Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676.Der zwey und zwantzigste Discurs/ Reis-Gesellen unvermutlich anfiel/ und deß Lebens beraubte. Der Uber-fallene/ da er seinen Tod und Mörder für Augen/ und keine Rettung aus dessen Händen sahe/ auch allbereit auf dem Boden lage/ und vergeblich um sein Leben geflehet hatte; ließ dennoch/ vor dem letzten Athem/ diese Worte gegen dem Mörder aus: Solte gleich mein Leichnam auch schon verfaulet seyn; werden dich doch meine Gebeine noch verrahten/ und an- klagen. Welche Dräuungen der Mörder weniger/ denn Nichts achte- te; sondern das Mord- oder Blut-Geld zu sich nahm; den Erschlage- nen in ein dickes Gesträuch warff/ und mit ruchlosem Mut davon ging; Fürsatzes/ diesen schändlichen schadhafften Gewinn/ zu Anstellung seines Handwercks/ als eine gute Beyhülffe/ anzulegen. Nach vielen langen Jahren/ da der Ermordete allbereit verfaulet/ Wer dieses deß Mörders Bluten einer Antipathiae zuschreiben wol- Winterschild. Besorglich dörffte der Herr noch viel weiter deß Ziels
Der zwey und zwantzigſte Diſcurs/ Reis-Geſellen unvermutlich anfiel/ und deß Lebens beraubte. Der Uber-fallene/ da er ſeinen Tod und Moͤrder fuͤr Augen/ und keine Rettung aus deſſen Haͤnden ſahe/ auch allbereit auf dem Boden lage/ und vergeblich um ſein Leben geflehet hatte; ließ dennoch/ vor dem letzten Athem/ dieſe Worte gegen dem Moͤrder aus: Solte gleich mein Leichnam auch ſchon verfaulet ſeyn; werden dich doch meine Gebeine noch verrahten/ und an- klagen. Welche Draͤuungen der Moͤrder weniger/ denn Nichts achte- te; ſondern das Mord- oder Blut-Geld zu ſich nahm; den Erſchlage- nen in ein dickes Geſtraͤuch warff/ und mit ruchloſem Mut davon ging; Fuͤrſatzes/ dieſen ſchaͤndlichen ſchadhafften Gewinn/ zu Anſtellung ſeines Handwercks/ als eine gute Beyhuͤlffe/ anzulegen. Nach vielen langen Jahren/ da der Ermordete allbereit verfaulet/ Wer dieſes deß Moͤrders Bluten einer Antipathiæ zuſchreiben wol- Winterſchild. Beſorglich doͤrffte der Herꝛ noch viel weiter deß Ziels
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Der zwey und zwantzigſte Diſcurs/
Reis-Geſellen unvermutlich anfiel/ und deß Lebens beraubte. Der Uber-
fallene/ da er ſeinen Tod und Moͤrder fuͤr Augen/ und keine Rettung aus
deſſen Haͤnden ſahe/ auch allbereit auf dem Boden lage/ und vergeblich
um ſein Leben geflehet hatte; ließ dennoch/ vor dem letzten Athem/ dieſe
Worte gegen dem Moͤrder aus: Solte gleich mein Leichnam auch ſchon
verfaulet ſeyn; werden dich doch meine Gebeine noch verrahten/ und an-
klagen. Welche Draͤuungen der Moͤrder weniger/ denn Nichts achte-
te; ſondern das Mord- oder Blut-Geld zu ſich nahm; den Erſchlage-
nen in ein dickes Geſtraͤuch warff/ und mit ruchloſem Mut davon ging;
Fuͤrſatzes/ dieſen ſchaͤndlichen ſchadhafften Gewinn/ zu Anſtellung ſeines
Handwercks/ als eine gute Beyhuͤlffe/ anzulegen.
Nach vielen langen Jahren/ da der Ermordete allbereit verfaulet/
und nichts mehr von ihm uͤbrig war/ als die duͤrren Gebeine/ fuͤhrt einen
Edelmann ein verfolgtes Wild/ durch ſelbigen Wald; und wie die
Spuͤhr-Hunde an das Gepuͤſche kommen/ wo das verdorꝛte Todten-
Gebein lag/ ſtehen ſie ſtill dabey/ und bellen. Woruͤber der Edelmann
die Einbildung faſſt/ es ſey irgends daſelbſt ein Wild-Lager vorhanden;
und deßwegen einen Diener dahin ſendet/ um die eigentliche Bewandniß
zu erſehen. Derſelbe findet aber nichts/ ohn Menſchen-Gebeine/ wel-
che die Zeit und das Wetter gantz weiß gebleichet. Der Edelmann/ ſol-
ches hoͤrend/ iſt ſelbſt hinzu geritten/ und hat/ in Anſehung/ daß die Ge-
beine ſo ſchoͤn weiß waren/ dem Knecht befohlen/ einer etliche davon mit-
zunehmen/ damit man/ an die Weide-Meſſer/ ein paar guter Haͤfften
davon machen moͤchte. Deß andern Tags/ traͤgt der Knecht die Bei-
ner zu dem Meſſer- Schmied hin/ daß er Haͤfften davon bereiten moͤge.
Diß war eben der Thaͤter/ und gehoͤrte das Staͤdtlein/ darinn er haus-
ſaͤſſig/ unter deß Edelmanns Gebiet. Kaum hatte dieſer die Gebeine er-
blickt; als er gaͤhling erſchrack/ und ihm das Blut zur Naſen heraus lieff:
nicht ohne Befremdung deß Dieners/ welcher ſolche Begebenheit alſofort
ſeinem Herꝛn/ dem Edelmann/ anzeigte. Hierauf wird der Moͤrder ge-
fordert/ ſcharff zu Rede geſetzt/ ernſtlich befragt/ und abgehoͤrt. Weil
ihm nun das Gewiſſen alle Entſchuldigungen/ und Leugnungen/ benom-
men; iſt er/ nach Verdienſt/ belohnet/ und durch den Hencker offentlich
hingerichtet worden.
Seltſames
Bluten ei-
nes Moͤr-
ders/ bey
Erblickung
deß Erſchla-
genen Ge-
beins.
Wer dieſes deß Moͤrders Bluten einer Antipathiæ zuſchreiben wol-
te/ wuͤrde es gar uͤbel treffen. Darum wolte ich ſchier ſagen/ es ſey deß
Erſchlagenen ſein Geburts-Engel/ der/ durch ſolches Blut-Zeichen/ den
Thaͤter verfolge und angebe.
Winterſchild. Beſorglich doͤrffte der Herꝛ noch viel weiter deß
Ziels
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