Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189.

Bild:
<< vorherige Seite

streckte er seine Arme weit über die Fluth ihr
entgegen, und nickte mit dem Kopfe, um ihr die
Erfüllung ihrer Fordrung zuzusagen, wobei ihm
die weißen Haare seltsam über das Gesicht her-
über fielen, und Huldbrand an den nickenden
weißen Mann im Forste denken mußte. Ohne
sich aber durch irgend etwas irre machen zu las-
sen, faßte der junge Rittersmann das schöne
Mädchen in seine Arme, und trug sie über den
kleinen Raum, welchen der Strom zwischen ih-
rem Inselchen und dem festen Ufer durchbrauste.
Der Alte fiel um Undinens Hals, und konnte
sich gar nicht satt freuen und küssen; auch die
alte Frau kam herbei, und schmeichelte der Wie-
dergefundenen auf das Herzlichste. Von Vorwür-
fen war gar nicht die Rede mehr, um so min-
der, da auch Undine, ihres Trotzes vergessend,
die beiden Pflegeältern mit anmuthigen Worten
und Liebkosungen fast überschüttete.

Als man endlich nach der Freude des Wie-
derhabens sich recht besann, blickte schon das
Morgenroth leuchtend über den Landsee herein,

ſtreckte er ſeine Arme weit uͤber die Fluth ihr
entgegen, und nickte mit dem Kopfe, um ihr die
Erfuͤllung ihrer Fordrung zuzuſagen, wobei ihm
die weißen Haare ſeltſam uͤber das Geſicht her-
uͤber fielen, und Huldbrand an den nickenden
weißen Mann im Forſte denken mußte. Ohne
ſich aber durch irgend etwas irre machen zu laſ-
ſen, faßte der junge Rittersmann das ſchoͤne
Maͤdchen in ſeine Arme, und trug ſie uͤber den
kleinen Raum, welchen der Strom zwiſchen ih-
rem Inſelchen und dem feſten Ufer durchbrauſte.
Der Alte fiel um Undinens Hals, und konnte
ſich gar nicht ſatt freuen und kuͤſſen; auch die
alte Frau kam herbei, und ſchmeichelte der Wie-
dergefundenen auf das Herzlichſte. Von Vorwuͤr-
fen war gar nicht die Rede mehr, um ſo min-
der, da auch Undine, ihres Trotzes vergeſſend,
die beiden Pflegeaͤltern mit anmuthigen Worten
und Liebkoſungen faſt uͤberſchuͤttete.

Als man endlich nach der Freude des Wie-
derhabens ſich recht beſann, blickte ſchon das
Morgenroth leuchtend uͤber den Landſee herein,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0048" n="34"/>
&#x017F;treckte er &#x017F;eine Arme weit u&#x0364;ber die Fluth ihr<lb/>
entgegen, und nickte mit dem Kopfe, um ihr die<lb/>
Erfu&#x0364;llung ihrer Fordrung zuzu&#x017F;agen, wobei ihm<lb/>
die weißen Haare &#x017F;elt&#x017F;am u&#x0364;ber das Ge&#x017F;icht her-<lb/>
u&#x0364;ber fielen, und Huldbrand an den nickenden<lb/>
weißen Mann im For&#x017F;te denken mußte. Ohne<lb/>
&#x017F;ich aber durch irgend etwas irre machen zu la&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, faßte der junge Rittersmann das &#x017F;cho&#x0364;ne<lb/>
Ma&#x0364;dchen in &#x017F;eine Arme, und trug &#x017F;ie u&#x0364;ber den<lb/>
kleinen Raum, welchen der Strom zwi&#x017F;chen ih-<lb/>
rem In&#x017F;elchen und dem fe&#x017F;ten Ufer durchbrau&#x017F;te.<lb/>
Der Alte fiel um Undinens Hals, und konnte<lb/>
&#x017F;ich gar nicht &#x017F;att freuen und ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en; auch die<lb/>
alte Frau kam herbei, und &#x017F;chmeichelte der Wie-<lb/>
dergefundenen auf das Herzlich&#x017F;te. Von Vorwu&#x0364;r-<lb/>
fen war gar nicht die Rede mehr, um &#x017F;o min-<lb/>
der, da auch Undine, ihres Trotzes verge&#x017F;&#x017F;end,<lb/>
die beiden Pflegea&#x0364;ltern mit anmuthigen Worten<lb/>
und Liebko&#x017F;ungen fa&#x017F;t u&#x0364;ber&#x017F;chu&#x0364;ttete.</p><lb/>
          <p>Als man endlich nach der Freude des Wie-<lb/>
derhabens &#x017F;ich recht be&#x017F;ann, blickte &#x017F;chon das<lb/>
Morgenroth leuchtend u&#x0364;ber den Land&#x017F;ee herein,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[34/0048] ſtreckte er ſeine Arme weit uͤber die Fluth ihr entgegen, und nickte mit dem Kopfe, um ihr die Erfuͤllung ihrer Fordrung zuzuſagen, wobei ihm die weißen Haare ſeltſam uͤber das Geſicht her- uͤber fielen, und Huldbrand an den nickenden weißen Mann im Forſte denken mußte. Ohne ſich aber durch irgend etwas irre machen zu laſ- ſen, faßte der junge Rittersmann das ſchoͤne Maͤdchen in ſeine Arme, und trug ſie uͤber den kleinen Raum, welchen der Strom zwiſchen ih- rem Inſelchen und dem feſten Ufer durchbrauſte. Der Alte fiel um Undinens Hals, und konnte ſich gar nicht ſatt freuen und kuͤſſen; auch die alte Frau kam herbei, und ſchmeichelte der Wie- dergefundenen auf das Herzlichſte. Von Vorwuͤr- fen war gar nicht die Rede mehr, um ſo min- der, da auch Undine, ihres Trotzes vergeſſend, die beiden Pflegeaͤltern mit anmuthigen Worten und Liebkoſungen faſt uͤberſchuͤttete. Als man endlich nach der Freude des Wie- derhabens ſich recht beſann, blickte ſchon das Morgenroth leuchtend uͤber den Landſee herein,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/48
Zitationshilfe: Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/48>, abgerufen am 21.11.2024.