von Liebe weiß ihre Seele nichts, eingeflößt zu haben meint, wobei man nie ermangelt, der Zärtlichkeit des Herzens anders, als mitlei- dig spottend zu erwähnen, und auf diese Weise die schönere Hinneigung der Empfindungen zu einer Fratze zu machen. Welche Seele wird die Verarmte wohl in ihre kommende Verhältnisse hineintragen, wenn so viel kalter Spaß den Frühling ihrer Gefühle vereiste.
Jch glaube, von den Jdealen hat man eben nicht so sonderlich viel zu fürchten. Denn gesetzt auch, es gäbe ein Gemüth so umfassend und erhaben, daß es in sich das Bild des Vollkommenen festhielte, was ver- liert das Leben dabei, sich einem innern Hei- ligendienst geweiht zu sehen? Doch hierüber sei jeder unbesorgt! Die Wirklichkeit wird zeitig genug davon abstrahiren lehren. Weit eher möchte es geschehen, daß ein herausge- putzter Alltagsheld, in die moderne Form ei- nes Romanenhelden hineingeschoben würde, und in den leicht zu copirenden Situationen gewöhnlicher Haus- und Familien-Jntri- guen figuriren müsse. Was hierzu erforder-
von Liebe weiß ihre Seele nichts, eingefloͤßt zu haben meint, wobei man nie ermangelt, der Zaͤrtlichkeit des Herzens anders, als mitlei- dig ſpottend zu erwaͤhnen, und auf dieſe Weiſe die ſchoͤnere Hinneigung der Empfindungen zu einer Fratze zu machen. Welche Seele wird die Verarmte wohl in ihre kommende Verhaͤltniſſe hineintragen, wenn ſo viel kalter Spaß den Fruͤhling ihrer Gefuͤhle vereiste.
Jch glaube, von den Jdealen hat man eben nicht ſo ſonderlich viel zu fuͤrchten. Denn geſetzt auch, es gaͤbe ein Gemuͤth ſo umfaſſend und erhaben, daß es in ſich das Bild des Vollkommenen feſthielte, was ver- liert das Leben dabei, ſich einem innern Hei- ligendienſt geweiht zu ſehen? Doch hieruͤber ſei jeder unbeſorgt! Die Wirklichkeit wird zeitig genug davon abſtrahiren lehren. Weit eher moͤchte es geſchehen, daß ein herausge- putzter Alltagsheld, in die moderne Form ei- nes Romanenhelden hineingeſchoben wuͤrde, und in den leicht zu copirenden Situationen gewoͤhnlicher Haus- und Familien-Jntri- guen figuriren muͤſſe. Was hierzu erforder-
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von Liebe weiß ihre Seele nichts, eingefloͤßt
zu haben meint, wobei man nie ermangelt,
der Zaͤrtlichkeit des Herzens anders, als mitlei-
dig ſpottend zu erwaͤhnen, und auf dieſe Weiſe
die ſchoͤnere Hinneigung der Empfindungen
zu einer Fratze zu machen. Welche Seele
wird die Verarmte wohl in ihre kommende
Verhaͤltniſſe hineintragen, wenn ſo viel kalter
Spaß den Fruͤhling ihrer Gefuͤhle vereiste.
Jch glaube, von den Jdealen hat man
eben nicht ſo ſonderlich viel zu fuͤrchten.
Denn geſetzt auch, es gaͤbe ein Gemuͤth ſo
umfaſſend und erhaben, daß es in ſich das
Bild des Vollkommenen feſthielte, was ver-
liert das Leben dabei, ſich einem innern Hei-
ligendienſt geweiht zu ſehen? Doch hieruͤber
ſei jeder unbeſorgt! Die Wirklichkeit wird
zeitig genug davon abſtrahiren lehren. Weit
eher moͤchte es geſchehen, daß ein herausge-
putzter Alltagsheld, in die moderne Form ei-
nes Romanenhelden hineingeſchoben wuͤrde,
und in den leicht zu copirenden Situationen
gewoͤhnlicher Haus- und Familien-Jntri-
guen figuriren muͤſſe. Was hierzu erforder-
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Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/78>, abgerufen am 24.11.2024.
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