Fouqué, Caroline de la Motte-: Magie der Natur. In: Kleine Romanenbibliothek von und für Damen. Berlin, 1812.Züge ihres Vaters. Auf das Gespräch achtete sie wenig: mehr aber auf die Blitzartigen Bewegungen des Marquis, vor welchen sie oft, wie davon getroffen, die Augen schloß und mit verschränkten Armen dastand, als wolle sie das fremde Bild vor die inneren Spiegel tragen, unfähig es sogleich zu erkennen. Noch, sagte die Aebtissin, den Marquis abwärts führend, läge mir ob, Ihnen in allgemeinen Unrissen das Bild Ihrer Kinder zu entwerfen und so das schnellere Verstehn aller Theile zu erleichtern, doch glaube ich, überheben Sie mich dieser, ohnehin gewagten, Arbeit. Beider Erscheinung sagt vieles, und, ich leugne es nicht, die Hand würde dem Herzen folgen, das aber ist nicht frei von Partheilichkeit. Antonie steht allen, auch mir und der Schwester, fern. Ich habe sie nie verstanden, und wage es nicht, sie zu ahnden. Schon als Kind war ihre Nähe ängstend. Am Tage träumend, ohne Lust und Theilnahme zu Spiel und Arbeit, war Nachts im Schlafe ihre Seele wie geflügelt, sie erzählte gehörte und nicht gehörte Dinge; und ging zum Entsetzen der Klosterfrauen durch die langen Gänge, zur Kapelle, wo sie vor einem Schrein, in welchem das Muttergottesbild steht, knieend, das Salve regina und Stabat Mater mit heller tönender Stimme sang. Oft fanden Züge ihres Vaters. Auf das Gespräch achtete sie wenig: mehr aber auf die Blitzartigen Bewegungen des Marquis, vor welchen sie oft, wie davon getroffen, die Augen schloß und mit verschränkten Armen dastand, als wolle sie das fremde Bild vor die inneren Spiegel tragen, unfähig es sogleich zu erkennen. Noch, sagte die Aebtissin, den Marquis abwärts führend, läge mir ob, Ihnen in allgemeinen Unrissen das Bild Ihrer Kinder zu entwerfen und so das schnellere Verstehn aller Theile zu erleichtern, doch glaube ich, überheben Sie mich dieser, ohnehin gewagten, Arbeit. Beider Erscheinung sagt vieles, und, ich leugne es nicht, die Hand würde dem Herzen folgen, das aber ist nicht frei von Partheilichkeit. Antonie steht allen, auch mir und der Schwester, fern. Ich habe sie nie verstanden, und wage es nicht, sie zu ahnden. Schon als Kind war ihre Nähe ängstend. Am Tage träumend, ohne Lust und Theilnahme zu Spiel und Arbeit, war Nachts im Schlafe ihre Seele wie geflügelt, sie erzählte gehörte und nicht gehörte Dinge; und ging zum Entsetzen der Klosterfrauen durch die langen Gänge, zur Kapelle, wo sie vor einem Schrein, in welchem das Muttergottesbild steht, knieend, das Salve regina und Stabat Mater mit heller tönender Stimme sang. Oft fanden <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0045" n="38"/> Züge ihres Vaters. Auf das Gespräch achtete sie wenig: mehr aber auf die Blitzartigen Bewegungen des Marquis, vor welchen sie oft, wie davon getroffen, die Augen schloß und mit verschränkten Armen dastand, als wolle sie das fremde Bild vor die inneren Spiegel tragen, unfähig es sogleich zu erkennen.</p> <p>Noch, sagte die Aebtissin, den Marquis abwärts führend, läge mir ob, Ihnen in allgemeinen Unrissen das Bild Ihrer Kinder zu entwerfen und so das schnellere Verstehn aller Theile zu erleichtern, doch glaube ich, überheben Sie mich dieser, ohnehin gewagten, Arbeit. Beider Erscheinung sagt vieles, und, ich leugne es nicht, die Hand würde dem Herzen folgen, das aber ist nicht frei von Partheilichkeit. Antonie steht allen, auch mir und der Schwester, fern. Ich habe sie nie verstanden, und wage es nicht, sie zu ahnden. Schon als Kind war ihre Nähe ängstend. Am Tage träumend, ohne Lust und Theilnahme zu Spiel und Arbeit, war Nachts im Schlafe ihre Seele wie geflügelt, sie erzählte gehörte und nicht gehörte Dinge; und ging zum Entsetzen der Klosterfrauen durch die langen Gänge, zur Kapelle, wo sie vor einem Schrein, in welchem das Muttergottesbild steht, knieend, das<hi rendition="#i"> Salve regina</hi> und <hi rendition="#i">Stabat Mater</hi> mit heller tönender Stimme sang. Oft fanden </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [38/0045]
Züge ihres Vaters. Auf das Gespräch achtete sie wenig: mehr aber auf die Blitzartigen Bewegungen des Marquis, vor welchen sie oft, wie davon getroffen, die Augen schloß und mit verschränkten Armen dastand, als wolle sie das fremde Bild vor die inneren Spiegel tragen, unfähig es sogleich zu erkennen.
Noch, sagte die Aebtissin, den Marquis abwärts führend, läge mir ob, Ihnen in allgemeinen Unrissen das Bild Ihrer Kinder zu entwerfen und so das schnellere Verstehn aller Theile zu erleichtern, doch glaube ich, überheben Sie mich dieser, ohnehin gewagten, Arbeit. Beider Erscheinung sagt vieles, und, ich leugne es nicht, die Hand würde dem Herzen folgen, das aber ist nicht frei von Partheilichkeit. Antonie steht allen, auch mir und der Schwester, fern. Ich habe sie nie verstanden, und wage es nicht, sie zu ahnden. Schon als Kind war ihre Nähe ängstend. Am Tage träumend, ohne Lust und Theilnahme zu Spiel und Arbeit, war Nachts im Schlafe ihre Seele wie geflügelt, sie erzählte gehörte und nicht gehörte Dinge; und ging zum Entsetzen der Klosterfrauen durch die langen Gänge, zur Kapelle, wo sie vor einem Schrein, in welchem das Muttergottesbild steht, knieend, das Salve regina und Stabat Mater mit heller tönender Stimme sang. Oft fanden
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