Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676.kleiner Knabe/ welcher die Gestalt der Sonnen-Finsternissen mit Jm übrigen verhoffe ich/ ein freundliches Gemüt werde diesem Buch Gelehr-
kleiner Knabe/ welcher die Geſtalt der Sonnen-Finſterniſſen mit Jm uͤbrigen verhoffe ich/ ein freundliches Gemuͤt werde dieſem Buch Gelehr-
<TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><pb facs="#f0018"/> kleiner Knabe/ welcher die Geſtalt der Sonnen-Finſterniſſen mit<lb/> ſeinen Augen aus dem Waſſer ſchoͤpffet: ſie bildet ihr/ in dem Waſ-<lb/> ſer-Spiegel ihrer Meinungen/ viel Dinges von dem Geſtirn ein/<lb/> welches droben/ in wuͤrcklicher Befindung vielleicht anders beſchaf-<lb/> fen/ und gibt bisweilen ihre <hi rendition="#aq">doct<hi rendition="#g">am Ignorantiam</hi></hi> (wovon Cu-<lb/> ſanus zu leſen) oder gelehrte Unwiſſenſchafft/ an ſtatt eines Ur-<lb/> theils/ heraus. Nichts deſtoweniger kan ſie doch allezeit das<lb/> Wahrſcheinlichſte vermuten/ ihren Verſtand daran uͤben und be-<lb/> luſtigen. Mit dem Abſehen/ wird hierinn mehr/ als nur eines<lb/> Gelehrten/ Urtheil eroͤffnet/ daß uns frey ſtehe/ dem Glaubwuͤrdig-<lb/> ſten beyzupflichten. Wie ich denn ſelbſt auch meine geringe Bey-Stimme<lb/> und einfaͤltiges Beduncken/ bisweilen nicht verſchwiegen; ſondern bald<lb/> dieſem/ bald jenem einen Zufall gethan/ deß guten Vertrauens/ es weꝛde<lb/> kein Verſtaͤndiger und Beſcheidener mir veruͤblen/ daß ich zwar alle<lb/> hochgelehrte Leute ehre/ als meine Unterweiſer/ doch keinem mich dar-<lb/> um fuͤr einen Sclaven ergebe. Fuͤr verkehrten falſchen Gloſſen aber die-<lb/> ſes oder jenes neidiſchen Ubel-Deuters/ wird der Augenſchein ſelbſt alle-<lb/> mal das ſicherſte Præſervativ und Wider-Gifft ſeyn. Apollonius pflag<lb/> diß einige/ von den Goͤttern/ zu wuͤnſchen/ daß er die Guten moͤchte ken-<lb/> nen/ und die Boͤſen meiden. <hi rendition="#aq">(Alex. ab Alex. 1.4.)</hi> Solches Gluͤck moͤchte<lb/> ich dieſem Luſt-Hauſe auch wuͤnſchen: ſintemal alsdenn nichts darinn<lb/> anders/ als wol und gut/ muͤſte gedeutet werden. Jedoch wuͤnſche ich<lb/> darum keines Weges/ daß ich nicht moͤchte eines Beſſern unterrichtet<lb/> werden/ wo ich irgendswo haͤtte gefehlt. Hat die Sonne ihre Makeln/<lb/> und manch gelehrtes Buch ſeine Flecken; warum ſolte nicht auch mein<lb/> einfaͤltiges hie oder da vielleicht irren? Der mich eines Beſſern (mit Be-<lb/> ſcheidenheit) erinnert/ erweiſet mir eine angenehme Gunſt: denn ich ſchaͤ-<lb/> me mich nicht/ ſondern bin begierig/ zulernen. Sonſt iſt es wol wahr/<lb/> daß es den Buͤchern nicht allein nach dem Verſtande/ ſondern auch nach<lb/> der Gewogenheit deß Leſers/ bisweilen wol oder uͤbel gehe.</p><lb/> <p>Jm uͤbrigen verhoffe ich/ ein freundliches Gemuͤt werde dieſem Buch<lb/> deſto guͤnſtiger ſeyn/ weil dariñ die Gedancken der beruͤhmteſten Stern-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Gelehr-</fw><lb/></p> </div> </front> </text> </TEI> [0018]
kleiner Knabe/ welcher die Geſtalt der Sonnen-Finſterniſſen mit
ſeinen Augen aus dem Waſſer ſchoͤpffet: ſie bildet ihr/ in dem Waſ-
ſer-Spiegel ihrer Meinungen/ viel Dinges von dem Geſtirn ein/
welches droben/ in wuͤrcklicher Befindung vielleicht anders beſchaf-
fen/ und gibt bisweilen ihre doctam Ignorantiam (wovon Cu-
ſanus zu leſen) oder gelehrte Unwiſſenſchafft/ an ſtatt eines Ur-
theils/ heraus. Nichts deſtoweniger kan ſie doch allezeit das
Wahrſcheinlichſte vermuten/ ihren Verſtand daran uͤben und be-
luſtigen. Mit dem Abſehen/ wird hierinn mehr/ als nur eines
Gelehrten/ Urtheil eroͤffnet/ daß uns frey ſtehe/ dem Glaubwuͤrdig-
ſten beyzupflichten. Wie ich denn ſelbſt auch meine geringe Bey-Stimme
und einfaͤltiges Beduncken/ bisweilen nicht verſchwiegen; ſondern bald
dieſem/ bald jenem einen Zufall gethan/ deß guten Vertrauens/ es weꝛde
kein Verſtaͤndiger und Beſcheidener mir veruͤblen/ daß ich zwar alle
hochgelehrte Leute ehre/ als meine Unterweiſer/ doch keinem mich dar-
um fuͤr einen Sclaven ergebe. Fuͤr verkehrten falſchen Gloſſen aber die-
ſes oder jenes neidiſchen Ubel-Deuters/ wird der Augenſchein ſelbſt alle-
mal das ſicherſte Præſervativ und Wider-Gifft ſeyn. Apollonius pflag
diß einige/ von den Goͤttern/ zu wuͤnſchen/ daß er die Guten moͤchte ken-
nen/ und die Boͤſen meiden. (Alex. ab Alex. 1.4.) Solches Gluͤck moͤchte
ich dieſem Luſt-Hauſe auch wuͤnſchen: ſintemal alsdenn nichts darinn
anders/ als wol und gut/ muͤſte gedeutet werden. Jedoch wuͤnſche ich
darum keines Weges/ daß ich nicht moͤchte eines Beſſern unterrichtet
werden/ wo ich irgendswo haͤtte gefehlt. Hat die Sonne ihre Makeln/
und manch gelehrtes Buch ſeine Flecken; warum ſolte nicht auch mein
einfaͤltiges hie oder da vielleicht irren? Der mich eines Beſſern (mit Be-
ſcheidenheit) erinnert/ erweiſet mir eine angenehme Gunſt: denn ich ſchaͤ-
me mich nicht/ ſondern bin begierig/ zulernen. Sonſt iſt es wol wahr/
daß es den Buͤchern nicht allein nach dem Verſtande/ ſondern auch nach
der Gewogenheit deß Leſers/ bisweilen wol oder uͤbel gehe.
Jm uͤbrigen verhoffe ich/ ein freundliches Gemuͤt werde dieſem Buch
deſto guͤnſtiger ſeyn/ weil dariñ die Gedancken der beruͤhmteſten Stern-
Gelehr-
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