Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189.

Bild:
<< vorherige Seite

fort über Land und See, und singe immer auf's
anmuthigste dazu. -- Schwanenklang! Schwa-
nensang! mußte er immer fort zu sich selbst
sagen; das bedeutet ja wohl den Tod? -- Aber
es hatte vermuthlich noch eine andre Bedeutung.
Ihm ward nehmlich auf einmal, als schwebe er
über dem Mittelländischen Meer. Ein Schwan
sang ihm gar tönend in die Ohren, dies sei das
Mittelländische Meer. Und während er in die
Fluthen hinunter sah, wurden sie zu lauterm
Kristalle, daß er hinein schauen konnte bis auf
den Grund. Er freute sich sehr darüber, denn
er konnte Undinen sehn, wie sie unter den hel-
len Kristallgewölben saß Freilich weinte sie sehr,
und sahe viel betrübter aus, als in den glück-
lichen Zeiten, die sie auf Burg Ringstetten mit
einander verlebt hatten, vorzüglich zu Anfang,
und auch nachher, kurz ehe sie die unseelige Do-
naufahrt begannen. Der Ritter mußte an alle
das sehr ausführlich und innig denken, aber es
schien nicht, als werde Undine seiner gewahr.
Indessen war Kühleborn zu ihr getreten, und

fort uͤber Land und See, und ſinge immer auf’s
anmuthigſte dazu. — Schwanenklang! Schwa-
nenſang! mußte er immer fort zu ſich ſelbſt
ſagen; das bedeutet ja wohl den Tod? — Aber
es hatte vermuthlich noch eine andre Bedeutung.
Ihm ward nehmlich auf einmal, als ſchwebe er
uͤber dem Mittellaͤndiſchen Meer. Ein Schwan
ſang ihm gar toͤnend in die Ohren, dies ſei das
Mittellaͤndiſche Meer. Und waͤhrend er in die
Fluthen hinunter ſah, wurden ſie zu lauterm
Kriſtalle, daß er hinein ſchauen konnte bis auf
den Grund. Er freute ſich ſehr daruͤber, denn
er konnte Undinen ſehn, wie ſie unter den hel-
len Kriſtallgewoͤlben ſaß Freilich weinte ſie ſehr,
und ſahe viel betruͤbter aus, als in den gluͤck-
lichen Zeiten, die ſie auf Burg Ringſtetten mit
einander verlebt hatten, vorzuͤglich zu Anfang,
und auch nachher, kurz ehe ſie die unſeelige Do-
naufahrt begannen. Der Ritter mußte an alle
das ſehr ausfuͤhrlich und innig denken, aber es
ſchien nicht, als werde Undine ſeiner gewahr.
Indeſſen war Kuͤhleborn zu ihr getreten, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0186" n="172"/>
fort u&#x0364;ber Land und See, und &#x017F;inge immer auf&#x2019;s<lb/>
anmuthig&#x017F;te dazu. &#x2014; Schwanenklang! Schwa-<lb/>
nen&#x017F;ang! mußte er immer fort zu &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
&#x017F;agen; das bedeutet ja wohl den Tod? &#x2014; Aber<lb/>
es hatte vermuthlich noch eine andre Bedeutung.<lb/>
Ihm ward nehmlich auf einmal, als &#x017F;chwebe er<lb/>
u&#x0364;ber dem Mittella&#x0364;ndi&#x017F;chen Meer. Ein Schwan<lb/>
&#x017F;ang ihm gar to&#x0364;nend in die Ohren, dies &#x017F;ei das<lb/>
Mittella&#x0364;ndi&#x017F;che Meer. Und wa&#x0364;hrend er in die<lb/>
Fluthen hinunter &#x017F;ah, wurden &#x017F;ie zu lauterm<lb/>
Kri&#x017F;talle, daß er hinein &#x017F;chauen konnte bis auf<lb/>
den Grund. Er freute &#x017F;ich &#x017F;ehr daru&#x0364;ber, denn<lb/>
er konnte Undinen &#x017F;ehn, wie &#x017F;ie unter den hel-<lb/>
len Kri&#x017F;tallgewo&#x0364;lben &#x017F;aß Freilich weinte &#x017F;ie &#x017F;ehr,<lb/>
und &#x017F;ahe viel betru&#x0364;bter aus, als in den glu&#x0364;ck-<lb/>
lichen Zeiten, die &#x017F;ie auf Burg Ring&#x017F;tetten mit<lb/>
einander verlebt hatten, vorzu&#x0364;glich zu Anfang,<lb/>
und auch nachher, kurz ehe &#x017F;ie die un&#x017F;eelige Do-<lb/>
naufahrt begannen. Der Ritter mußte an alle<lb/>
das &#x017F;ehr ausfu&#x0364;hrlich und innig denken, aber es<lb/>
&#x017F;chien nicht, als werde Undine &#x017F;einer gewahr.<lb/>
Inde&#x017F;&#x017F;en war Ku&#x0364;hleborn zu ihr getreten, und<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[172/0186] fort uͤber Land und See, und ſinge immer auf’s anmuthigſte dazu. — Schwanenklang! Schwa- nenſang! mußte er immer fort zu ſich ſelbſt ſagen; das bedeutet ja wohl den Tod? — Aber es hatte vermuthlich noch eine andre Bedeutung. Ihm ward nehmlich auf einmal, als ſchwebe er uͤber dem Mittellaͤndiſchen Meer. Ein Schwan ſang ihm gar toͤnend in die Ohren, dies ſei das Mittellaͤndiſche Meer. Und waͤhrend er in die Fluthen hinunter ſah, wurden ſie zu lauterm Kriſtalle, daß er hinein ſchauen konnte bis auf den Grund. Er freute ſich ſehr daruͤber, denn er konnte Undinen ſehn, wie ſie unter den hel- len Kriſtallgewoͤlben ſaß Freilich weinte ſie ſehr, und ſahe viel betruͤbter aus, als in den gluͤck- lichen Zeiten, die ſie auf Burg Ringſtetten mit einander verlebt hatten, vorzuͤglich zu Anfang, und auch nachher, kurz ehe ſie die unſeelige Do- naufahrt begannen. Der Ritter mußte an alle das ſehr ausfuͤhrlich und innig denken, aber es ſchien nicht, als werde Undine ſeiner gewahr. Indeſſen war Kuͤhleborn zu ihr getreten, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/186
Zitationshilfe: Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/186>, abgerufen am 04.12.2024.