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Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676.

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Der siebenzehende Discurs/
wird man doch so viel verständiger und hochgelehrter Leute/ Augen und
Federn/ der Aufschneiderey bezüchtigen? Daher ich diese Begebenheit
lieber glauben/ als verwerffen will.

Allein was diese und dergleichen Exempel solcher Nacht-gleichen
Sonnen-Finsterniß belangt; begehre ich solche selbst nicht dem Zwischen-
Lauff deß Monds zuzuschreiben: sondern will nachmals meine einfältige
Gedancken darüber anzeigen.

Schönwald. So hat denn die Finsterniß/ zur Zeit deß Leidens
unsers lieben HErrn und Heilandes/ gleichfalls der gantzen Sonnen eine
Traur-Decke gegeben; und ist eine gantze verweilende Finsterniß gewe-
sen: sintemal die Schrifft sagt/ sie habe drey Stunden gewährt.

Finsterniß
zur Zeit deß
Leidens
JEsu Chri-
sti.
Goldstern. Daß es eine gantze Verfinsterung gewesen/ daran ist
fast kein Zweiffel. Denn weil grosser und mächtiger Potentaten Todes-
Fälle/ durch keine gemeine/ sondern starcke Finsternissen/ bedeutet wer-
den: so hat vermutlich/ als dieses allerhöchsten Monarchen Tod vorhan-
den war/ und der Held in Jsrael fallen solte; eine der allerstärcksten Fin-
sternissen solches bezeichnet. Daß aber die Sonne/ drey Stunden lang/
gantz verborgen gewesen/ kan man daraus nicht schliessen. Denn der
Anfang und das Ende einer Finsterniß sind ja so tunckel nicht/ als wie das
Mittel/ welches gleichsam der Finsterniß rechter Kern/ und tieffster
Grad ist.

Forell. Mir gefällt auch nicht/ daß mancher/ diese Finsterniß desto
schreck- und erstaunlicher zu machen/ dieselbe/ mit der Aegyptischen/ ver-
gleicht. Denn in der Aegyptischen/ kunnte kein Aegypter den andren
erkennen: aber/ bey dieser/ kannte alles/ beydes vorübergehende/ und zu-
schauende/ Volck den/ am Kreutze hangenden/ JEsum von Naza-
reth.

Goldstren. Die Aegyptische ist gar keine Sonnen-Finsterniß/
sondern eine purlautere Wunder-Finsterniß gewesen/ und ein Fürbild
der höllischen: wie sie denn auch den Aegyptern/ zum Wunder/ und
Schrecken/ gegeben worden: Da es hingegen in Jsrael liecht war. Die
Finsterniß/ bey der Kreutzigung deß Seligmachers ward zwar auch/ wi-
der den gewöhnlichen Natur-Lauff/ nemlich in der Fülle deß Monds/
welcher damals der Sonnen entgegen war gesetzt/ und von derselben
180. Stuffen (wie etliche rechnen) sich befand.

War über-
natürlich.
Schönwald. Mein Herr zörne nicht/ daß ich ihm/ in seine Rede
fahre. Jch möchte wissen/ weil die H. Schrifft hievon nichts Ausdrück-
liches sagt/ wodurch er sich dessen versichern könne/ daß/ im Vollmond/
selbige Finsterniß vorgegangen?

Gold-

Der ſiebenzehende Discurs/
wird man doch ſo viel verſtaͤndiger und hochgelehrter Leute/ Augen und
Federn/ der Aufſchneiderey bezuͤchtigen? Daher ich dieſe Begebenheit
lieber glauben/ als verwerffen will.

Allein was dieſe und dergleichen Exempel ſolcher Nacht-gleichen
Sonnen-Finſterniß belangt; begehre ich ſolche ſelbſt nicht dem Zwiſchen-
Lauff deß Monds zuzuſchreiben: ſondern will nachmals meine einfaͤltige
Gedancken daruͤber anzeigen.

Schoͤnwald. So hat denn die Finſterniß/ zur Zeit deß Leidens
unſers lieben HErꝛn und Heilandes/ gleichfalls der gantzen Sonnen eine
Traur-Decke gegeben; und iſt eine gantze verweilende Finſterniß gewe-
ſen: ſintemal die Schrifft ſagt/ ſie habe drey Stunden gewaͤhrt.

Finſterniß
zur Zeit deß
Leidens
JEſu Chri-
ſti.
Goldſtern. Daß es eine gantze Verfinſterung geweſen/ daran iſt
faſt kein Zweiffel. Denn weil groſſer und maͤchtiger Potentaten Todes-
Faͤlle/ durch keine gemeine/ ſondern ſtarcke Finſterniſſen/ bedeutet wer-
den: ſo hat vermutlich/ als dieſes allerhoͤchſten Monarchen Tod vorhan-
den war/ und der Held in Jſrael fallen ſolte; eine der allerſtaͤrckſten Fin-
ſterniſſen ſolches bezeichnet. Daß aber die Sonne/ drey Stunden lang/
gantz verborgen geweſen/ kan man daraus nicht ſchlieſſen. Denn der
Anfang und das Ende einer Finſterniß ſind ja ſo tunckel nicht/ als wie das
Mittel/ welches gleichſam der Finſterniß rechter Kern/ und tieffſter
Grad iſt.

Forell. Mir gefaͤllt auch nicht/ daß mancher/ dieſe Finſterniß deſto
ſchreck- und erſtaunlicher zu machen/ dieſelbe/ mit der Aegyptiſchen/ ver-
gleicht. Denn in der Aegyptiſchen/ kunnte kein Aegypter den andren
erkennen: aber/ bey dieſer/ kannte alles/ beydes voruͤbergehende/ und zu-
ſchauende/ Volck den/ am Kreutze hangenden/ JEſum von Naza-
reth.

Goldſtren. Die Aegyptiſche iſt gar keine Sonnen-Finſterniß/
ſondern eine purlautere Wunder-Finſterniß geweſen/ und ein Fuͤrbild
der hoͤlliſchen: wie ſie denn auch den Aegyptern/ zum Wunder/ und
Schrecken/ gegeben worden: Da es hingegen in Jſrael liecht war. Die
Finſterniß/ bey der Kreutzigung deß Seligmachers ward zwar auch/ wi-
der den gewoͤhnlichen Natur-Lauff/ nemlich in der Fuͤlle deß Monds/
welcher damals der Sonnen entgegen war geſetzt/ und von derſelben
180. Stuffen (wie etliche rechnen) ſich befand.

War uͤber-
natuͤrlich.
Schoͤnwald. Mein Herꝛ zoͤrne nicht/ daß ich ihm/ in ſeine Rede
fahre. Jch moͤchte wiſſen/ weil die H. Schrifft hievon nichts Ausdruͤck-
liches ſagt/ wodurch er ſich deſſen verſichern koͤnne/ daß/ im Vollmond/
ſelbige Finſterniß vorgegangen?

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[784/0834] Der ſiebenzehende Discurs/ wird man doch ſo viel verſtaͤndiger und hochgelehrter Leute/ Augen und Federn/ der Aufſchneiderey bezuͤchtigen? Daher ich dieſe Begebenheit lieber glauben/ als verwerffen will. Allein was dieſe und dergleichen Exempel ſolcher Nacht-gleichen Sonnen-Finſterniß belangt; begehre ich ſolche ſelbſt nicht dem Zwiſchen- Lauff deß Monds zuzuſchreiben: ſondern will nachmals meine einfaͤltige Gedancken daruͤber anzeigen. Schoͤnwald. So hat denn die Finſterniß/ zur Zeit deß Leidens unſers lieben HErꝛn und Heilandes/ gleichfalls der gantzen Sonnen eine Traur-Decke gegeben; und iſt eine gantze verweilende Finſterniß gewe- ſen: ſintemal die Schrifft ſagt/ ſie habe drey Stunden gewaͤhrt. Goldſtern. Daß es eine gantze Verfinſterung geweſen/ daran iſt faſt kein Zweiffel. Denn weil groſſer und maͤchtiger Potentaten Todes- Faͤlle/ durch keine gemeine/ ſondern ſtarcke Finſterniſſen/ bedeutet wer- den: ſo hat vermutlich/ als dieſes allerhoͤchſten Monarchen Tod vorhan- den war/ und der Held in Jſrael fallen ſolte; eine der allerſtaͤrckſten Fin- ſterniſſen ſolches bezeichnet. Daß aber die Sonne/ drey Stunden lang/ gantz verborgen geweſen/ kan man daraus nicht ſchlieſſen. Denn der Anfang und das Ende einer Finſterniß ſind ja ſo tunckel nicht/ als wie das Mittel/ welches gleichſam der Finſterniß rechter Kern/ und tieffſter Grad iſt. Finſterniß zur Zeit deß Leidens JEſu Chri- ſti. Forell. Mir gefaͤllt auch nicht/ daß mancher/ dieſe Finſterniß deſto ſchreck- und erſtaunlicher zu machen/ dieſelbe/ mit der Aegyptiſchen/ ver- gleicht. Denn in der Aegyptiſchen/ kunnte kein Aegypter den andren erkennen: aber/ bey dieſer/ kannte alles/ beydes voruͤbergehende/ und zu- ſchauende/ Volck den/ am Kreutze hangenden/ JEſum von Naza- reth. Goldſtren. Die Aegyptiſche iſt gar keine Sonnen-Finſterniß/ ſondern eine purlautere Wunder-Finſterniß geweſen/ und ein Fuͤrbild der hoͤlliſchen: wie ſie denn auch den Aegyptern/ zum Wunder/ und Schrecken/ gegeben worden: Da es hingegen in Jſrael liecht war. Die Finſterniß/ bey der Kreutzigung deß Seligmachers ward zwar auch/ wi- der den gewoͤhnlichen Natur-Lauff/ nemlich in der Fuͤlle deß Monds/ welcher damals der Sonnen entgegen war geſetzt/ und von derſelben 180. Stuffen (wie etliche rechnen) ſich befand. Schoͤnwald. Mein Herꝛ zoͤrne nicht/ daß ich ihm/ in ſeine Rede fahre. Jch moͤchte wiſſen/ weil die H. Schrifft hievon nichts Ausdruͤck- liches ſagt/ wodurch er ſich deſſen verſichern koͤnne/ daß/ im Vollmond/ ſelbige Finſterniß vorgegangen? War uͤber- natuͤrlich. Gold-

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Zitationshilfe: Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676, S. 784. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francisci_lusthaus_1676/834>, abgerufen am 28.07.2024.