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Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676.

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Der eilffte Discurs/ von der Himmels-Neigung/ und den
Augen der Sineser fallen schmal/ länglich-rund/ schwartz/ und stehen zim-
lich heraus. Die Nase ist gar klein/ und nicht hoch erhoben. Die Ohren
aber/ und das übrige Angesicht/ betreffend; erweiset sich deßfalls/ zwischen
den Europaeern und Sinesern/ wenig Unterscheids: wiewol man/ in etli-
chen Provincien/ Leute mit einem platten und fast vierecktem Angesichte/
[s]ihet. Jn den Landschafften Quantung und Quangsi/ wie auch in Cochin-
china/ haben die meisten Leute/ an jeder kleinen Zehen/ zween Nägel: viel-
leicht daher/ weil sie vor Zeiten/ an jedem Fuß/ sechs Zehe gehabt. Das
Sinische Weibsvolck ist/ in Sina/ durchgehends/ kleiner Statur/ und in
dem Wahn/ die höchste Schönheit bestehe/ in Kleinheit der Füsse. Wie-
wol sie/ nicht von Natur/ sondern durch Zwang/ solche kleine Füsse haben:
angemerckt ihnen/ von Kind auf/ wegen solcher vermeinten Zier und
Wolständigkeit/ selbige gar hart/ in Schächte gebunden und bewunden
werden: damit sie ihre natürliche Grösse nicht bekommen; sondern gantz
zart/ schmal/ und klein bleiben mögen. Solches Einschnüren/ und Zu-
sammenbinden/ verursacht offt/ in den jungen zarten Füssen/ daß sich der
Wachsthum daraus verliert/ und sie gar verdorren/ und lahm werden.
Wiewol dennoch die meiste Sinische Weiber artig und künstlich tantzen/
auch dabey mancherley Gefechte/ so lustig anzusehen/ mit den blossen Ar-
men anrichten. Sonst sind die Sinische Weibsbilder insgemein überaus
schön/ lieblich/ anmutig/ und übertreffen/ an Leibes-[S]chönheit/ alle heid-
nische Weiber deß gantzen Erdbodens. Sie sind weiß von Haut/ braun
von Augen: weßwegen auch wenige ihre natürliche Schönheit mit Golde
zieren: wiewol sie dennoch bisweilen auch Schmincke gebrauchen. Weil
aber reicher Leute Töchter gar zärtlich und delicat erzogen/ auch anders
nicht/ als nur zu gewissen Zeiten/ und zwar nach dem Gewigt oder Masse/
gespeiset werden: bekommen etliche daher eine sonderlich zarte und sehr
schöne Gestalt. (a)

Jch muß aber/ von ihrer Schönheit/ auf hören zu reden: damit der
Herr Adlerhaupt nicht zu tieff dadurch entzuckt werde/ und seines ange-
fangenen Discurses vergesse.

Adlerhaupt. Mit mir zwar hat es deßfalls keine Gefahr. So sind
auch nicht so sehr die Ohren/ als die Augen/ der Liebe Anführer/ und sol-
cher Entzündung Fackeln. Damit sich aber vielleicht der Herr selber/ in
blosse Beschreibung solcher weit-abgelegener Schönheiten nicht verliebe:
will ich ihm also fort einen ziemlich tuncklen Fürhang geben/ und von die-
sen Sonnen abführen/ in den kalten Schatten der Lapponischen Gestal-
ten. Die Lappen/ und Samoiden/ seynd gar unzierliches Leibes/ und

wachsen
(a) Neuhof/ in der allgemeinen Beschreibung deß Reichs Sina/ am 288. Blat.

Der eilffte Discurs/ von der Himmels-Neigung/ und den
Augen der Sineſer fallen ſchmal/ laͤnglich-rund/ ſchwartz/ und ſtehen zim-
lich heraus. Die Naſe iſt gar klein/ und nicht hoch erhoben. Die Ohren
aber/ und das uͤbrige Angeſicht/ betreffend; erweiſet ſich deßfalls/ zwiſchen
den Europæern und Sineſern/ wenig Unterſcheids: wiewol man/ in etli-
chen Provincien/ Leute mit einem platten und faſt vierecktem Angeſichte/
[ſ]ihet. Jn den Landſchafften Quantung und Quangſi/ wie auch in Cochin-
china/ haben die meiſten Leute/ an jeder kleinen Zehen/ zween Naͤgel: viel-
leicht daher/ weil ſie vor Zeiten/ an jedem Fuß/ ſechs Zehe gehabt. Das
Siniſche Weibsvolck iſt/ in Sina/ durchgehends/ kleiner Statur/ und in
dem Wahn/ die hoͤchſte Schoͤnheit beſtehe/ in Kleinheit der Fuͤſſe. Wie-
wol ſie/ nicht von Natur/ ſondern durch Zwang/ ſolche kleine Fuͤſſe haben:
angemerckt ihnen/ von Kind auf/ wegen ſolcher vermeinten Zier und
Wolſtaͤndigkeit/ ſelbige gar hart/ in Schaͤchte gebunden und bewunden
werden: damit ſie ihre natuͤrliche Groͤſſe nicht bekommen; ſondern gantz
zart/ ſchmal/ und klein bleiben moͤgen. Solches Einſchnuͤren/ und Zu-
ſammenbinden/ verurſacht offt/ in den jungen zarten Fuͤſſen/ daß ſich der
Wachsthum daraus verliert/ und ſie gar verdorren/ und lahm werden.
Wiewol dennoch die meiſte Siniſche Weiber artig und kuͤnſtlich tantzen/
auch dabey mancherley Gefechte/ ſo luſtig anzuſehen/ mit den bloſſen Ar-
men anrichten. Sonſt ſind die Siniſche Weibsbilder insgemein uͤberaus
ſchoͤn/ lieblich/ anmutig/ und uͤbertreffen/ an Leibes-[S]choͤnheit/ alle heid-
niſche Weiber deß gantzen Erdbodens. Sie ſind weiß von Haut/ braun
von Augen: weßwegen auch wenige ihre natuͤrliche Schoͤnheit mit Golde
zieren: wiewol ſie dennoch bisweilen auch Schmincke gebrauchen. Weil
aber reicher Leute Toͤchter gar zaͤrtlich und delicat erzogen/ auch anders
nicht/ als nur zu gewiſſen Zeiten/ und zwar nach dem Gewigt oder Maſſe/
geſpeiſet werden: bekommen etliche daher eine ſonderlich zarte und ſehr
ſchoͤne Geſtalt. (a)

Jch muß aber/ von ihrer Schoͤnheit/ auf hoͤren zu reden: damit der
Herꝛ Adlerhaupt nicht zu tieff dadurch entzuckt werde/ und ſeines ange-
fangenen Discurſes vergeſſe.

Adlerhaupt. Mit mir zwar hat es deßfalls keine Gefahr. So ſind
auch nicht ſo ſehr die Ohren/ als die Augen/ der Liebe Anfuͤhrer/ und ſol-
cher Entzuͤndung Fackeln. Damit ſich aber vielleicht der Herꝛ ſelber/ in
bloſſe Beſchreibung ſolcher weit-abgelegener Schoͤnheiten nicht verliebe:
will ich ihm alſo fort einen ziemlich tuncklen Fuͤrhang geben/ und von die-
ſen Sonnen abfuͤhren/ in den kalten Schatten der Lapponiſchen Geſtal-
ten. Die Lappen/ und Samoiden/ ſeynd gar unzierliches Leibes/ und

wachſen
(a) Neuhof/ in der allgemeinen Beſchreibung deß Reichs Sina/ am 288. Blat.
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[286/0320] Der eilffte Discurs/ von der Himmels-Neigung/ und den Augen der Sineſer fallen ſchmal/ laͤnglich-rund/ ſchwartz/ und ſtehen zim- lich heraus. Die Naſe iſt gar klein/ und nicht hoch erhoben. Die Ohren aber/ und das uͤbrige Angeſicht/ betreffend; erweiſet ſich deßfalls/ zwiſchen den Europæern und Sineſern/ wenig Unterſcheids: wiewol man/ in etli- chen Provincien/ Leute mit einem platten und faſt vierecktem Angeſichte/ ſihet. Jn den Landſchafften Quantung und Quangſi/ wie auch in Cochin- china/ haben die meiſten Leute/ an jeder kleinen Zehen/ zween Naͤgel: viel- leicht daher/ weil ſie vor Zeiten/ an jedem Fuß/ ſechs Zehe gehabt. Das Siniſche Weibsvolck iſt/ in Sina/ durchgehends/ kleiner Statur/ und in dem Wahn/ die hoͤchſte Schoͤnheit beſtehe/ in Kleinheit der Fuͤſſe. Wie- wol ſie/ nicht von Natur/ ſondern durch Zwang/ ſolche kleine Fuͤſſe haben: angemerckt ihnen/ von Kind auf/ wegen ſolcher vermeinten Zier und Wolſtaͤndigkeit/ ſelbige gar hart/ in Schaͤchte gebunden und bewunden werden: damit ſie ihre natuͤrliche Groͤſſe nicht bekommen; ſondern gantz zart/ ſchmal/ und klein bleiben moͤgen. Solches Einſchnuͤren/ und Zu- ſammenbinden/ verurſacht offt/ in den jungen zarten Fuͤſſen/ daß ſich der Wachsthum daraus verliert/ und ſie gar verdorren/ und lahm werden. Wiewol dennoch die meiſte Siniſche Weiber artig und kuͤnſtlich tantzen/ auch dabey mancherley Gefechte/ ſo luſtig anzuſehen/ mit den bloſſen Ar- men anrichten. Sonſt ſind die Siniſche Weibsbilder insgemein uͤberaus ſchoͤn/ lieblich/ anmutig/ und uͤbertreffen/ an Leibes-Schoͤnheit/ alle heid- niſche Weiber deß gantzen Erdbodens. Sie ſind weiß von Haut/ braun von Augen: weßwegen auch wenige ihre natuͤrliche Schoͤnheit mit Golde zieren: wiewol ſie dennoch bisweilen auch Schmincke gebrauchen. Weil aber reicher Leute Toͤchter gar zaͤrtlich und delicat erzogen/ auch anders nicht/ als nur zu gewiſſen Zeiten/ und zwar nach dem Gewigt oder Maſſe/ geſpeiſet werden: bekommen etliche daher eine ſonderlich zarte und ſehr ſchoͤne Geſtalt. (a) Jch muß aber/ von ihrer Schoͤnheit/ auf hoͤren zu reden: damit der Herꝛ Adlerhaupt nicht zu tieff dadurch entzuckt werde/ und ſeines ange- fangenen Discurſes vergeſſe. Adlerhaupt. Mit mir zwar hat es deßfalls keine Gefahr. So ſind auch nicht ſo ſehr die Ohren/ als die Augen/ der Liebe Anfuͤhrer/ und ſol- cher Entzuͤndung Fackeln. Damit ſich aber vielleicht der Herꝛ ſelber/ in bloſſe Beſchreibung ſolcher weit-abgelegener Schoͤnheiten nicht verliebe: will ich ihm alſo fort einen ziemlich tuncklen Fuͤrhang geben/ und von die- ſen Sonnen abfuͤhren/ in den kalten Schatten der Lapponiſchen Geſtal- ten. Die Lappen/ und Samoiden/ ſeynd gar unzierliches Leibes/ und wachſen (a) Neuhof/ in der allgemeinen Beſchreibung deß Reichs Sina/ am 288. Blat.

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Zitationshilfe: Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francisci_lusthaus_1676/320>, abgerufen am 23.12.2024.