Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189.Ist's eine Blüthe weiß und groß, Vom Himmel gefallen in Wiesenschooß? Ach, ist ein zartes Kind! -- Unbewußt mit Blumen tändelt's, Faßt nach goldnen Morgenlichtern; -- O woher? Woher, Du Holdes? -- Fern vom unbekannten Strande Trug es hier der See heran; -- Nein fasse nicht, Du zartes Leben, Mit Deiner kleinen Hand herum; Nicht Hand wird Dir zurückgegeben, Die Blumen sind so fremd und stumm. Die wissen wohl sich schön zu schmücken, Zu duften auch nach Herzenslust, Doch keine mag Dich an sich drücken, Fern ist die traute Mutterbrust. So früh' noch an des Lebens Thoren, Noch Himmelslächeln im Gesicht, Hast Du das Beste schon verloren, O armes Kind, und weißt es nicht. Ein edler Herzog kommt geritten, Und hemmt vor Dir des Rosses Lauf; Zu hoher Kunst und reinen Sitten Zieht er in seiner Burg Dich auf. Iſt’s eine Bluͤthe weiß und groß, Vom Himmel gefallen in Wieſenſchooß? Ach, iſt ein zartes Kind! — Unbewußt mit Blumen taͤndelt’s, Faßt nach goldnen Morgenlichtern; — O woher? Woher, Du Holdes? — Fern vom unbekannten Strande Trug es hier der See heran; — Nein faſſe nicht, Du zartes Leben, Mit Deiner kleinen Hand herum; Nicht Hand wird Dir zuruͤckgegeben, Die Blumen ſind ſo fremd und ſtumm. Die wiſſen wohl ſich ſchoͤn zu ſchmuͤcken, Zu duften auch nach Herzensluſt, Doch keine mag Dich an ſich druͤcken, Fern iſt die traute Mutterbruſt. So fruͤh’ noch an des Lebens Thoren, Noch Himmelslaͤcheln im Geſicht, Haſt Du das Beſte ſchon verloren, O armes Kind, und weißt es nicht. Ein edler Herzog kommt geritten, Und hemmt vor Dir des Roſſes Lauf; Zu hoher Kunſt und reinen Sitten Zieht er in ſeiner Burg Dich auf. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0121" n="107"/> <l>Iſt’s eine Bluͤthe weiß und groß,</l><lb/> <l>Vom Himmel gefallen in Wieſenſchooß?</l><lb/> <l>Ach, iſt ein zartes Kind! —</l><lb/> <l>Unbewußt mit Blumen taͤndelt’s,</l><lb/> <l>Faßt nach goldnen Morgenlichtern; —</l><lb/> <l>O woher? Woher, Du Holdes? —</l><lb/> <l>Fern vom unbekannten Strande</l><lb/> <l>Trug es hier der See heran; —</l><lb/> <l>Nein faſſe nicht, Du zartes Leben,</l><lb/> <l>Mit Deiner kleinen Hand herum;</l><lb/> <l>Nicht Hand wird Dir zuruͤckgegeben,</l><lb/> <l>Die Blumen ſind ſo fremd und ſtumm.</l><lb/> <l>Die wiſſen wohl ſich ſchoͤn zu ſchmuͤcken,</l><lb/> <l>Zu duften auch nach Herzensluſt,</l><lb/> <l>Doch keine mag Dich an ſich druͤcken,</l><lb/> <l>Fern iſt die traute Mutterbruſt.</l><lb/> <l>So fruͤh’ noch an des Lebens Thoren,</l><lb/> <l>Noch Himmelslaͤcheln im Geſicht,</l><lb/> <l>Haſt Du das Beſte ſchon verloren,</l><lb/> <l>O armes Kind, und weißt es nicht.</l><lb/> <l>Ein edler Herzog kommt geritten,</l><lb/> <l>Und hemmt vor Dir des Roſſes Lauf;</l><lb/> <l>Zu hoher Kunſt und reinen Sitten</l><lb/> <l>Zieht er in ſeiner Burg Dich auf.</l><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [107/0121]
Iſt’s eine Bluͤthe weiß und groß,
Vom Himmel gefallen in Wieſenſchooß?
Ach, iſt ein zartes Kind! —
Unbewußt mit Blumen taͤndelt’s,
Faßt nach goldnen Morgenlichtern; —
O woher? Woher, Du Holdes? —
Fern vom unbekannten Strande
Trug es hier der See heran; —
Nein faſſe nicht, Du zartes Leben,
Mit Deiner kleinen Hand herum;
Nicht Hand wird Dir zuruͤckgegeben,
Die Blumen ſind ſo fremd und ſtumm.
Die wiſſen wohl ſich ſchoͤn zu ſchmuͤcken,
Zu duften auch nach Herzensluſt,
Doch keine mag Dich an ſich druͤcken,
Fern iſt die traute Mutterbruſt.
So fruͤh’ noch an des Lebens Thoren,
Noch Himmelslaͤcheln im Geſicht,
Haſt Du das Beſte ſchon verloren,
O armes Kind, und weißt es nicht.
Ein edler Herzog kommt geritten,
Und hemmt vor Dir des Roſſes Lauf;
Zu hoher Kunſt und reinen Sitten
Zieht er in ſeiner Burg Dich auf.
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