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Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826.

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nach und nach den frischen jugendlichen
Trieb des Herzens durch absichtliche Rich-
tungen verkrüppeln, und schalen Selbstge-
nuß an die Stelle froh getheilter Heiterkeit
schieben.

Es hat wirklich das Ansehen, als könn-
ten wir die Blüten, welche die Natur müt-
terlich durch die Steppen des Lebens säete,
nur gepreßt und getrocknet zu wissenschaftli-
chem Gebrauche benutzen. Alles, auch das
blühende Talent, gestaltet sich zu einem Ge-
genstand der Kritik und anatomischer Zerle-
gung. Absichtlich, bewußt und selb-
stisch
wird gegeben, was Andre mit kal-
ter Spannung, befangen und kunst-
richterlich aufnehmen.

Dürfen wir das bloße Zusammensein
Gesellschaft nennen, wenn sich die Neigun-
gen nicht gesellig einen? Aller Verkehr ein
Richten und Gerichtetwerden ist? Die Hei-
terkeit entflieht, und Langeweile und Kri-
tik auf ihren verlassenen Sitzen Platz neh-
men? --

Auf diese Weise gibt es keine andere

nach und nach den friſchen jugendlichen
Trieb des Herzens durch abſichtliche Rich-
tungen verkruͤppeln, und ſchalen Selbſtge-
nuß an die Stelle froh getheilter Heiterkeit
ſchieben.

Es hat wirklich das Anſehen, als koͤnn-
ten wir die Bluͤten, welche die Natur muͤt-
terlich durch die Steppen des Lebens ſaͤete,
nur gepreßt und getrocknet zu wiſſenſchaftli-
chem Gebrauche benutzen. Alles, auch das
bluͤhende Talent, geſtaltet ſich zu einem Ge-
genſtand der Kritik und anatomiſcher Zerle-
gung. Abſichtlich, bewußt und ſelb-
ſtiſch
wird gegeben, was Andre mit kal-
ter Spannung, befangen und kunſt-
richterlich aufnehmen.

Duͤrfen wir das bloße Zuſammenſein
Geſellſchaft nennen, wenn ſich die Neigun-
gen nicht geſellig einen? Aller Verkehr ein
Richten und Gerichtetwerden iſt? Die Hei-
terkeit entflieht, und Langeweile und Kri-
tik auf ihren verlaſſenen Sitzen Platz neh-
men? —

Auf dieſe Weiſe gibt es keine andere

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[88/0092] nach und nach den friſchen jugendlichen Trieb des Herzens durch abſichtliche Rich- tungen verkruͤppeln, und ſchalen Selbſtge- nuß an die Stelle froh getheilter Heiterkeit ſchieben. Es hat wirklich das Anſehen, als koͤnn- ten wir die Bluͤten, welche die Natur muͤt- terlich durch die Steppen des Lebens ſaͤete, nur gepreßt und getrocknet zu wiſſenſchaftli- chem Gebrauche benutzen. Alles, auch das bluͤhende Talent, geſtaltet ſich zu einem Ge- genſtand der Kritik und anatomiſcher Zerle- gung. Abſichtlich, bewußt und ſelb- ſtiſch wird gegeben, was Andre mit kal- ter Spannung, befangen und kunſt- richterlich aufnehmen. Duͤrfen wir das bloße Zuſammenſein Geſellſchaft nennen, wenn ſich die Neigun- gen nicht geſellig einen? Aller Verkehr ein Richten und Gerichtetwerden iſt? Die Hei- terkeit entflieht, und Langeweile und Kri- tik auf ihren verlaſſenen Sitzen Platz neh- men? — Auf dieſe Weiſe gibt es keine andere

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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/92>, abgerufen am 23.11.2024.