Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fouqué, Caroline de la Motte-: Magie der Natur. In: Kleine Romanenbibliothek von und für Damen. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

ich zwischen dem todten Leib und der geschiedenen Seele meiner Schwester.

Vergebens schrie ich dem Marquis ins Gewissen, daß er seine Frau tödte, beschwor ihn, sich von ihr zu entfernen, setzte Freunde, Aerzte, Himmel und Erde, in Bewegung, sie vor ihm zu retten, allein durch einen seltsamen Widerspruch wollte sie so wenig von ihm, als er von ihr lassen, ja sie war in dem Maaße an ihn gebannt, als seine Nähe zerstörend auf sie wirkte. So ward sie immer schwächer, fast verworren in sich selbst, und gab in einer dieser Crisen Euch, meine armen Kinder, das Dasein. Die Natur aber ward durch den doppelten Kampf zerrissen, sie starb wenige Stunden darauf.

Die Baronin schwieg sehr bewegt. Antonie sah vor sich hin. Der Tod der Mutter hatte nichts Trübes mehr für sie, im Gegentheil ward ihre Brust von der süßesten Wehmuth gehoben. Sie fühlte in allem dem eben Erfahrenen nur die Gewalt tiefer, unergründlicher Liebe. Sie konnten nicht von einander laßen, sagte sie sich leise, so fest kettet die geheimnißvolle Kraft!

Seitdem, unterbrach endlich die Baronin das Schweigen, haben nähere Ereignisse das Auge von dem Unbegreiflichen abgezogen. Mein Kind, fuhr sie fort, ich habe noch immer gefunden, daß wenn

ich zwischen dem todten Leib und der geschiedenen Seele meiner Schwester.

Vergebens schrie ich dem Marquis ins Gewissen, daß er seine Frau tödte, beschwor ihn, sich von ihr zu entfernen, setzte Freunde, Aerzte, Himmel und Erde, in Bewegung, sie vor ihm zu retten, allein durch einen seltsamen Widerspruch wollte sie so wenig von ihm, als er von ihr lassen, ja sie war in dem Maaße an ihn gebannt, als seine Nähe zerstörend auf sie wirkte. So ward sie immer schwächer, fast verworren in sich selbst, und gab in einer dieser Crisen Euch, meine armen Kinder, das Dasein. Die Natur aber ward durch den doppelten Kampf zerrissen, sie starb wenige Stunden darauf.

Die Baronin schwieg sehr bewegt. Antonie sah vor sich hin. Der Tod der Mutter hatte nichts Trübes mehr für sie, im Gegentheil ward ihre Brust von der süßesten Wehmuth gehoben. Sie fühlte in allem dem eben Erfahrenen nur die Gewalt tiefer, unergründlicher Liebe. Sie konnten nicht von einander laßen, sagte sie sich leise, so fest kettet die geheimnißvolle Kraft!

Seitdem, unterbrach endlich die Baronin das Schweigen, haben nähere Ereignisse das Auge von dem Unbegreiflichen abgezogen. Mein Kind, fuhr sie fort, ich habe noch immer gefunden, daß wenn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0118" n="111"/>
ich zwischen dem todten Leib und der geschiedenen Seele meiner Schwester.</p>
          <p>Vergebens schrie ich dem Marquis ins Gewissen, daß er seine Frau tödte, beschwor ihn, sich von ihr zu entfernen, setzte Freunde, Aerzte, Himmel und Erde, in Bewegung, sie vor ihm zu retten, allein durch einen seltsamen Widerspruch wollte sie so wenig von ihm, als er von ihr lassen, ja sie war in dem Maaße an ihn gebannt, als seine Nähe zerstörend auf sie wirkte. So ward sie immer schwächer, fast verworren in sich selbst, und gab in einer dieser Crisen Euch, meine armen Kinder, das Dasein. Die Natur aber ward durch den doppelten Kampf zerrissen, sie starb wenige Stunden darauf.</p>
          <p>Die Baronin schwieg sehr bewegt. Antonie sah vor sich hin. Der Tod der Mutter hatte nichts Trübes mehr für sie, im Gegentheil ward ihre Brust von der süßesten Wehmuth gehoben. Sie fühlte in allem dem eben Erfahrenen nur die Gewalt tiefer, unergründlicher Liebe. Sie konnten nicht von einander laßen, sagte sie sich leise, so fest kettet die geheimnißvolle Kraft!</p>
          <p>Seitdem, unterbrach endlich die Baronin das Schweigen, haben nähere Ereignisse das Auge von dem Unbegreiflichen abgezogen. Mein Kind, fuhr sie fort, ich habe noch immer gefunden, daß wenn
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[111/0118] ich zwischen dem todten Leib und der geschiedenen Seele meiner Schwester. Vergebens schrie ich dem Marquis ins Gewissen, daß er seine Frau tödte, beschwor ihn, sich von ihr zu entfernen, setzte Freunde, Aerzte, Himmel und Erde, in Bewegung, sie vor ihm zu retten, allein durch einen seltsamen Widerspruch wollte sie so wenig von ihm, als er von ihr lassen, ja sie war in dem Maaße an ihn gebannt, als seine Nähe zerstörend auf sie wirkte. So ward sie immer schwächer, fast verworren in sich selbst, und gab in einer dieser Crisen Euch, meine armen Kinder, das Dasein. Die Natur aber ward durch den doppelten Kampf zerrissen, sie starb wenige Stunden darauf. Die Baronin schwieg sehr bewegt. Antonie sah vor sich hin. Der Tod der Mutter hatte nichts Trübes mehr für sie, im Gegentheil ward ihre Brust von der süßesten Wehmuth gehoben. Sie fühlte in allem dem eben Erfahrenen nur die Gewalt tiefer, unergründlicher Liebe. Sie konnten nicht von einander laßen, sagte sie sich leise, so fest kettet die geheimnißvolle Kraft! Seitdem, unterbrach endlich die Baronin das Schweigen, haben nähere Ereignisse das Auge von dem Unbegreiflichen abgezogen. Mein Kind, fuhr sie fort, ich habe noch immer gefunden, daß wenn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

zeno.org – Contumax GmbH & Co. KG: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-07-03T15:02:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christoph Leijser, Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-07-03T15:02:16Z)
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-03T15:02:16Z)

Weitere Informationen:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_magie_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_magie_1812/118
Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de la Motte-: Magie der Natur. In: Kleine Romanenbibliothek von und für Damen. Berlin, 1812, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_magie_1812/118>, abgerufen am 21.11.2024.