gingen, Bertalda aber von der andern Seite erbleichend nach ihren Zimmern eilte.
Die Stunde des Abendessens kam heran, und Bertalda ließ sich vergeblich erwarten. Man schickte nach ihr; da fand der Kämmerling ihre Gemächer leer, und brachte nur ein versiegeltes Blatt, an den Ritter überschrieben, mit zurück. Dieser öffnete es bestürzt, und las.
Ich fühle mit Beschämung, wie ich nur eine arme Fischersdirne bin. Daß ich es auf Augenblicke vergaß, will ich in der ärmlichen Hütte meiner Aeltern büßen. Lebt wohl mit Eurer schönen Frau!
Undine war von Herzen betrübt. Sie bat Huldbranden inbrünstig, der entflohenen Freun- dinn nachzueilen, und sie wieder mit zurück zu bringen. Ach, sie hatte nicht nöthig zu treiben! Seine Neigung für Bertalden brach wieder hef- tig hervor. Er eilte im ganzen Schloß umher, fragend, ob Niemand gesehn habe, welches We- ges die schöne Flüchtige gegangen sei. Er konn- te nichts erfahren, und saß schon im Burghofe
gingen, Bertalda aber von der andern Seite erbleichend nach ihren Zimmern eilte.
Die Stunde des Abendeſſens kam heran, und Bertalda ließ ſich vergeblich erwarten. Man ſchickte nach ihr; da fand der Kaͤmmerling ihre Gemaͤcher leer, und brachte nur ein verſiegeltes Blatt, an den Ritter uͤberſchrieben, mit zuruͤck. Dieſer oͤffnete es beſtuͤrzt, und las.
Ich fuͤhle mit Beſchaͤmung, wie ich nur eine arme Fiſchersdirne bin. Daß ich es auf Augenblicke vergaß, will ich in der aͤrmlichen Huͤtte meiner Aeltern buͤßen. Lebt wohl mit Eurer ſchoͤnen Frau!
Undine war von Herzen betruͤbt. Sie bat Huldbranden inbruͤnſtig, der entflohenen Freun- dinn nachzueilen, und ſie wieder mit zuruͤck zu bringen. Ach, ſie hatte nicht noͤthig zu treiben! Seine Neigung fuͤr Bertalden brach wieder hef- tig hervor. Er eilte im ganzen Schloß umher, fragend, ob Niemand geſehn habe, welches We- ges die ſchoͤne Fluͤchtige gegangen ſei. Er konn- te nichts erfahren, und ſaß ſchon im Burghofe
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gingen, Bertalda aber von der andern Seite
erbleichend nach ihren Zimmern eilte.
Die Stunde des Abendeſſens kam heran,
und Bertalda ließ ſich vergeblich erwarten. Man
ſchickte nach ihr; da fand der Kaͤmmerling ihre
Gemaͤcher leer, und brachte nur ein verſiegeltes
Blatt, an den Ritter uͤberſchrieben, mit zuruͤck.
Dieſer oͤffnete es beſtuͤrzt, und las.
Ich fuͤhle mit Beſchaͤmung, wie ich nur
eine arme Fiſchersdirne bin. Daß ich es auf
Augenblicke vergaß, will ich in der aͤrmlichen
Huͤtte meiner Aeltern buͤßen. Lebt wohl mit
Eurer ſchoͤnen Frau!
Undine war von Herzen betruͤbt. Sie bat
Huldbranden inbruͤnſtig, der entflohenen Freun-
dinn nachzueilen, und ſie wieder mit zuruͤck zu
bringen. Ach, ſie hatte nicht noͤthig zu treiben!
Seine Neigung fuͤr Bertalden brach wieder hef-
tig hervor. Er eilte im ganzen Schloß umher,
fragend, ob Niemand geſehn habe, welches We-
ges die ſchoͤne Fluͤchtige gegangen ſei. Er konn-
te nichts erfahren, und ſaß ſchon im Burghofe
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Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/150>, abgerufen am 16.07.2024.
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