demüthig und sittig hinter dieser ungestört fort- wandelte.
Das währte, bis man auf den Kirchhof kam, und der Leichenzug einen Kreis um die offne Grabstätte schloß. Da sah Bertalda die ungebetene Begleiterin, und halb in Zorn, halb in Schreck auffahrend, gebot sie ihr, von der Ruhestätte des Ritters zu weichen. Die Ver- schleierte aber schüttelte sanft verneinend ihr Haupt, und hob die Hände, wie zu einer de- müthigen Bitte gegen Bertalda auf, davon diese sich sehr bewegt fand, und mit Thränen daran denken mußte, wie ihr Undine auf der Donau das Korallenhalsband so freundlich hatte schenken wollen. Zudem winkte Pater Heilmann, und gebot Stille, da man über dem Leichnam, dessen Hügel sich eben zu häufen begann, in stiller Andacht beten wolle. Bertalda schwieg und kniete, und Alles kniete, und die Todten- gräber auch, als sie fertig geschaufelt hatten. Da man sich aber wieder erhob, war die weisse Fremde verschwunden; an der Stelle, wo sie
demuͤthig und ſittig hinter dieſer ungeſtoͤrt fort- wandelte.
Das waͤhrte, bis man auf den Kirchhof kam, und der Leichenzug einen Kreis um die offne Grabſtaͤtte ſchloß. Da ſah Bertalda die ungebetene Begleiterin, und halb in Zorn, halb in Schreck auffahrend, gebot ſie ihr, von der Ruheſtaͤtte des Ritters zu weichen. Die Ver- ſchleierte aber ſchuͤttelte ſanft verneinend ihr Haupt, und hob die Haͤnde, wie zu einer de- muͤthigen Bitte gegen Bertalda auf, davon dieſe ſich ſehr bewegt fand, und mit Thraͤnen daran denken mußte, wie ihr Undine auf der Donau das Korallenhalsband ſo freundlich hatte ſchenken wollen. Zudem winkte Pater Heilmann, und gebot Stille, da man uͤber dem Leichnam, deſſen Huͤgel ſich eben zu haͤufen begann, in ſtiller Andacht beten wolle. Bertalda ſchwieg und kniete, und Alles kniete, und die Todten- graͤber auch, als ſie fertig geſchaufelt hatten. Da man ſich aber wieder erhob, war die weiſſe Fremde verſchwunden; an der Stelle, wo ſie
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[188/0202]
demuͤthig und ſittig hinter dieſer ungeſtoͤrt fort-
wandelte.
Das waͤhrte, bis man auf den Kirchhof
kam, und der Leichenzug einen Kreis um die
offne Grabſtaͤtte ſchloß. Da ſah Bertalda die
ungebetene Begleiterin, und halb in Zorn, halb
in Schreck auffahrend, gebot ſie ihr, von der
Ruheſtaͤtte des Ritters zu weichen. Die Ver-
ſchleierte aber ſchuͤttelte ſanft verneinend ihr
Haupt, und hob die Haͤnde, wie zu einer de-
muͤthigen Bitte gegen Bertalda auf, davon
dieſe ſich ſehr bewegt fand, und mit Thraͤnen
daran denken mußte, wie ihr Undine auf der
Donau das Korallenhalsband ſo freundlich hatte
ſchenken wollen. Zudem winkte Pater Heilmann,
und gebot Stille, da man uͤber dem Leichnam,
deſſen Huͤgel ſich eben zu haͤufen begann, in
ſtiller Andacht beten wolle. Bertalda ſchwieg
und kniete, und Alles kniete, und die Todten-
graͤber auch, als ſie fertig geſchaufelt hatten.
Da man ſich aber wieder erhob, war die weiſſe
Fremde verſchwunden; an der Stelle, wo ſie
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Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/202>, abgerufen am 16.07.2024.
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