr er fort; ich darf nicht fragen, was Dich quält. Liebe Sophie, sei weniger verschlossen! Sieh! hier habe ich noch eine Schwester, die meine Theilnahme nicht zurückstößt. Er hatte Luisen bei der Hand gefaßt und blickte gerührt auf sie hin.</p> <p>Muß ich denn, sagte Sophie sanft, mein Innres nicht vor mir selbst verschließen? Und was gewönnest Du, in die Verwirrung hineinzusehn, wo eines das andre zerstört und keines das rechte ist? Ganz anders ist es mit Luisen; <hi rendition="#g">ein</hi> großer Schlag des Schlag des Schicksals hob sie über so peinigende Kämpfe hinaus. Für sie beginnt ganz eigentlich ein neues Dasein, dem sie mit jugendlicher Ungeduld eine sichre Richtung zu geben sucht. Ihr Gemüth ist frisch und wach, deshalb versteht sie Dich, und scheuet Deinen Blick so wenig, daß es ihr vielmehr wohl thut, ihm zu begegnen. Luise reichte sittig, vor den Obristen hingebeugt, ihre Hand der Freundin, die, bei eignem getrübten Denken, </p> </div> </body> </text> </TEI> [107/0109]
die conventionelle Sprache selbst den groben Sinn nicht verbergen konnte, der sicher nie in Ihr Innres drang! Ach sie sind Alle, Alle nicht anders! jammerte Sophie. Alle? fragte Luise; auch Ihr Bruder? – Dieser trat eben jetzt wieder herein. Wenn es Dir doch möglich wäre, sagte er, sich zwischen beide Freundinnen setzend, zur Gesellschaft zurückzukehren, man vermißt Dich überall. Du leidest, fuhr er fort; ich darf nicht fragen, was Dich quält. Liebe Sophie, sei weniger verschlossen! Sieh! hier habe ich noch eine Schwester, die meine Theilnahme nicht zurückstößt. Er hatte Luisen bei der Hand gefaßt und blickte gerührt auf sie hin.
Muß ich denn, sagte Sophie sanft, mein Innres nicht vor mir selbst verschließen? Und was gewönnest Du, in die Verwirrung hineinzusehn, wo eines das andre zerstört und keines das rechte ist? Ganz anders ist es mit Luisen; ein großer Schlag des Schlag des Schicksals hob sie über so peinigende Kämpfe hinaus. Für sie beginnt ganz eigentlich ein neues Dasein, dem sie mit jugendlicher Ungeduld eine sichre Richtung zu geben sucht. Ihr Gemüth ist frisch und wach, deshalb versteht sie Dich, und scheuet Deinen Blick so wenig, daß es ihr vielmehr wohl thut, ihm zu begegnen. Luise reichte sittig, vor den Obristen hingebeugt, ihre Hand der Freundin, die, bei eignem getrübten Denken,
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