Fouqué, Caroline de la Motte-: Magie der Natur. In: Kleine Romanenbibliothek von und für Damen. Berlin, 1812.mochte, ängstlicher konnte ihre Lage nirgend sein, als hier, wo ihr alles so liebe, glückliche Tage zurückrief, und wo sie jetzt die dunkle Gegenwart doppelt drückte. Auch konnte sie es nicht wehren, daß manch verheißender Traum unmerklich aus der unbekannten Zukunft heraufstieg; sie drückte ihn wohl scheu und bescheiden zurück, aber er war doch einmal da gewesen, und jeder Blick in die Ferne zeigte ein mögliches Glück, da die nahen Umgebungen im Gegentheil nur Störung und Sorgen enthielten. Denn Antoniens Zustand ward mit jedem Tage leidenschaftlicher, ihr Sinn immer finsterer. Sie kam wenig mehr unter Menschen. Meist allein in ihrem Zimmer, war sie beschäftigt, Scenen aus ihrem Leben, welche Bezug auf Adalbert hatten, mit großer Kraft und erschütternder Wahrheit, in reichen und schön zusammengestellten Gruppen, mit Kreide auf das Papier zu werfen. Vorzüglich verweilte sie bei dem Uebergang über den Gotthard. Alle andern Gestalten waren nur eben angegeben, Adalbert allein mit der höchsten Liebe in rührender Aehnlichkeit ausgezeichnet. Niemand konnte den Zug tiefen Leidens in seinem Gesicht ohne Wehmuth sehen. So mochte sie sich ihn am liebsten denken. Oft wenn sie stundenlang an seinem Bilde gearbeitet hatte und seine Lippen sich wie zum Sprechen zu öffnen schienen, dann mochte, ängstlicher konnte ihre Lage nirgend sein, als hier, wo ihr alles so liebe, glückliche Tage zurückrief, und wo sie jetzt die dunkle Gegenwart doppelt drückte. Auch konnte sie es nicht wehren, daß manch verheißender Traum unmerklich aus der unbekannten Zukunft heraufstieg; sie drückte ihn wohl scheu und bescheiden zurück, aber er war doch einmal da gewesen, und jeder Blick in die Ferne zeigte ein mögliches Glück, da die nahen Umgebungen im Gegentheil nur Störung und Sorgen enthielten. Denn Antoniens Zustand ward mit jedem Tage leidenschaftlicher, ihr Sinn immer finsterer. Sie kam wenig mehr unter Menschen. Meist allein in ihrem Zimmer, war sie beschäftigt, Scenen aus ihrem Leben, welche Bezug auf Adalbert hatten, mit großer Kraft und erschütternder Wahrheit, in reichen und schön zusammengestellten Gruppen, mit Kreide auf das Papier zu werfen. Vorzüglich verweilte sie bei dem Uebergang über den Gotthard. Alle andern Gestalten waren nur eben angegeben, Adalbert allein mit der höchsten Liebe in rührender Aehnlichkeit ausgezeichnet. Niemand konnte den Zug tiefen Leidens in seinem Gesicht ohne Wehmuth sehen. So mochte sie sich ihn am liebsten denken. Oft wenn sie stundenlang an seinem Bilde gearbeitet hatte und seine Lippen sich wie zum Sprechen zu öffnen schienen, dann <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0221" n="214"/> mochte, ängstlicher konnte ihre Lage nirgend sein, als hier, wo ihr alles so liebe, glückliche Tage zurückrief, und wo sie jetzt die dunkle Gegenwart doppelt drückte. Auch konnte sie es nicht wehren, daß manch verheißender Traum unmerklich aus der unbekannten Zukunft heraufstieg; sie drückte ihn wohl scheu und bescheiden zurück, aber er war doch einmal da gewesen, und jeder Blick in die Ferne zeigte ein mögliches Glück, da die nahen Umgebungen im Gegentheil nur Störung und Sorgen enthielten. Denn Antoniens Zustand ward mit jedem Tage leidenschaftlicher, ihr Sinn immer finsterer. Sie kam wenig mehr unter Menschen. Meist allein in ihrem Zimmer, war sie beschäftigt, Scenen aus ihrem Leben, welche Bezug auf Adalbert hatten, mit großer Kraft und erschütternder Wahrheit, in reichen und schön zusammengestellten Gruppen, mit Kreide auf das Papier zu werfen. Vorzüglich verweilte sie bei dem Uebergang über den Gotthard. Alle andern Gestalten waren nur eben angegeben, Adalbert allein mit der höchsten Liebe in rührender Aehnlichkeit ausgezeichnet. Niemand konnte den Zug tiefen Leidens in seinem Gesicht ohne Wehmuth sehen. So mochte sie sich ihn am liebsten denken. Oft wenn sie stundenlang an seinem Bilde gearbeitet hatte und seine Lippen sich wie zum Sprechen zu öffnen schienen, dann </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [214/0221]
mochte, ängstlicher konnte ihre Lage nirgend sein, als hier, wo ihr alles so liebe, glückliche Tage zurückrief, und wo sie jetzt die dunkle Gegenwart doppelt drückte. Auch konnte sie es nicht wehren, daß manch verheißender Traum unmerklich aus der unbekannten Zukunft heraufstieg; sie drückte ihn wohl scheu und bescheiden zurück, aber er war doch einmal da gewesen, und jeder Blick in die Ferne zeigte ein mögliches Glück, da die nahen Umgebungen im Gegentheil nur Störung und Sorgen enthielten. Denn Antoniens Zustand ward mit jedem Tage leidenschaftlicher, ihr Sinn immer finsterer. Sie kam wenig mehr unter Menschen. Meist allein in ihrem Zimmer, war sie beschäftigt, Scenen aus ihrem Leben, welche Bezug auf Adalbert hatten, mit großer Kraft und erschütternder Wahrheit, in reichen und schön zusammengestellten Gruppen, mit Kreide auf das Papier zu werfen. Vorzüglich verweilte sie bei dem Uebergang über den Gotthard. Alle andern Gestalten waren nur eben angegeben, Adalbert allein mit der höchsten Liebe in rührender Aehnlichkeit ausgezeichnet. Niemand konnte den Zug tiefen Leidens in seinem Gesicht ohne Wehmuth sehen. So mochte sie sich ihn am liebsten denken. Oft wenn sie stundenlang an seinem Bilde gearbeitet hatte und seine Lippen sich wie zum Sprechen zu öffnen schienen, dann
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