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Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189.

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ihm ruhte. Dann drückte er einen leichten Kuß
auf die rosigen Lippen, und schlief wieder ein,
um von neuen Schrecken erweckt zu werden.
Nachdem er sich nun alles dieses recht im vollen
Wachen überlegt hatte, schalt er sich selbst über
jedweden Zweifel aus, der ihn an seiner schönen
Frau hatte irre machen können. Er bat ihr
auch sein Unrecht mit klaren Worten ab, sie
aber reichte ihm nur die schöne Hand, seufzte
aus tiefem Herzen, und blieb still. Aber ein
unendlich inniger Blick aus ihren Augen, wie
er ihn noch nie gesehn hatte, ließ ihm keinen
Zweifel, daß Undine von keinem Unwillen ge-
gen ihn wisse. Er stand dann heiter auf, und
ging zu den Hausgenossen in das gemeinsame
Zimmer vor. Die Dreie saßen mit besorglichen
Mienen um den Heerd, ohne daß sich Einer
getraut hätte, seine Worte laut werden zu la-
ßen. Es sahe aus, als bete der Priester in
seinem Innern um Abwendung alles Uebels.
Da man nun aber den jungen Ehemann so ver-
gnügt hervorgehn sah, glätteten sich auch die

ihm ruhte. Dann druͤckte er einen leichten Kuß
auf die roſigen Lippen, und ſchlief wieder ein,
um von neuen Schrecken erweckt zu werden.
Nachdem er ſich nun alles dieſes recht im vollen
Wachen uͤberlegt hatte, ſchalt er ſich ſelbſt uͤber
jedweden Zweifel aus, der ihn an ſeiner ſchoͤnen
Frau hatte irre machen koͤnnen. Er bat ihr
auch ſein Unrecht mit klaren Worten ab, ſie
aber reichte ihm nur die ſchoͤne Hand, ſeufzte
aus tiefem Herzen, und blieb ſtill. Aber ein
unendlich inniger Blick aus ihren Augen, wie
er ihn noch nie geſehn hatte, ließ ihm keinen
Zweifel, daß Undine von keinem Unwillen ge-
gen ihn wiſſe. Er ſtand dann heiter auf, und
ging zu den Hausgenoſſen in das gemeinſame
Zimmer vor. Die Dreie ſaßen mit beſorglichen
Mienen um den Heerd, ohne daß ſich Einer
getraut haͤtte, ſeine Worte laut werden zu la-
ßen. Es ſahe aus, als bete der Prieſter in
ſeinem Innern um Abwendung alles Uebels.
Da man nun aber den jungen Ehemann ſo ver-
gnuͤgt hervorgehn ſah, glaͤtteten ſich auch die

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[78/0092] ihm ruhte. Dann druͤckte er einen leichten Kuß auf die roſigen Lippen, und ſchlief wieder ein, um von neuen Schrecken erweckt zu werden. Nachdem er ſich nun alles dieſes recht im vollen Wachen uͤberlegt hatte, ſchalt er ſich ſelbſt uͤber jedweden Zweifel aus, der ihn an ſeiner ſchoͤnen Frau hatte irre machen koͤnnen. Er bat ihr auch ſein Unrecht mit klaren Worten ab, ſie aber reichte ihm nur die ſchoͤne Hand, ſeufzte aus tiefem Herzen, und blieb ſtill. Aber ein unendlich inniger Blick aus ihren Augen, wie er ihn noch nie geſehn hatte, ließ ihm keinen Zweifel, daß Undine von keinem Unwillen ge- gen ihn wiſſe. Er ſtand dann heiter auf, und ging zu den Hausgenoſſen in das gemeinſame Zimmer vor. Die Dreie ſaßen mit beſorglichen Mienen um den Heerd, ohne daß ſich Einer getraut haͤtte, ſeine Worte laut werden zu la- ßen. Es ſahe aus, als bete der Prieſter in ſeinem Innern um Abwendung alles Uebels. Da man nun aber den jungen Ehemann ſo ver- gnuͤgt hervorgehn ſah, glaͤtteten ſich auch die

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Zitationshilfe: Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/92>, abgerufen am 21.11.2024.